Parmenides ist in seinem Lehrgedicht an eine Grenze gewöhnlicher Satzbildung gestoßen. In Sätzen wird einem Subjekt etwas zugesprochen. Irgendetwas ist blau, entfernt, in Entwicklung. Kann man denken (oder sagen), dass es etwas gibt, dem keinerlei Zuschreibung zukommt? Etwas, dem es eigen ist, dass ihm nichts zukommt? Sehr abgekürzt und transformiert ausgedrückt: Kann man vom Nicht-Seienden sagen, dass es ist?
Die Konsequenzen wären tiefgehend. Es wäre unmöglich, “aus dem Sein zu fallen”. Die Gestalt unserer Sätze sieht keine prinzipielle Kehrtwendung vor. “So bleibt noch die Kunde des einzigen Weges: Das Sein ist.” Widerspruch zwecklos.
Platon hat das Thema im “Sophistes” aufgenommen und Parmenides kritisiert. Bewegung ist eine Mixtur zwischen sein und nicht sein.
Also ist ja notwendig das Nichtseiende (τὸ μὴ ὂν), sowohl an der Bewegung als in Beziehung auf alle andere Begriffe (κατὰ πάντα τὰ γένη).
Platon schwindelt allerdings ein wenig. Zwischen “Sein” und “Nichtsein” besteht ein glatter, dualer Gegensatz, der sich sprachlich in der ja/nein-Kontradiktion ausdrückt. (Das ist der Ein-Aus-Schalter). So läßt sich niemals die Bestimmtheit einzelner Dinge beschreiben. Sie ist differenziert. Um die Verschiedenheit zu beschreiben, benötigt man einen anderen Gebrauch der Negation.
GAST: Wenn wir Nichtseiendes sagen, so meinen wir nicht, wie es scheint, ein entgegengesetztes des Seienden, sondern nur ein verschiedenes.
ὁπόταν τὸ μὴ ὂν λέγωμεν, ὡς ἔοικεν, οὐκ ἐναντίον τι λέγομεν τοῦ ὄντος ἀλλ᾽ ἕτερον μόνον.
“enantion” ist der Gegensatz, “heteron” das Unterschiedliche. Am Gleitregler (im vorigen Beitrag) verdeutlicht heißt das: Auf einer Skala gibt es voneinander definit unterschiedliche Zustände, die alle im Bereich der Lichtstärke angesiedelt sind. Noch so dunkel, noch so hell – alles ist Licht. Zweitens gibt es Strom oder nicht Strom, hell oder dunkel. Sätze sind eine Doppelkonstruktion. Sie unterliegen der Logik der Affirmation und Negation, und sie bestehen aus Satzformen, die auf diverse Inhalte verweisen.