Brennende Fragen

Ein Auftritt des Künstlers und Absolventen des Philosophiestudiums David Wendefilm alias David Tynnauer in der Vorlesung “Antiakademisches Philosophieren” und die daran anschließende Diskussion im Philosophieforum hat mich dazu motiviert, einen unfertigen Blogpost über die Tätigkeit des Studierens umzuschreiben.

Alexander Van der Bellen hat in seiner letzten Rede im Parlament darauf hingewiesen, dass man an der Uni nicht lernt, wie man gute, ausgefeilte Reden vor einem großen Publikum hält, sondern “auf der Uni sind wir gewohnt, alles zu überdenken, neu zu prüfen; könnt nicht irgendwo ein Fehler sein, usw.”

Der Auftritt von Herrn Wendefilm wirkt sehr souverän; was angesichts der Rückmeldungen des Publikums und dessen, was man sonst so bei Referaten in Seminaren am Institut kennt, bemerkenswert ist. Ich möchte mir die Sache näher ansehen.

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Geldverwendung (2)

Zur Verdeutlichung der vorigen Bemerkungen über Transaktionskosten das Beispiel einer Reiseabrechnung. Vom 5.-8.7. fand in Lecce (Apulien) die Arbeitstagung eines EU-Projektes statt, das ich koordiniere. Für Flug, Aufenthalt, Verpflegung ergab das etwa 500.-€ Kosten. Der Universität Wien kommen laut EU-Budget (für drei Jahre) 22.000.- € zu. Ich reichte das erforderliche zweiseitge Formular mit detaillierten Angaben zur Reise, die Kreditkartenabrechnung für das Flugticket und die Abschnitte der Boardingkarten ein, dazu die Hotelrechnung, mit der Bemerkung, dass ich am Wochenende (9.7.-10.7) privat in Lecce geblieben war.

Die Verrechnungsstelle war nicht zufrieden. Read more

Geldverwendung

Am 20. Juli 2011 starten offiziell die ersten Ausschreibungen der diesjaehrigen Foerderrunde im 7. EU-Rahmenprogramm (7. RP). 7 Milliarden Euro stehen fuer Ihre Forschungs- und Entwicklungsprojekte in nahezu allen Themenfeldern im Bereich “ZUSAMMENARBEIT” und im Spitzenforschungsprogramm “IDEEN” zur Verfuegung.
Darueber hinaus bietet das Programm “MENSCHEN” hervorragende Moeglichkeiten zur Foerderung der Mobilitaet von ForscherInnen, um diese nach Oesterreich bzw. nach Europa zu holen.

Man muss sich bei diesen bedeutenden Summen klar machen, wohin das Geld geht. Einerseits werden Forscherinnen gefördert, das ist natürlich eine gute Sache. Andererseits gehen durchschnittlich 40% der Fördersumme für diverse “transaction costs” auf. Ein ganzes Heer von Buchhalterinnen und Controllern überwacht die Abrechnung. Zur Politik der EU-Förderungen gehört auch eine kräftige Vermehrung der Reisetätigkeit. Schwärme von Wissenschafterinnen durchqueren den Kontinent. Spezialisierte Firmen bieten für “Gewinnbeteiligung” Hilfe bei der Einreichung und Finanzgebarung. Betrügereien wie das EU Business Register treten auf den Plan. Unlängst erhielt ich den Telefonanruf eines Agenten mit ultraseriöser Stimme, der mich dazu bringen wollte, um 1.500.-€ eine Seite Projektplacement zu bezahlen.

Für die Reiseabrechnungen schreibt die Universität Wien ein Formular vor, auf dem die Uhrzeiten des Verlassens und Wiedererreichens der Privatwohnung (minutengenau) angegeben werden müssen. (Versicherung?) Die für das Projekt geleistete Arbeitszeit muss in Listen erfasst werden. Es ist nicht nötig, hinzuschreiben, was tatsächlich getan worden ist, nur die Wochentage müssen stimmen.

Ja, und es darf nicht mehr als 8 Stunden am Tag gearbeitet werden, irgendwie schlägt hier der Arbeitsnehmerschutz zu. Für Koordinationstreffen im Ausland ist das ziemlich widersinnig. Man kann schon mehr Stunden hinschreiben, aber das vermindert den Wert der Stundenleistung.

Vorstellen und Verstecken

Letzte Woche war ich in der Andrássy Universität im Herzen Budapests, um von den Studierendenprotesten im Herbst/Winter 2009 zu sprechen.  Thema des Workshops war die Entwicklung eines europäischen Hochschulraums. Einleitend sprach eine deutsche Botschafterin über die Wichtigkeit, ein gemeinsames Netzwerk von Hochschulen in Europa aufzubauen. Dann gab Sören Iseib aus dem deutschen Institut für Hochschulforschung einen historischen Abriss über den Diskurs, ein solches Netzwerk aufzubauen und nannte gegenwärtige Herausforderungen. Schon nach dem Ende des zweiten Weltkriegs lassen sich Harmonisierungsbestrebungen von Hochschulausbildung finden, worauf nach und nach Beschleunigungsphasen und ein gewisser Anpassungsdruck entstanden, die in den Bologna-Erklärungen ab 1998 mündeten. Der Vortrag machte mir außerdem Ähnlichkeiten mit der #unibrennt-Bewegung klarer: Es gab keine zentrale politische Steuerung des Netzwerks und man kann eher ein Nebeneinander als ein gemeinsames Miteinander bemerken. Wohl aber gab und gibt es funktionierendes Organisationsmanagement, Öffentlichkeitsarbeit und Berichtswesen.

Daran schloss sich mein Vortrag “Verwerfung, Emulation und Bemächtigung globaler Netzwerke. Bildungsprotest in Österreich” an. Im Manuskript ist mir vorhin ein Flüchtigkeitsfehler aufgefallen, der gar nicht so unpassend ist: Studienprotest. So gesehen eignet sich der Protest als Studienobjekt (das #unibrennt-Buchprojekt hat das bereits während der Proteste praktiziert) um etwas über gegenwärtige Hochschulpolitik zu lernen.

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Lechner Edi Reloaded?

Jura Soyfer‘s Stück Der Lechner Edi schaut ins Paradies” handelt davon, dass der arbeitslose Lechner Edi während der Wirtschaftskrise der 30er-Jahre auf einem Elektromotor von der Schuhfabrik seines ehemaligen Arbeitgebers zurück durch die Zeit fliegt, um den Schuldigen für seine Arbeitslosigkeit und Lebenssituation zu finden. Er gibt irgendwann die Suche auf und endet mit “Auf uns kommt es an!”.

Der nach Soyfer benannte Hörsaal in der Hofburg wurde am 14. April zu einem Schauspiel im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und politischer Repräsentation. Man wurde – neben Polizeipräsenz – mit folgendem Aushang konfrontiert:

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Einrückung

Die Universität Wien hat sich nun entschlossen, Hahns Dissertation und das Gutachten von Peter Schulthess zugänglich zu machen:

Die Einschätzung von Peter Schulthess ist nachvollziehbar. Ich habe, wie er, in meinem Bericht dieselbe Position vertreten und nicht von einem Plagiat gesprochen. Die Frage ist allerdings, womit wir es dann in dieser Arbeit zu tun haben. Dazu eine allgemeine Bemerkung und ein kleines Detail.

Herrn Schulthess ist offenbar die ganze Arbeit vorgelegen. Er beschränkt sich (auftragsgemäß) auf den Vorwurf Stefan Webers. Wieso er, angesichts der von ihm selbst festgestellten Fragwürdigkeit der Passage, keine weiterreichende Warnung ausspricht, ist mir nicht klar.

Zweitens enthält seine wohlmeinende Verteidigung der Hahnschen Zitationsabsichten einen faktischen Fehler. Er weist darauf hin, dass Hahn auf Seite 211 am Ende der Übernahmen von Leopold Kohr den Text wieder nach links rückt. Das kann tatsächlich als Zeichen eines Zitatendes gelesen werden.

Das Problem ist nur, dass es dann am Anfang des supponierten Zitates eine korrespondierende Einrückung geben müsste. Das ist aber nicht der Fall. Die zu S. 211 gehörende Einrückung nach rechts befindet sich zwischen den Seiten 207 und 208 und markieren dort offensichtlich keinen Zitatbeginn.

Es folgen die Seiten 208 – 210. Dann:

Himmelherrgott, STANDARD

Die letzten beiden Tage waren verloren. Immer dieselben Fragen beantworten, ohne zu wissen, wie das dann im Effekt gedreht wird. Aber es ist auch instruktiv gewesen. Man kann berichten, und die entscheidenden Fragen gezielt nicht stellen. Das tun die beiden “Qualitätsblätter” der rechten und linken Reichshälfte:

Im Leserinnenforum des Standard, mit dem ich schon schlimme Erfahrungen gemacht habe, wirft Jan Kolarik genau die richtigen Fragen auf:

Recherche?

Himmelherrgott, STANDARD!! Ihr treibt’s mich noch in den Wahnsinn!

Ihr schreibts: “Hrachovec der Uni vor, sie habe dem Gutachter der Uni Zürich nur Ausschnitte der Dissertation Hahns zur Verfügung gestellt. … Diese Vorwurf weist Kopp im Gespräch mit derStandard.at entschieden zurück. Das Gutachten der Ombudstelle der Uni Zürich sei für jeden einsehbar”

JA UND??????

Hatte Zürich nun die gesamte Arbeit oder nicht? Wenn das Gutachten einsehbar ist, habt’s ihr euch das schon angeschaut?? Wenn nicht, warum nicht? Wenn ja, steht da was über die Vollständigkeit der überreichten Doktorarbeit??

Kurz, STANDARD: Habt’s ihr *irgendwas* recherchiert oder tippt ihr nur ab was euch andere Leute ins Mikrofon tippen?

Anders als die “staatstragenden” Tageszeitungen fragt “Österreich” interessanterweise nach. Sie haben, so vermute ich, keine Inserate der Bundesregierung zu verlieren.

Die Antwort auf die Frage gibt übrigens der Gutachter Peter Schulthess.

Ernüchterung

Ich denke, was man an der Uni lernen kann ist, sich mit weniger zufrieden zu geben, aber nicht weil man zu wenig ambitioniert wäre sondern weil man schmerzlich feststellt, dass Wissen nicht jene Art von Erfüllung, nicht die sinnstiftende Vereinigung mit dem Weltganzen herstellt, nach der der Wissensdurst verlangt. Man muss sich darauf einlassen, kleinteilige Untersuchungen durchzuführen.

So ging es mir als ich dieses Muster-Abstract als Vorbild für die verpflichtende Anmeldung zu einer Diplomarbeit las.

Eine ähnliche Befindlichkeit könnte sich seit diesem Semester schon zu Beginn des Informatik-Studiums an der TU Wien einstellen, wenn zwei Professoren vor der Studienanwärterin sitzen um sie über ihre vermutlich unrealistischen Vorstellungen zum Informatik-Studium aufzuklären.

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Doppelblock

Man soll alten Zeiten nicht ungebührlich nachtrauern. Peter Rastl war jahrzehntelang ein innovativer und liberaler Leiter des Zentralen Informatikdienstes. Der 2.Stock des Neuen Institutsgebäudes war einladend, viele Türen standen offen. Die Gelegenheit, kurz einmal Rat zu holen habe ich öfters genutzt.

Der Gang, an dem die Büros der Bediensteten liegen, ist nun gesperrt. Die Zugangstüren ziert ein plakatives Nicht-gegen-die-Einbahn Zeichen. Das gibt eine interessante Logik: Der Gang ist Einbahnstraße in beide Richtungen. Heads I win, tail you lose. Eine Rauminszenierung der Verweigerung.

Für die Benutzerinnen ist die Sperrung ein Ärger. Um von den PC-Räumen zum Helpdesk zu kommen, müssen sie jetzt vom 2.Stock ins Erdgeschoss, dann das NIG durchqueren, dann wieder in den 2.Stock. Aber das ZID hat dieselben Privilegien erhalten, wie das Controlling oder das Internationale Forschungsservice: Du kommst nicht mehr ohne Gegensprechanlage hinein.

Man soll alten Zeiten nicht ungebührlich nachtrauern. Man soll Verluste nicht verschweigen. Ein paar dunkle Gänge mehr.