Heideggers “Der Ister” (1)

Eine faszinierende Idee der beiden Filmemacher David Barison und Daniel Ross, Heideggers Vorlesung über Hölderlins Donau-Hymne (aus 1942) in einem Film aufzugreifen: Der Ister. Bilder der Gegenwart und zeitgenössische Kommentare werden dem Heideggerschen Text gegenübergestellt. Der Beginn der Vorlesung ist hier zu lesen.

Schon am Anfang des Films stimmt etwas nicht, nämlich der Anfang. Er bietet das erwartete Bild. Nach einer Ente und dem Titel:

Dazu Musik von Bruckner. Das passt weder zum Wortlaut, noch zum Duktus des Gedichtes, das mit dem Feuer beginnt: “Jezt komme, Feuer!”. Die Donau beginnt eben bei der Quelle. Sie gießt, in dieser Darstellung, ihr Wasser über das Feuer.

Wikipsychologie

Oft ist die Rede davon, dass die Freiheit des Schreibens in Wiki-Webs der Sache zu Gute kommt. Man kann damit aber auch auf unerwartete Weise Charaktereigenschaften zu erkennen geben, die besser verborgen blieben.

Zum Beispiel: wo schreibt man die eigene Lehrveranstaltung hin, wenn man sie auf einer Liste einträgt? Es gibt Personen, die setzen sich an den Anfang, andere fügen den Eintrag den bestehenden hinzu.

Transaktionskosten

Eine kluge Bemerkung, die ich gestern gelesen habe: Wikis reduzieren die Transaktionskosten für Information praktisch auf Null. Als Beispiel kann man meinen eben im ORF erschienen Text zu Toleranu und Krieg zitieren. Der braucht einen großen Apparat, Büros, Werbung und Renommee, damit er unter die Leute kommt. Es dauerte einen Tag, und das war wegen der Aktualität sehr rasch. Wenn ich den Beitrag im Vergleich dazu ins Wiki gestellt hätte, wäre er ohne Zeitverzug und administratives Overhead erschienen.

Man sieht daran allerdings auch, dass es nicht so einfach ist. Die Publizität im ORF ist größer, die Zeit, die ich in den Erwerb der Kenntnisse in Systemverwaltung investiert habe, muss man auch dazunehmen. Interessant ist jedenfalls die Frage, wie sich Verbreitung von Inhalten in Wikis (“impact”) zu jener in den konventionelleren, trägerenn Publikationsformen verhält.

Plötzlicher Ausfall

Im Seminar “Ausbildungsformen der Wissensgesellschaft” diskutieren wir zur Zeit Über die “Zumutung”, in einer philosophisch-pädagogischen Veranstaltung TCP-Protokolle zu behandeln. Ein kleines Beispiel dazu.

Mehrfach berichten Studierende, dass sie in einer Lernplattform, oder im Wiki, etwas beitragen wollen – wenn sie auf “Absenden” drücken, verschwindet der Text aber in den Orkus. Mir war längere Zeit nicht klar, was das Problem ist, mittlerweile bin ich draufgekommen, dass es sich in der Regel um ein timeout darum handelt. Die Schreiberinnen lassen sich zu lange Zeit, ihren Beitrag zu Überlegen und sind dann ausgeloggt.

Natürlich kann man dem mit einem einfachen Tipp begegnen. Aber die Sache ist doch reichhaltiger. Es geht um eine Besonderheit der InformationsÜbertragung im digitalen Raum. Man tippt eben weder in die Schreibmaschine, noch in die Textverarbeitung.

wiki evangelism

Ein gut recherchierter Artikel zur wikipedia.

“Wikipedia setzt neue Paradigmen, zeigt, was man mit dem Internet alles machen kann”, sagt Herbert Hrachovec, Medienphilosoph an der Universität Wien. Auch das deutsche Grimme-Institut honorierte das Wissensprojekt, das seit vier Jahren online ist: Beim Grimme Online Award 2005 bekam das “herausragende Beispiel kollaborativer Nutzung des Internet” gleich zwei Auszeichnungen. Die Webseite gehört zu den meistbesuchten im Netz – wohl auch, weil das Lexikon kostenlos zu verwenden ist.

ppt

Nun zur anderen Seite der PowerPoint Debatte.

Vor einer Woche hatte ich einen Projektabschluss mit Präsentation, Diskussion, Evalutation. Es wäre ganz undenkbar gewesen, nicht mit der entsprechenden Software zu agieren. In etwa, als ob man bei der Erbtante mit Irokesenfrisur auftaucht. Natürlich ist das nicht strafbar und in Einzelfällen sogar witzig und erfolgreich. Aber der allgemeine Mehraufwand steht in keinem Verhältnis zum Effekt.

Das gilt auch für meine beiden Vorträge nächste Woche. Am Tag der neuen Medien Über Wiki-Webs zu sprechen erfordert die passende visuelle Begleitung.

Ich habe mich darauf eingerichtet, die Herausforderung anzunehmen und andere Akzente zu setzen. Erstens mal nicht MS-Powerpoint (und auch nicht Open Office) sondern ein schickes kleines UNIX-Programm (magicpoint), das auch vieles kann, aber anders zu bedienen ist und anders aussieht. Man erzeugt die Folien nicht durch herumklicken, sondern durch die Verfassung einer Textdatei, nach dem Prinzip von LaTex. Wenn man diesen Fummelzwang vermieden hat, kann man sich auch noch was inhaltlich einfallen lassen. Demnächst hier.

Wenn Aristoteles PowerPoint gehabt haette …

Ein weniger buntes Beispiel als der Hamlet,
aber inhaltlich sehr beindruckend, und soweit ich sehe nicht satirisch/ironisch gemeint: Aristoteles De anima III,4 und III,5 (die fürchterlichen Kapitel über den Intellekt, inkl. der ca. 18 Zeilen ueber den intellectus agens auf einer einzigen PowerPoint-Folie dem Publikum endlich mal klar und leichtverdaulich dargeboten: http://info1.nwmissouri.edu/nwcourses/rfield/376ppt/lec15/sld004.htm.

Wenn die “Alten” schon PowperPoint gehabt hätten, wenn Aristoteles selber schon PowerPoint gehabt hätte, und die Sache daher auch schon selber hätte derart klar machen können: muessten wir uns nicht mehr mit Alexander von Aphrodisias, Simplikios, Themistios, Averroes, Durandus, John Baconthorpe, Pelacani, Paulus Venetus, Augustinus Niphus, Pomponazzi, Cesare Cremonini und wie sie alle heissen herumschlagen — und ich hätte nicht gewusst worüber meine MA-Arbeit und Diss. schreiben, und müsste jetzt nicht versuchen fuer SEP was zu “Renaissance aristotelianism” (m.E. ein ens inexistens) zu schreiben, – und hätte wohl einen weniger spannenden Job … .

  1. Nur wer Powerpoint nicht benutzt bleibt unklar.
  2. Nur wer unklar bleibt gibt künftigen Generationen von Philosophiehistorikern was zu kommentieren.
  3. Wenn künftige Generationen nichts mehr zu kommentieren haben, stirbt die Philosphiehistorie aus.
  4. Das Weiterberstehen der Philosophiehistorie ist aus philosophiestorischer Sicht ein per se bonum
  5. Wer gegen dieses per se bonum handelt, handelt aus philosophiehistorischer Sicht falsch.
  6. Für Philosophiehistoriker ist die philosophiehistorische Sicht die relevante.
  7. Philosophiehistoriker müssen gegen PowerPoint sein.
  8. Philosophiehistoriker aller Länder vereinigt Euch: Den Philosophen muss der Gebrauch von PowerPoint verboten werden!

Oder anders: wie das Adagium sagt: niemand hat über die Jahrhunderte mehr Leute in Amt und Brot gebracht als die Herren Homer und Aristoteles. Und dies weil sie so dunkel waren. Wer lang anhaltende Wirkung haben möchte sollte also auf PowerPonit verzichten — oder sich mindestens bemühen möglichst konfuse Folien zu erstellen.