demokratisch, praktisch, gut

wortgewaltig

Der “Mitbegründer, Herausgeber und Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Falter” schreibt wöchentlich drastisch formulierte Kommentare. In der Nummer 46/12 S.5 gelten sie der Medienpolitik der Regierung. Das Vorhaben des Kanzlers “versinkt in der Kissenlandschaft seiner sonoren Artikulation” und sollte besser “nehammerisch gebellt oder sobotkinesisch gekläfft” werden. Der Adressat der Botschaft ist ein ” Volk von autoritären Charakteren, die es gewohnt sind, gsunde Watschn auszuteilen und einzustecken”. “Vertrottelung und Korrumpierung durch Digitalisierung” breitet sich aus; es reicht nicht, dagegen “autoritär zu blaffen, jeder würde bald einen Seuchentoten kennen”. Soweit der dunkle Hintergrund, vor dem sich die helle Aussicht abzeichnen könnte. Nur leider: “Egal, wie die Akteure heißen: sie verstehen es nicht, das Informationsspiel demokratisch zu spielen.”

wortkarg

Verglichen mit der blumigen Abwertung der Politiker fällt die Charakterisierung demokratischer Politik knapp und volkstümlich aus. Die Regierung Kurz hätte “die Souveränität ihrer Bevölkerung” stärken sollen, indem sie sich überlegt “wie und wo sie Meinungsführerschaft antrifft”. Als Beispiel werden angeführt: Sportvereine, Freiwillige Feuerwehren, Kirchen, Glaubensgemeinschaften, Schulen und so weiter.” “Zivilgesellschaft” sei der Überbegriff. Oder, noch eine Stufe allgemeiner, “was man annähernd mit Öffentlichkeit bezeichnet”.

Wie stärkt man die Souveränität der Öffentlichkeit? Also des Agglomerats von Aufmerksamkeit erheischender Fakten, p.r Kampagnen, Falschmeldungen, Meinungen und Unterhaltungen denen die Bürgerinnen täglich ausgesetzt sind. Das Insgesamt von Daten, das sich zum Beispiel auf den Mobiltelefonen in einer U-Bahngarnitur ausbreitet. Von “demokratisch” ist das weit entfernt. Es empfiehlt sich, dieser Bezeichnung schärfere Konturen zu geben. Zumindest wäre zu unterscheiden:

  • “demokratisch” ist ein Verfahren, um Entscheidungen zu treffen. Die Summe der abgegebenen Stimmen zählt. Die Papstwahl des Kardinalsgremiums oder die Gewinnermittlung des europäischen Songkontests sind in diesem Sinn demokratisch.
  • “Demokratie” ist eine Verfassungsform. Sie enthält deutlich mehr, als geeignete Abstimmungsregeln, vor allem Vorkehrungen für das Zusammenwirken von Legislative, Exekutive und Judikatur.
  • “demokratisch zu spielen” ist ein handlungsleitendes Interesse. Ein Ensembel von Idealen, das sich der “Souveränität der Bevölkerung” verpflichtet sieht. Ein weites Feld, das sicherlich Korruptionsbekämpfung und Transparenzgebote einschließt. Das aber auch die souveränen Kurz- und Kickl-Wählerinnen (m/w) enthält.

Journalismus kann dazu beitragen, demokratische Spielregeln zu stärken, wenn sein muss auch durch drastische Wortwahl. Doch die Passage am Ende der Meinungskolumne Armin Thurnhers ist ein schwindelerregendes Gemisch eindrucksvoll überblendeter und bis zur Karikatur ausgereizter Metaphern.

Wortschwall

Weder dem Weihrauch für Kurz noch den Nebelgranaten zur Verschleierung seiner politischen Verantwortung … haftet auch nur der Hauch eines Verdachts an, es sei ihm je um Klarheit gegangen. Wer aber noch Druck auf den selbstgeworfenen Nebel ausübt, bettelt darum, dass sich irrationale Nebelgeister erheben.

Mit Weihrauch und Nebelgranaten fängt es vielversprechend an. Beide Rauchbildungen passen zu “Verschleierung”. Dem Rauch haftet ein Hauch an? Na gut, wenn es die Luftbewegung und die Assonanz so wollen. Der Hauch ist allerdings auch anderwärts beschäftigt, er bildet mit dem Verdacht seine eigene Metapher. Der Hauch des Verdachts am Weihrauch der Verschleierung ist eine Metapher 3. Grades. Es kommt noch bunter.

Eine Person (der Nebelwerfer) übt Druck auf den Nebel der Nebelgranaten aus und bettelt. Wie soll man sich das vorstellen? Welche politischen Umstände verdeutlicht dieses schräge Bild? Plausibel ist (vielleicht), dass im Nebel zusätzlich Druck ausgeübt wird (“gebellt”, “gekläfft”). Aber auf den selbstgeworfenen Nebel Druck auszuüben? Bitte nicht. Es ist, sagt Thurnher, ein Betteln um irrationale Nebelgeister. Aus sprachkritischer Sicht werden sie durch eine überhitzte Metaphernkompression freigesetzt. Die Polemik gegen den politischen Druck von Regierungsseite endet im Überdruck der Wortartistik.

Egal, wie die Akteure heißen: sie verstehen es nicht, das Informationsspiel demokratisch zu spielen.

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