Begrenzt offen?

Im Augenblick ist “Öffnet die Internierungslager!” (z.B. für Uiguren) weniger prominent, als der Ruf nach Aufhebung der Beschränkungen im wirtschaftlichen und öffentlichen Leben. Die persönliche Bewegungsfreiheit wird auch in Krisenzeiten häufig als unantastbares Gut betrachtet. Politik und Polizei erscheinen als autoritäre Instanzen, wenn sie Betretungsverbote, Sperrstunden und Dokumentation von Infektionsverläufen anordnen. Andererseits besteht in der Bevölkerung auch die Bereitschaft, sich einschränken zu lassen.

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“Hier ist all mein Erdenleid”

Im Radio Orange, Wien, lief am 25.12. 2019 in der Sendereihe “Philosophische Brocken” ein Gespräch unter Philosophinnen: “Maria, Hilfe”. Es ist in der “Philosophischen Audiothek” archiviert. Diskutiert wurden vor allem theologische und feministische Fragen. Wie sind aus heutiger Sicht die einschlägigen Bibelstellen zu verstehen? Was bedeutete die an sie anknüpfende Geschichte für das christliche Frauenbild?

Zwei Themen wurden nur am Rand gestreift. Die Romantik des Marienkults und die Trauer, welche die leidende Madonna umgibt. Der folgende kurze Bildessay deutet in diese Richtung, ohne Kitschgefahr oder Todeserfahrung eigens zu verfolgen.

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Tunesien: Gehen oder Bleiben?

Die Vision eines Innovationsviertels in Sousse
Bauarbeiten eines Gebäudes im Innovationsviertel

Die letzen 10 Tage war ich in Sousse in Tunesien. Dort fanden am Wochenende Präsidentschaftswahlen statt, nachdem der frühere Präsident, Beji Caid Essebsi, mit 92 Jahren verstarb, der sich seit der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich erfolgreich etabliert hat. Es folgt ein kurzer Reisebericht über die IT-Wirtschaft einer Stadt, die hauptsächlich vom Tourismus bekannt ist.

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Verkörperte Philosophie? Platon und die Chief Philosophy Officers

Fachzeitschriften begnügen sich nicht damit, ihre Seiten für Kulturinformationen zu öffnen[…] Zur wissenschaftlichen Strenge der Analysen gesellen sich [..] dogmatische Legenden im Predigtton. Philosophien des Armen für Fachkader! Sie entsprechen indes einem Bedürfnis.
– Michel de Certeau: Die Gegenwart wagen. Aus: GlaubensSchwachheit (Kohlhammer 2009). S.83

In dem jüngsten Blog-Artikel aus dem “Manager Magazin” schreibt Personalberaterin und Präsidentin des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft Irina Kummert von Ihrer Beobachtung, dass immer mehr Menschen mit Philosophischer Ausbildung Karriere in der Wirtschaft machen und allmählich in der Führung von Unternehmen landen. Sie nennt Platon als Pate, der in seiner Konzeption des Idealstaats Philosophen in Herrschaftspositionen vorgesehen hat. Sie wären besonders geeignet, Gerechtigkeit in einer Gemeinschaft zu bewahren. In dem Artikel wird dann in weiterer Folge Platon zum Vordenker für Team-Work und Heterarchie und kompatibel mit der “Intelligenz der Vielen” gemacht.

Es folgt eine kurze Kritik an der gefilterten Darstellung Platons sowie der affirmativen Bewerbung dieser Art von Karriere, ohne die Risiken zu nennen und ohne auf Brüche zwischen der Tradition Platos und den Dynamiken von (gegenwärtigen) Betriebsstätten aufmerksam zu machen. Daran schließt sich eine weitere Überlegung über die prekäre Situation verkörperter Philosophie. Sie kann sich nicht für immer auf das vorgängige, ‘gespeicherte’ Training verlassen. Sie ist eine Zusatz-Anstrengung die den stattfindenden Dynamiken der Umgebung eine  retardierende Wendung gibt, dessen Nutzen nicht greifbar ist und die nicht primär an den Bedürfnissen des Unternehmens orientiert ist, obwohl sie diese registriert und im gelungenen Fall informiert. Das geht auch in die andere Richtung: Die verkörperte Philsophie wird von den Unternehmensdynamiken registriert und – hier ist das Risiko – inkorporiert.

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How to Relativize the Importance of the Effable?

 

In one previous blog post, Herbert Hrachovec conducted a careful analysis on moving away from the visible domain, based on Mona Haydar’s account of wearing a Hijab as spiritual practice. This was definitely more substantial than what I did earlier when suggesting an isomorphism between a.) Hijab for protecting the body and b.) closed borders for national security. Both might be characterized by a resistance against their assets (or even their “essence”) being consumed or threatened by others. In contrast, Herbert starts with listing possible ways of resistance to globalization and consumer society and then highlighting one speciality when taking the Hijab as a spiritual practice:

Haydar’s “act of resistance” is primarily directed away from the body. “I am so much more than just a body.” (M.H.) Not “just a piece of meat walking around in the world for anybody to consume.” (M.H.) It’s not just frantic economics that is at stake here. This particular sign of resistence, Haydar’s hijab, indicates an extra-physical realm.

This extra-physical realm, in the words of Haydar is “a soul, that is ineffable that lives inside of me”. How to point towards something ineffable? Herbert: “Using a tangible tool like the head scarf to mediate a dramatic switch to an intangible insight”.

I am finishing the year of this blog with something unfinished: This posts adds three further positions/techniques/examples for giving clues that relativize the importance of the effable. May they be impulses for 2019.

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Leaving Immersion?

What makes a technique useful is that it responds to problems of the focus domain. An expert, who is using techniques is useful, if she is responsible and cares about the object of this expert domain. For example, a good project manager cares about everything that is involved in a project: people, the project goal, the means to achieve it, the timeline it requires. In every community obviously there are some who care more and some who care less. The challenge is: Why do we care? Wouldn’t we be better off if we just cared for ourselves, and just appeared to be caring while we would just be caring for ourselves?

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Gott ist tot. Mini-Transzendenz und Aufmerksamkeit

Zuletzt erschien ein Podcast in der Philosophischen Audiothek, der einen Vortrag von Ernst Tugendhat von 2002 neu kommentiert:

Den Ausgangspunkt bildet die durch Nietzsche zugespitzte Aussage “Gott ist tot”, und dadurch die Erkenntnis, dass der Bezug auf Übernatürliches nicht (mehr) wesentlich zum Menschen dazugehört und ihn bewegt. Was bleibt ist: Menschen gehen, so der Titel des Podcasts, über sich hinaus. Zwischen einem selber und Gott gibt es ein weites Feld für Überschreitungen, das zwar nicht übernatürlich ist, aber auch nicht völlig vereinnahmt werden kann. Auf dieses Feld zielt die immanente Transzendenz ab, dessen Ausgestaltung im Podcast erörtert wird. Ich verharre in diesem Blogpost erst einmal beim Ausgangspunkt und lasse dann meine Lektüre zu Michel de Certeau, Pierre Manent, und einen Veranstaltungsbesuch über die Generation Y miteinfliessen, um zu sagen: Die immanente Transzendenz enthält keine inhaltliche Vorgabe, wohin die Reise geht. Sie stellt uns vor Herausforderungen, wenn es um die Bildung einer gemeinsame Stimme geht, die für eine Sache fortschreitet. Dieser Mangel kann durch mächtige Interessen (z.B. ökonomisch oder politisch) ausgenutzt werden.


 

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Komplikationen, Kompilationen

Adventtuer 2016

Die Einladung zu einem Weihnachtsessen mit Musik hat die folgende Tonspur hervorgebracht. Ein Rückgriff auf Nestroy und das Wiener Kabarett der Zwischenkriegszeit, um Fluchtbewegungen und Welterschütterung ins Wohnzimmer zu bringen [1. Die Folge der Interpreten: Kurt Sowinetz – Hermann Leopoldi – Franz Imhoff – Kurt Sowinetz – Hermann Leopoldi.]

All inclusive? Zwei Exzesse.

Gestern sprach Christian Kern bei der Regenbogenparade in Wien. Der gemeinsame Feind sei der Hass, die Intoleranz und die Gewalt. Und was wir brauchen ist ein “wir” in dem alle inklusive sind. Zugestanden, eine zielgruppenspezifische Rede. Sie gibt Anlass zu Überlegungen.

ueberzählig_in_barcelona

Die Alternative zwischen dem alle inkludierenden “Wir” und dem “Wir”, das durch den Hass auf andere entsteht, ist eine Verengung der Sicht, eine politische Vereinfachung der individuellen Möglichkeiten. Auch wenn der Versuch der Inklusion ein vernünftiger ist, den jeder Projektleiter angeht, um sein Team auf eine Linie zu bekommen. Man kann in einem Land, das der Staat zu verwalten hat, nie alle inkludieren. Darum ist die individuelle Haltung wichtig.

Ein Umweg über die Sufi-Mystikerin Rabi’a aus dem 8. Jahrhundert kann den Blick modifizieren (und problematisieren).

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