Vergangenen Donnerstag vor 70 Jahren wurde Moritz Schlick auf der Philosophenstiege der Universität Wien von einem geistig gestörten, eifersüchtigen Schülern erschossen. Dazu gab es eine Gedenkfeier im kleinen Festsaal, inklusive Vorstellung einer Werkausgabe durch das “Institut Wiener Kreis”.
Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, dass dieser Tod dem Nachruhm Moritz Schlicks nicht schlecht bekommen ist. Ohne die Tragödie wäre er vermutlich ins Exil gezwungen worden und in den Vereinigten Staaten untergekommen. Er gälte als verdienstvoller Wegbereiter, aber der 70. Todestag würde vermutlich nicht feierlich begangen. Vor allem macht dieses Gedankenexperiment deutlich, dass es sich um eine eigenartige Überblendung zweier sehr unterschiedlich angelegter Tragödien handelt. Hier die persönliche Katastrophe, dort der Faschismus und die “Vertreibung der Intelligenz”. Das berührt sich in der Person Schlicks sehr oberflächlich. F. Waismann, sein Assistent, war Jude und Schlick als spiritus rector des Wiener Kreises wurde vom Austrofaschismus beschimpft. Die “tödliche Note” bekommt der Fall aber aus dem Eifersuchtsdrama.
Inhaltlich gab es wenig Anregung. Die Geste des schuldbewussten Übernehmens der Verantwortung für eine philosophiehistorisch wichtige Episode dominierte. (Ausgenommen die ungezierte Einleitung von Max Kothbauer und die Einbeziehung der Wirkungs-(Nicht)geschichte Schlicks in Wien durch Elisabeth Nemeth.)
Hätte ich einen Beitrag leisten müssen, so wäre ich mit Wittgensteins “Diktat für Schlick” aufgetreten. Da fehlen zwar die Reminiszenzen, dafür ist es große Philosophie.