Derrida Über die Universität (5)

Ein Beispiel dafür, wie artistisch Derrida zwischen peinlichen Selbstverständlichkeiten und Unruhestiftung balanziert.

Es ginge darum, daß durch das Ereignis des Denkens, das solche Werke sind, mit jenem Begriff der Wahrheit oder Menschheit etwas geschieht, der die Charta und das Glaubensbekenntnis jeder Universität darstellt – und das heißt nicht zwangsläufig, ihn zu verrraten. (J. Derrida, Die unbedingte Universität)

Wer nicht bis zum letzten Halbsatz liest könnte das für eine aufgeblasene Umschreibung des Umstands halten, dass akademische Publikationen sich gerne mit der Berufung auf Wahrheit und Wissenschaftsfortschritt schmücken. Die Charta ist eine Konstanz, das Glaubensbekenntnis zielt auf Konstanz und das Ereignis mobilisiert diese Vorgaben.

Verrat ist die Kehrseite und die Einbeziehung des Verrates in Glaubensbekenntnisse das Metier Derridas. Die Produktion von Gedanken im Rahmen einer Charta ist nicht notwendig Verrat. Eine Pirouette.

    Ausgangsposition: einer Charta gemäß handeln

    erste Drehung: die (habituelle) Befolgung einer Charta verfehlt ihren Zweck

    zweite Drehung: aber nicht notwendig, im Geist der Wahrheit handeln heißt nicht unbedingt, von der Wahrheit abkommen

    die doppelte Drehung führt zum Ausgangspunkt zurück


Gestern erzählte mir Gerhard Clemenz von einer im Wortsinn verrückten wirtschaftwissenschaftlichen Dissertation ohne jeglichen Forschungswert, reine Wortansammlungen. Die beiden Begutachter hatten sie offenbar nicht gelesen, das Ministerium einen Druckkostenzuschuss bewilligt, bis ein Kollege dieses Werk in die Hand bekam und Disziplinaranzeige gegen die Begutachter erstattete. Die Auflage wurde zurückgekauft.

Nach einer Lesart ist das ein Wahrheits-Ereignis innerhalb der Universitätscharta. Da hat sich sicherlich etwas gezeigt.

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