Ein Interview, körpernah

Interviews sind Schnittstellen, unter anderem zwischen Reportern und politischen Funktionären. Zum Beispiel zwischen dem Falter-Team Sibylle Hamann plus Florian Klenk und dem Bildungsminister Heinz Faßmann((Siehe hier)). Zahlreiche derartige Interviews gleichen Wohltätigkeitsveranstaltungen oder Ringkämpfen. Das trifft in diesem Fall nicht zu. Die Beteiligten respektieren ihr jeweiliges Gegenüber und räumen einander Chancen ein. Darum ist am Beispiel gut zu sehen, wo die Möglichkeiten und die Grenzen dieser Redeform liegen. Und es ist zu beobachten, dass in ihrem Rahmen die (umstrittene) Integrität des politischen Funktionärs nicht verlorengeht((Die “unabhängige Bildungsgewerkschaft” sieht das anders.))

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Philosophy graduates will be in great demand by 2030? And then?

… this is the headline of a post shared by the Facebook page “Philosophy matters”. The post has likes and comments of people who sympathize with philosophy, or have an education in philosophy. I read the linked article, and posted a comment expressing my concerns about the mismatch between the headline and the content of the article. The latter is mostly about the usage of technology in education, while the first focuses only on philosophy graduates. Later I realized that the word “expert” in the headline is crucial for both. Philosophers would learn how to play the role of an expert in a corporate environment, delivering assessments on demand. That’s what the headline suggests. At the same time, I would add, philosophers would be aware and make aware that expertise is not the whole story on the journey called education.

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Ein Kuchenstück macht Furore

Sie kauft ein Stück vom Waldviertler Guglhupf, ein Riesenstück. Es würde reichen für drei, denke ich. Sie wirkt gar nicht so hungrig, so als würde sie das Stück gar nicht für sich kaufen. Sie ist wahrscheinlich Mitglied des Pfarrgemeinderates, denke ich.

Die Verkäuferin wird plötzlich unruhig. “Jetzt geh’ raus. Verschwind! Du hast schon bekommen” faucht sie über den Tresen mit den vielen Kuchen. Aber er geht nicht weg – ein hochgeschossener, schwarzhaariger Noch-nicht-Mann, der mit einem leisen Lächeln den leer gegessenen Plastikteller über den Tresen zu reichen versucht. Provokant.

Es ist plötzlich ganz still, und die Pfarrgemeinderätin sagt laut: “Geben Sie ihm. Ich zahle, was er will.” Der Verkäuferin ist es peinlich. “Nein, das geht nicht!”. Das will Chefin nicht. Wir sollen geben, sagt Chefin. Aber nur einmal.” Sie nimmt den Plastikteller, legt ohne Nachfrage an den Hungrigen ein Stück Kuchen drauf, reicht den Teller schweigend zurück.

Die Pfarrgemeinderätin will zahlen, da mischt sich ein älterer Mann aus der Warteschlange ein: “Sie lügen alle. Alle lügen sie.” Wie kommt er auf Lüge, denke ich. “Das können wir uns noch leisten”, sagt die Pfarrgemeinderätin, “Hunger braucht hier niemand zu haben.” “Aber sie lügen ja nur.” Die Verkäuferin reicht das Geld, das sie für das Extrakuchenstück bekommen hat, zurück. “Das will Chefin nicht. Chefin ist sozial.” Ich komme dran, verlange meinen Lieblingskuchen und dass ich den zusätzlichen Kuchen bezahlen darf.

Doch die Verkäuferin bleibt dabei: “Ich bin selber Ausländerin. Ich sage meinen Kindern: Ihr müsst wissen, wie ihr euch benehmt. Der hat kein Benehmen. Wissen Sie, das ist Bettelmafia. Die sollen aufhören. Schau’n Sie draußen den Schwarzen, der Augustin verkauft. Der ist höflich. Der weiß, wie man sich benimmt.”

Kira Euklid

 

 

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Not just to consume. 7 lose points on security, obscurity, and authenticity

Here are seven lose thoughts on security, obscurity, and authenticity and how such properties would be relevant on individual, societal, and systemic levels. The following is delivered in raw, unpolished format with gaps that might resist simple consumption. May the gaps be anchor points for further analysis.

 

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Wutbürger gegen Weltbürger

Es ist schon lange her, seit mich Beschimpfungen und üble Nachrede in Internetforen geärgert haben. Die in letzter Zeit häufiger werdenden Klagen über Hasspostings nahm ich als Nebenerscheinung des allgemeinen Niedergangs des Social Webs. Das hat sich gestern schlagartig geändert.

In Sachsen, ein Wochenendbesuch, kam die Rede auf eine Veranstaltung am 8.März in Dresden. Durs Grünbein und Uwe Tellkamp diskutierten über Meinungsfreiheit. Der Anlass war eine Konfliksituation anlässlich der Frankfurter Buchmesse, die sich in Leipzig wiederholt hatte. Durs Grünbein sprach davon, dass die Menschen in einer Demokratie wie der Bundesrepublik Deutschland mitgestalten und ihre Machtlosigkeit nicht beklagen müssen. Uwe Tellkamp dagegen beklagte sich vehement über das Meinungsdiktat der antifaschistisch-grün-linksliberalen Presse. Und über Merkel und Migranten.

Eine Gesprächspartnerin im kleinen Kreis war ganz auf der Seite Tellkamps. Er sage es, wie es ist: Grünbein sei abgehoben, vage und konfus. Die Dresdner Diskussion ist auf Youtube zu haben. Dort erlebt man ein blaues Wunder. Nicht wegen der Videoaufnahme selbst, obwohl die ziemlich heftig ist, sondern wegen der Kommentare, Sie sprechen für sich. Oder sollte man sagen, dass sie für sich selbst kläffen?

Revolte per Übersetzung

 

Die “Antigone” des Sophokles ist ein Paradigma des Widerstands. Sie stellt sich gegen ihren Onkel Kreon, als er bei Todesstrafe verbietet, den in der Schlacht getöteten Bruder ordnungsgemäß zu bestatten. Dieser hatte einen Angriffskrieg gegen die Stadt geführt, doch Antigone verteidigt sein Recht auf ein herkömmliches Begräbnis. Lieber wählt sie selbst den Tod, als sich der Rache des Siegers zu beugen.

Soweit ist die narrative Vorgabe unumstritten. Damit ist allerdings noch nichts über die Gründe des Widerstands und über die Verhältnismäßigkeit der Strafandrohung sowie des Einsatzes des eigenen Lebens gesagt. Dazu ist viel geschrieben worden. Ist Antigone eher eine Jeanne d’Arc oder eine Maria Restituta Kafka? Die Frage soll hier offen bleiben. Ein kleines Detail beleuchtet den Beitrag, den Übersetzungen zu dieser Diskussion beisteuern können.

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If Libussa had a Blockchain

The hesitant Austrian writer Franz Grillparzer and his drama “Libussa” from 1848 inspired Herbert Hrachovec and Walter Seitter at the end of a podcast to diagnose contemporary democracies and the role of money. That diagnosis could benefit from a reference to recent developments in monetary systems by bitcoin and blockchain. And the other way around: The “elimination of middlemen” through cryptography and peer to peer networks is an idea that can benefit from hesitation.

 

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betriebsblind?

Vor einiger Zeit ist ein Gespräch mit Anke Graneß in die Philosophische Audiothek aufgenommen worden. Unter dem Titel “Weltweite wirtschaftliche Gerechtigkeit” ging es um einen Artikel, den Frau Graneß publiziert hatte: “Is the debate on ‘global justice’ a global one? Some considerations in view of modern philosophy in Africa”. Den Titel der Sendung hätte man vielleicht mit einem Fragezeichen versehen können. Allerdings wurde gleich zu Beginn betont, dass die Debatte über globale Gerechtigkeit einseitig im europäischen und US-amerikanischen Raum konzentriert ist. Das reichte nicht, um eine massive Kritik zu verhindern.

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“Anstößig ist die Lokalisierung”

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(c) Agnes Prammer – Happiness is here (January 2016, Tokyo)

“Anstößig ist die Lokalisierung”, schreibt Herbert Hrachovec zwei Blog-Posts vorher. Er nimmt Bezug darauf, wie eine seiner Studentinnen (m/w) ihre Anregung zur Lehrveranstalltung in die Tat umsetzte. Statt darauf zu warten, dass die Lehrperson die hiesige Lernplattform modifiziert, verwendet die Teilnehmerin eine existierende Facebook-Gruppe um ihren Vorschlag gleich in Gang zu setzen. Dadurch erhielt sie eine größere Leserschaft – größer als der Kreis des an Teilnehmern beschränkten Seminars und konnte außerdem ihrem Impuls sofort nachgehen. Die Lehrkraft weist darauf hin, dass Facebook nicht der geeignete Ort ist, ein Seminar zu organisieren: Die Kräfte gehören lokal gebunden.

Es folgen Überlegungen die nahelegen, die Begriffe Immanenz, Transzendenz und Offenbarung im Licht von Smartphones, Cloud Computing und Immigration neu zu denken.

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