Die Auserwählten

„Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.“ – Mt 25,14-30

Ich habe mich letzte Woche riskiert; einen ganzen Tag – von 08:30 bis 18:00 Uhr – in einem Seminarraum im Juridiucm. Dort fand ein Assessment Center statt. Es wurde durch verschiedenste Aufgaben abgefragt, ob man fähig ist, Führungspositionen zu übernehmen und im Team zusammenzuarbeiten – oder: ob man ein Talent ist und ein halbes Jahr das Persönlichkeitsentwicklungsprogramm des Talent Circle absolvieren darf. Da nur 12 Leute mitmachen durften, musste nach gewissen Kriterien ausgewählt werden – und das geschah an diesem Tag. Wert wurde dabei vor allem auf die Selbstdarstellung, Überzeugungskraft und Strukturierungsfähigkeit gelegt – und das in zeitkritischen Situationen. Anbei ein paar Einblicke darüber, was ich dort erlebt habe und warum ich dort war.

Ich habe mich für den TalentCircle beworben, weil mich u.A. interessiert, welche Schwerpunkte Unternehmen bei der Auswahl von Nachwuchs-Leitungspositionen setzen und weil ich finde, dass man weder als Philosoph noch als Informatiker davor zurückschrecken darf, sich ökonomischen Kontexten auszusetzen; nicht um alles zu bejahen, sondern um seine Ideen einzubringen.

Es war ein spannender Tag. Diese Art von direktem Feedback bekommt man im universitären Kontext viel zu selten. Nach jeder Aufgabe wurde von mindestens zwei Assessoren Feedback gegeben – in Sandwich-Manier: Ein bisschen etwas Positives, dann etwas Negatives (als “Lernfeld” umschrieben) und dann wieder etwas Positives. Damit man trotzdem mit einem guten Gefühl in die nächste Aufgabe geht.

Von den teilnehmenden Personen war ich beeindruckt. Manche glänzten durch perfekte Rhetorik und Eloquenz (vornehmlich waren das Juristen), andere durch einen extrem reichhaltigen Lebenslauf (diverse Auslandsaufenthalte, Praktika, Stipendien, soziales Engagement, fast jede Person studierte 2 Studiengänge) oder Durchsetzungsvermögen in der Gruppe. Man hat eigentlich das Vorurteil, dass dort nur glatte Egomanen sitzen, doch das möchte ich – soweit man die Leute nach einem Tag kennen lernen kann – nicht unterschreiben. Die Teilnehmerinnen (Frauen waren mit 7 von 25 leider in der Minderheit) waren engagiert, hochmotiviert, zielstrebig, intelligent und wussten sich durchzusetzen. Das sind in vielen Situationen wünschenswerte Eigenschaften, die außerdem in keinem notwendigen Zusammenhang mit den Eigenschaften selbstverliebt, unreflektiert oder machthungrig stehen. Das sind Dinge, die man fairerweise trennen sollte (Zugegeben: Ein bisschen beängstigend ist es schon, da man von der Uni oder im Alltag nicht gewöhnt ist, dass so viele motivierte Leute an einem Ort zu finden sind. Wenn man in üblichen Kontexten sich als motiviert versteht, dann ist das hier bestenfalls Standard).

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Interessant war, dass die zeitliche Reihenfolge der Vorschläge und Beiträge mitdokumentiert wurde. Man bekam dadurch das Gefühl, als Erster etwas sagen zu müssen, möglichst penetrant und schnell zu sein. Man brauchte etwas, um sich von der Masse abzuheben. Wenn man dazu noch inhaltlich einen schlüssigen Beitrag abgibt und nicht einfach nur irgendwas sagt, ist man schon positiv vermerkt und kann mit gutem Feedback rechnen. Das überrascht einem nicht weiter, da ja Führungsleute gesucht werden, die eine kompetente Erscheinung ausstrahlen sollen und ihre Interessen durchsetzen können. Andererseits wurden Selbstdarstellungen, die zu arrogant wirkten, durchaus sanktioniert. Man wolle, wie einer der Assessoren beim Schlussfeedback erklärte, Personen, die gut zum eigenen Team passen würden, keine “einsamen Wölfe”. Dazu muss man erklären, wie der Talent Circle finanziert wird.

Uniport und Partners4 veranstalten diesen Talent Circle und bewerben ihn an der Universität. Partner-Unternehmen übernehmen die Patenschaft der TalentCircle-Teilnehmer. Sie bezahlen Geld dafür und veranstalten Workshops. Im Gegenzüg haben sie Studierende zur Verfügung, an denen sie im Laufe des Curriculums (das ca. ein halbes Jahr dauert) in unterschiedlichen Übungs-Settings prüfen können, ob sie geeignet sind, sich im Milieu des eigenen Unternehmens zurechtzufinden.

Im Assessment Center erfolgte die Selektion der vielversprechendsten KandidatInnen. Diese 25 TeilnehmerInnen wurden bereits aus der Anzahl der BewerberInnen (ca. 150) ausgewählt. Im Prinzip ist es wie bei “Deutschland sucht den Superstar”, wo Dieter Bohlen in der Jury sitzt und über die “Performance” der einzelnen Persönlichkeiten spricht. Ich empfand es aber fairer als bei Bohlen (das wäre ja noch schöner). Eine bis jetzt einmalige Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich werde Gelegenheit haben, mir einen intensiveren Eindruck davon zu verschaffen, da ich in die Menge der 12 “Talente” selektiert wurde. Was ich mir unter “Persönlichkeitsentwicklungsprogramm” vorstellen kann, wird sich zeigen.

3 thoughts on “Die Auserwählten

  1. Deshalb habe ich dich angerufen: wollte dir zum Abschluss des Bachelors und auch zur Aufnahme im Talent Circle gratulieren; wird sicher interessant! Falls du irgendwann dazwischen noch Zeit haben solltest: es steht ja noch ein Grillabend bei Christian auf dem Plan (ob er nun will oder nicht 🙂 )

  2. Gratulation! Das habe ich gerade in einem Vortrag über Sokrates und Platon geschrieben:

    “Platon ist nicht so naiv, anzunehmen, dass Personen mit allgemeinem Durchblick einfach auf dem Feld wachsen. Diese Geschichte wird dem gemeinen Volk erzählt. Die Eingeweihten erfahren mehr über den Prozess, in dem die gesellschaftliche Elite rekrutiert wird. Und hier folgt Platon der sokratischen Maxime: Existenzfragen der Gesellschaft sind kein Geschäft.

    Ein gründlicher peer review findet heraus, welche Knaben und Mädchen charakterlich dazu geeignet sind, der Gemeinschaft vorbehaltslos zu dienen (Politeia 412d-414b). Sie steigen zu “Herrschern” auf. Worin besteht ihre Autorität und Überzeugungskraft? Sie liegt darin, dass sie die Desiderata erfüllen, die Sokrates formuliert hat: Sie haben Einsicht in die Leitprinzipien, die für soziale Kohärenz sorgen und diese Qualität ist durch ein rigoroses Regime der Besitzlosigkeit abgesichert.”

  3. “Prüfen muß man sie […]; dazu gibt man ihnen Aufgaben, bei denen sie am ehesten ihre Meinung vergessen oder sich betrügen lassen; wer sie nun nicht vergißt und sich nicht betrügen läßt, der ist auszuwählen, der andere auszuscheiden.[…]Dann muß man ihnen schwere Aufgaben stellen, Schmerzen und Wettkämpfe auferlegen, wobei immer wieder auf dasselbe zu achten ist.[…]wie man die Fohlen an Lärm und Getöse heranführt und beobachtet, ob sie schreckhaft sind, ebenso muß man sie noch als Jungen in furchterregende Lagen bringen und dann wieder zu Vergnügungen führen, um sie schärfer zu prüfen als Gold im Feuer, zu prüfen, wer sich schwer betören läßt und in allen Lagen Haltung bewahrt, ein guter Hüter seiner selbst und der Bildung, die er genossen, jederzeit voll Maß und Harmonie, kurz ein Mann, sich selbst und dem Staat von größtem Nutzen.” (Politeia 413c-e)

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