Truth and Belief. What Alexandr Dugin misses.

“Truth is [a] question of belief.” – Aleksandr Dugin in an interview 2016 with Gabriel Gatehouse

 

In an interview from 2016, that British journalist Gabriel Gatehouse had with the Russian thinker Alexandr Dugin, Dugin is utilizing post-modern thoughts to claim the “right” to truth relative to a “people”, in this case the Russian people. What follows after the quote from this interview are my spontaneous thoughts that arose from an earlier engagement with the french thinkers Michel de Certeau and Alain Badiou. Both have belief (faith) as a core concept in their philosophical work related to truth.

“The truth is [a] question of belief. Post-modernity shows that every so-called truth is the matter of believing. We belief in what we do, we belief in what we see. And that is the only way to define the truth. The truth is the matter of belief. And that is not only our position. When I see Western media, I ask myself how the people could lie about everything in the world… after that I say to myself: Stop. That is not lie. It is their truth. They are completely convinced… It is always interpretation. There is no such things as a fact. Wittgenstein has proven that. There is only interpretation. […] You can see nothing without interpretation. What you see is interpretation. […] The truth is relative, I could accept that, but only if you accept that.”

You can see nothing without interpretation, fair enough. But this is not a sufficient condition for truth. Not any kind of interpretation leads to a truth. Belief comes with a responsibility to seek truth, to eventually connect the content that one believes with established knowledge in a context. This is what is missed by Dugin in above interview: Believing contains a search for a truth, not claiming to have it’s final form.

Believing, when we follow the work of Michel de Certeau, is a practice of everyone. It can be instrumentalised by institutions and shaped by an agenda, but only up to a point, until the common belief is misrepresented and disassociates from the agenda that co-shaped and refined it.

Let’s not underestimate, that even though common belief can be manipulated to some degree, it has it’s own power of subverting dominant powers or the confinement of notions, e.g. the notion of “the Russian people”.

This is where – next to Michel de Certeau’s studies on a sociological level – Alain Badiou’s work on truth can be useful: Truth is a fact that is believed, but cannot YET be represented as knowledge. The faithful subjects want to show how this fact interacts with already established knowledge. They are busy incorporating the fact, that they belief in, into the body of existing knowledge. This is not a harmonious activity. Belief-driven incorporation starts at a neuralgic point in a concrete historic situation and continues from there. It’s extension does not work out always, and requires multiple iterations. The specialty of this truth procedure however is, that one starting point of this truth can be taken in a different historic situation and continued from there.

It is an oversimplification to relate truth to a belief. Truth comes with demonstrations, with reference to a described situation, and efforts of applying it in different contexts. Admitted, to do that in a fragmented society – shaped by diverse powers and cultural contexts- is challenging. But who said that truths come to us easily?

 

Die Mühen der Geschichtsdeutung. Politisch und Religiös.

“Allegories of Judaism and Christianity”. Bronze sculpture. St Joseph’s University, Philadephia. Image Credits: Calimeronte, Creative Commons Attribution-Share Alike 4.0 International
Vor etwa einem Jahr habe ich hier über Ecclesia und Synagoga geschrieben: das Figurenpaar, das die jüdische Synagoge und die christliche Kirche personifiziert. Das Bild, das ich damals verwendete, stellte die Überlegenheit von Ecclesia gegenüber Synagoga dar. Es offenbarte eine überhebliche Geste. In der obigen Skulptur von 2015, sitzen die beiden Damen gleich berechtigt und gleich befähigt. Die Skulptur wurde zum 50-jährigen Jubiläums des zweiten Vatikanischen Konzils errichtet. Im Oktober 1965 wurde – nach mehreren Revisionen – die Deklaration “Nostra aetate” (dt.: “In unserer Zeit”) verabschiedet, die die Einstellung der katholischen Kirche zum Judentum radikal veränderte, und die Überheblichkeit weitgehend hinter sich ließ. Auch das erste apostolische Schreiben von Papst Franziskus im Jahr 2013 zeigt das Bemühen um ein freundschaftliches Verhältnis mit dem Judentum, und weist auf die antisemitische Vergangenheit der katholischen Kirche hin. Mittlerweile sind beide Institutionen “alt”, und die christliche Leseart der jüdischen Schriften ist etabliert, neben der jüdischen. So können beide nebeneinander sitzen.

Diese Maturität ist im Russland-Ukraine-NATO-Konflikt noch zu vermissen. Russland (1) wirft der NATO vor, entgegen früherer Versprechungen, zu weit nach Osten vorzudringen, und (2) behauptet, dass die Ukraine kein eigenständiger Staat wäre. (3) Die NATO andererseits verweigert, auf russische sicherheitspolitische Bedenken einzugehen. Ein gefährlicher Deadlock. [1]
Es folgen zwei Gedanken dazu. Der erste hat politischen Bezug und weist auf eine kleine Auslassung in der Geschichtsdarstellung in einem “Die Zeit”-Artikel hin. Angesichts der russischen militärischen Intervention mag dies kleinlich wirken. Es reicht jedoch nicht, den russischen Machthabern ein irrationales Vorgehen vorzuwerfen, ohne zumindest den Versuch zu machen, das Verhalten in historische Zusammenhänge zu bringen. Dort angekommen, wird es immer noch ein fataler Sprung sein, der zur Entscheidung einer militärischen Intervention führt. Aber zumindest wird man sich die Fähigkeit zu einem zukünftigen Dialog erhalten. Verstehen heißt nicht Akzeptieren. [2]
Der zweite Gedanke: Die systematischen Überlegungen des Jesuiten Henri de Lubac haben – neben anderen französischen Katholiken in dieser Zeit – die katholische Kirche zu einem vertieften Verständnis der jüdischen Spiritualität geführt. Das kann hier nur angedeutet werden. [3] Für mich ist es ein Hinweis darauf, dass die religiösen Traditionen Schätze und Konflikte aufbewahren, die auch in “säkularen” Zeiten wertvoll und lehrreich sind. Hier meine ich vor allem den Umgang mit überliefertem Text, der am fruchtbarsten ausfällt, wenn man ihn sowohl historisch-kritisch als auch inspiriert von gegenwärtigen Problemen liest:

“Je reicher und kraftvoller der religiöse Gehalt eines Textes ist, um so leichter wird er durch eine allzu rasche oder allzu beschränkte Art, darin nach einem “geistigen” Sinn zu fahnden, seiner Kraft und Schönheit beraubt. Hier zeigt sich, daß beide, die kritische und die allegorische Methode, wo sie auf ihrer Ausschließlichkeit bestehen, nur ertötend wirken. Es gilt daher, gegen eine übertriebene oder allzu unmittelbare Anwendung der geistigen Deutung aufzutreten, im Namen des religiösen Wertes, der im Buchstaben und in den Situationen des Alten Bundes enthalten ist.” (S. 35) [4]


Read more

demokratisch, praktisch, gut

wortgewaltig

Der “Mitbegründer, Herausgeber und Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter” schreibt wöchentlich drastisch formulierte Kommentare. In der Nummer 46/12 S.5 gelten sie der Medienpolitik der Regierung. Das Vorhaben des Kanzlers “versinkt in der Kissenlandschaft seiner sonoren Artikulation” und sollte besser “nehammerisch gebellt oder sobotkinesisch gekläfft” werden. Der Adressat der Botschaft ist ein ” Volk von autoritären Charakteren, die es gewohnt sind, gsunde Watschn auszuteilen und einzustecken”. “Vertrottelung und Korrumpierung durch Digitalisierung” breitet sich aus; es reicht nicht, dagegen “autoritär zu blaffen, jeder würde bald einen Seuchentoten kennen”. Soweit der dunkle Hintergrund, vor dem sich die helle Aussicht abzeichnen könnte. Nur leider: “Egal, wie die Akteure heißen: sie verstehen es nicht, das Informationsspiel demokratisch zu spielen.”

Read more

Agamben: Ausnahmezustand prinzipiell

Giorgio Agamben schreibt in seinem Blog am 15. Juli 2020 über Notstand und Ausnahmezustand. Er bezieht sich auf den Artikel eines ungenannten Juristen “einer regierungstreuen Zeitung”, der in der Diskussion über die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zwischen Notstand und Ausnahmezustand unterscheidet. Der eine wird ausgerufen, um eine aktuellen Gefahr abzuwehren, und zielt darauf ab, die vorangegangene Normalität wiederherzustellen. Der andere bedient sich der Gefahr, um die Verhältnisse zugunsten oftmals demokratiefeindlicher Akteure umzugestalten.

Read more

Regelbruch im Spielverlauf

Andreas Kirchner hat eine Passage aus Alain Badious “Sein und Ereignis” hervorgehoben, die das Missverständnis korrigiert, dessen “Ereignis” träte unversehens, gänzlich ohne Vorläufer, in die Welt. Es ist, so muss man berücksichtigen, durch vorangegangene Ereignisse präfiguriert. Eine rekursive Struktur ist anzunehmen: Ereignisse setzen Ereignisse voraus. Das passt überraschend gut zu meinem Hinweis auf Befreiung in Louis Reimers Kierkegaard-Interpretation. Um sich aus einem Ungemach befreien zu können, bedarf es eines “Lichtblicks”, der dessen dunkle Totalität durchbricht.

Read more

Begrenzt offen?

Im Augenblick ist “Öffnet die Internierungslager!” (z.B. für Uiguren) weniger prominent, als der Ruf nach Aufhebung der Beschränkungen im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben. Die persönliche Bewegungsfreiheit wird auch in Krisenzeiten häufig als unantastbares Gut betrachtet. Politik und Polizei erscheinen als autoritäre Instanzen, wenn sie Betretungsverbote, Sperrstunden und Dokumentation von Infektionsverläufen anordnen. Andererseits besteht in der Bevölkerung auch die Bereitschaft, sich einschränken zu lassen.

Read more

Händewaschen weltweit

ist eine Nobelparfümerie. “Located in the heart of the city Vienna, the elegant store of ESBjERG offers the best of the world of cosmetics for over 35 years and connects tradition with a stylish lifestyle.”

“Inspired by botanicals, the French Countryside and natural history, the gorgeous collections from Michel Design Works enable you to transform a bland room into a special space. Beautifully designed home décor pieces and carefully conceived bath and body products provide amazing finishing touches for your home. Also fabulous gifts for any occasion, the Michel Design Works range is both luxurious and original.”

Read more

Tunesien: Gehen oder Bleiben?

Die Vision eines Innovationsviertels in Sousse
Bauarbeiten eines Gebäudes im Innovationsviertel

Die letzen 10 Tage war ich in Sousse in Tunesien. Dort fanden am Wochenende Präsidentschaftswahlen statt, nachdem der frühere Präsident, Beji Caid Essebsi, mit 92 Jahren verstarb, der sich seit der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich erfolgreich etabliert hat. Es folgt ein kurzer Reisebericht über die IT-Wirtschaft einer Stadt, die hauptsächlich vom Tourismus bekannt ist.

Read more

Die Transzendenz des Ackers

Bezogen auf eine kleine dörfliche Siedlung, ist die Tätigkeit am Acker eine Transzendenz. Gerade in Niederösterreich, sind die Äcker im Frühling strukturierte “Leere”:

Riesige Flächen Erde, strukturiert von Windschutzgürteln. Ein Spiel-Raum, aber ein existenzieller. Ohne Acker keine Ernte. Ohne Ernte kein Überleben, nicht nur der Bauern sondern der ganzen Siedlung (minus die globalen Import- und Handelsmöglichkeiten, die dieses Verhältnis graduell ent-dramatisieren).

Read more