Fähigkeiten

Von Heinrich Heine stammt die Strophe:

Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;
Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.

Das betrifft eine nicht erhörte Liebe, aber die Beschreibung passt auch darauf, wie sich Philosophen von Computerwissenschaftern verstoßen fühlen. Andreas Dengel zeigt der Weisheitslehre die kalte Schulter.

 

Während Menschen in geschriebener oder gesprochener Information selbstständig die Bedeutung erkennen, fehlt Computern diese Fähigkeit. Damit Computer dies trotzdem können, gibt es zwei Optionen: Entweder man versucht den Text oder die gesprochene Sprache mit Hilfe von Technologien der Künstlichen Intelligenz (KI) zu analysieren, um die bedeutungstragenden Wörter zu finden, oder man ergänzt die Information mit Hilfe beschreibender Attribute, wie wir das aus dem Bibliotheksumfeld bereits seit Jahrhunderten kennen. Die extrahierten bedeutungstragenden oder zusätzlich deskribierenden Wörter nennt man Metadaten.

Können ein Stein oder ein Eisenstück “der Schwerkraft gehorchen”? Ein Tier hat sicherlich die Fähigkeit, sich im Raum zu orientieren. Es gibt verschiedene Ansprüche, die man an den Gebrauch des Wortes “Fähigkeit” stellen kann. Selbständig Bedeutungen erkennen ist eine Fähigkeit, die zu beurteilen wiederum an der Bedeutung von “selbständig” und “Bedeutung” hängt.

Hier ist viel Platz zur Diskussion und für verschiedene Schwerpunktsetzungen. Aber was Dengel vorschlägt ist ein Witz. Um Computern die Bedeutung eines Ausdrucks zu lehren, welche sie nicht selbständig erfassen können, schreibt man weitere Ausdrücke dazu (und hebt diese syntaktisch vom ersten Typ der Worte ab). Damit ist das Problem gelöst: ” Damit Computer dies trotzdem können …”

2 thoughts on “Fähigkeiten

  1. Informatik ist ergebnisorientiert. Sie lässt sich das Ergebnis durch die Benutzerin bestimmen.
    Du fragst: “Wie kann ein Computer etwas können?” und man antwortet mit: Machen wir eine Anforderungsanalyse. Sag mir, was du dir bei einer bestimmten Ausgangssituation für ein Ergebnis erwartest, damit du sagen würdest: OK, dieser Computer kann etwas. Deine Antwort wird strukturiert und implementiert. Und dann ‘kann der Computer etwas’.

    Auf der einen Seite ist das nicht zufriedenstellend, denn durch die Anforderungsanalyse und das Herunterbrechen auf klar definierte Input-Output-Konstellationen hat man selbst schon das geleistet, was man sich von einem fähigen Ding erwartet. Alles nach dieser Antwort ist keine Fähigkeit, sondern ein Feature, d.h. eine Funktion, die durch ein Verfahren implementiert wird. Ein Feature ist die Simulation einer Fähigkeit.

    Features nennt man dann nach den Wünschen der Benutzerinnen Texterkennung Gesichterkennung, Bildverstehen, Bedeutungsextraktion, damit sie sich besser verkaufen.

    Einerseits ungeheuerlich… andererseits kennen wir diese Ungeheuerlichkeit aus anderen Kontexten: Ein Schraubenzieher kann keine Schrauben ziehen. Warum nennen wir dieses Ding dann Schraubenzieher? Es hilft uns, Schrauben zu ziehen.

    Bei Computern ist es eine spezielle Situation, weil man dieses Ding selbst-tätig nennt. Zumindest ist es ein vielfältiges, manche sagen universales Werkzeug. Das verleitet, alles in es hineinzuprojizieren, umso mehr, als es in unserem Kommunikationsalltag eingebettet ist.

    Apropos Kommunikationsalltag: Gestern habe ich auf Facebook ein Zitat von Sherry Turkle gepostet, das auch in diesen Zusammenhang passt:
    ‎”We have to find a way to live with seductive technology and make it work to our purposes. This is hard and will take work. Simple love of technology is not going to help.” Sherry Turkle – “Alone Together. Why we expect more from technology and less from each other”

  2. Computer sind fähig, aus Bildern Text zu extrahieren. Oder das Rauschen aus einer Tonaufnahme zu entfernen. Das liegt auf derselben Ebene wie: der Kopierer kann 25 Blatt pro Minute verarbeiten. Soweit, so gut. “Verführerisch” wird es, wenn man in den Bereich (1) der universalen Maschine und (2) des Hypes kommt.

    Ich wäre bereit, mich auf eine detailliertere Diskussion über Künstliche Intelligenz einzulassen. Es ist anzunehmen, dass erhebliche Bereiche der “Bedeutung” konventionalisiert sind und sich absehen und nachbilden lassen. Was mir ins Auge gesprungen ist, war der zweite Punkt: “man ergänzt die Information mit Hilfe beschreibender Attribute” und nennt das “bedeutungstragende Wörter”.

    Die Vorgangsweise mit Anforderungsprofile und Features soll nicht angetastet werden. Aber man muss auch korrekt sagen, was man dabei tut. Einem Ausdruck auf der Metaebene ein Terminus zuzuordnen, und ein Verfahren zu besitzen, diese Termini zu extrahieren, kann nicht als selbständige Erfassung von Bedeutung ausgegeben werden. Wie ak sagt: die Vorgangsweise enthält bereits die Lösung, die hier geboten werden soll.

    “< font color=”red” >”. Die folgende Schrift soll rot dargestellt werden. Der Computer kann das selbständig aus dem Ausdruck entnehmen. Gegen diese Redeweise wende ich mich nicht. Aber er weiß nicht, was rot ist und was rote Schrift bedeutet, z.B. eine Warnung. “< font color=”red” purpose=”warning” >”. Damit weiß er, dass der Zweck der Schrift eine Warnung ist, aber er weiß nicht, was ein Zweck oder eine Warnung sind.”

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