Pferdefuss

Lieber Herr Kollege:

ich danke für Ihre sachbezogene Kritik an der Bologna-Umstellung der Universität Wien und nehme sie zum Anlass, einige Eckpunkte (und Probleme) festzuhalten.


Vorweg nenne ich den organisatorischen Pferdefuss, an dem die Bologna-Umstellung an der Universität Wien hinkt und aus dem sich die von Ihnen genannten Einzelpunkte mehr oder weniger ableiten lassen. Er besteht in der Parallelführung der Institutionen SPL und curriculare Arbeitsgruppen. Diese sind vom Dekan (m/w) vorgeschlagen und vom Rektorat bestimmt. Sie sind am “exekutiven” Flügel platziert, während andererseits die curricularen Arbeitsgruppen vom Senat eingesetzt sind und quasi legislative Aufgaben erfüllen.

Was das konkret für Schwierigkeiten bringt, kann man aus Ihrem Votum gut ablesen. Seit Mai 2006 informiere ich Senat und die SPLs über eine Verabredung zwischen Vizerektor Mettinger und mir, der entsprechend es einen zweistufigen Einreichprozess geben wird (Beilage). Offenbar ist das nicht bis zu den Mitgliedern des Lehrkörpers gedrungen, aus denen sich die CK-AGs rekrutieren. Bei der Einsetzung der curricularen Arbeitsgruppe hätten die entsprechenden Papiere eigentlich mitgeschickt werden sollen, aber da kann natürlich etwas verlorengegangen sein.

Noch einige Bemerkungen zu von Ihnen angesprochenen Punkten:

> Lassen Sie mich das an einem Beispiel erläutern. Vor ungefähr vier
> Wochen erhielt ich vom Bolognabüro zwei Texte: einen “akkordierten”
> Zeitplan (“roadmap” genannt) und ein laut Mail “vertraulich” zu
> behandelndes Kompendium.

Sie haben also von der Zweistufigkeit gewusst. Auf derselben Seite wird auch erläutert, was das für einen Sinn hat und was von Ihnen erwartet wird:

“In einem ersten Schritt wird der Rohentwurf eines Curriculums verfasst. Er enthält die gemäß Mustercurriculum erforderlichen Eckdaten und die beabsichtigte Modulstruktur. Dabei können sich xDCberschneidungen und Koordinationsmöglichkeiten mit benachbarten Curricula ergeben.
Desiderata des Lehrimports und -exports werden sichtbar.”

> Aber einseitig veränderte Zeitpläne und
> “vertrauliche” Papiere ohne jede Begründung des Woher und Wohin zur
> Richtschnur des eigenen Planungsverhaltens zu machen, erinnert mich eher
> an untergegangene Bürokratien als an offene Universitäten.

Es wird in der Bologna-Planung tatsächlich zu viel während des Prozesses verändert und schlecht kommuniziert. Ich habe dazu am 2. Forum zur europäischen Studienarchitektur kritisch Stellung genommen. “Einseitig veränderte Zeitpläne” impliziert jedoch, dass es eine Seite gäbe, die verändert. Das ist in diesem Fall unzutreffend.

> 1. Die Arbeitsplanung der CAG am Institut
> orientiert sich an der in der Zielvereinbarung mit dem Rektorat
> festgehaltenen Leitlinie, einen Planentwurf bis 20. Januar vorlegen zu
> können. Nun plötzlich wird im Widerspruch zu dieser verbindlichen
> Absprache verlangt, einen “Rohentwurf” schon im November vorlegen zu
> können.

Sie beziehen sich auf Gespräche zwischen Rektorat und Dekanen (m/w), die für die Senatsplanung nicht verbindlich sind (und die ich auch nicht kenne). Eine freundliche Deutung würde sagen: das Ziel ist der Umstieg 2007/08, die Modalitäten werden entwickelt “as we go along” und in Abhängigkeit von der anfangs genannten Parallelführung, die im Moment niemand ändern kann.

> 2. Das mir als noch “vertraulich” vorgestellte Kompendium reiht sich ein
> in die lange Reihe von Arbeitspapieren, die mehr oder weniger
> verbindliche Angaben zu den zu erstellenden Plänen beinhalten. Ist es
> inzwischen vom Senat bestätigt? Und wenn ja: in welcher Form? Ganz
> grundsätzlich problematisch erscheint mir dabei die Grenzziehung
> zwischen formaler Synchronisierung und fachlicher Verantwortung.

Sie steigen damit in eine Diskussion ein, die seit über einem Jahr geführt wird. Die verschiedenen Arbeitspapiere und auch das “Kompendium” sind Versuche, allgemeine Richtlinien zu finden, die bei der Curriculargestaltung helfen, ohne sie fachlich zu präjudizieren. Die xDCbergänge sind fließend und unterliegen kontroversen Einschätzungen. Ich illustriere am “Kompendium” die Fährnisse dieses Unternehmens.

Das Bolognabüro versucht, die in unterschiedlichen Diskussions- und Entscheidungsgruppen erzielten xDCbereinkünfte zu sammeln und in konsistente Form zu bringen. Das Kompendium ist das jüngste Beispiel dieser Arbeit. Ich wollte es bereits im Juli vom Senat beschließen lassen, das scheiterte daran, dass nicht alle Kontrollinstanzen rechtzeitig das grüne Licht gaben. Dann legte ich das Papier vergangenen Donnerstag im Senat vor. Es wurde aus Zeitmangel nicht behandelt. Nächster Schritt: ich werde es in der Curricularkommission nächsten Montag behandeln, nachdem ich diese Woche für Einsprüche von Seiten des Senats eingeräumt habe. Mit etwas Glück nimmt der Senat am 23.11. das Ding dann positiv zur Kenntnis. Jedenfalls werde ich in einer Woche Bestimmteres sagen können.

Meine Aufgabe sehe ich nicht darin, die Unzukömmlichkeiten, die auch in meiner Antwort sichtbar werden, schönzureden. Allerdings denke ich, dass es Spielraum für Fehlerbeseitigung und produktive Curricularentwicklung gibt.

In der Hoffnung, Sie dafür gewinnen zu können,

h.h.

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