Schattenspiele

William Kentridge hielt am Dienstag und Mittwoch zwei Vorlesungen im Rahmen der Wiener Festwochen. Die erste mit dem Titel “In Praise of Shadows” und — ich hatte die Vorankündigung nicht genau gelesen — zu meiner Überraschung über Platons Höhlengleichnis. Das ist ein eigentümliches Ding. Es gehört zu den ältesten und abgegriffensten Motiven der Philosophie und ist doch immer noch eine Herausforderung. Ich bin im Zusammenhang mit dem Film “Matrix” und mit der Bolognareform darauf zurückgekommen. Einen Beitrag zu einer paideia-Konferenz habe ich gerade fertiggestellt: “Paideia, Progress, Puzzlement”.

Umso gespannter war ich, zu hören, was Kentridge mit dem Motiv macht. Es war phantastisch. Die Vorlesung ist aus Harvard zugänglich. Ich werde in nächster Zeit einige Ausschnitte präsentieren.

“Denken in Bildern” wird immer wieder misstrauisch betrachtet. Ein Bild kann nicht in dem Sinn präzise sein, wie eine Schlussfolgerung. Es kann kein Argument bieten, weil es keine Behauptung aufstellt, die zu beweisen oder zu widerlegen wäre. Selbst wenn jemand einfach eine Abbildung hinhält, um zu zeigen, dass es sich so verhält, liegt dieser Effekt in der Bildverwendung, nicht in der Bildkomposition. Dieser Unterschied lässt sich als Überlegenheit der einen oder der anderen Seite ausgeben. Er sorgt für Unruhe.

Ein beliebtes Verfahren, mit der Herausforderung umzugehen, ist die verbale Deutung der Bildinhalte. Darauf baut speziell die gesamte Bildungsphilosophie auf, die sich des Höhlenkinos in Ketten, des Aufstiegs zur Sonne und der Erleuchtung in freier Luft bedient.

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Die Imagination Platos wird nachgezeichnet, eine sehr effektive Doppelstrategie. Sie spricht die Sinne an und erlaubt abstrakte Weiterführungen. Sie vindiziert das Bildhafte, indem sie zeigt, wie es sich 1:1 in Gedankengänge übersetzen lässt. Aber darin liegt auch eine verabredete “Verschwörung” zwischen den beiden Seiten. Sie passen gar zu gut zusammen, man wird gleichsam von der einen Verfahrensweise zur anderen verwiesen, als könnte es gar nicht anders sein. Jedenfalls haben fast alle Philosophen die Parabel argumentativ ausgeschlachtet, was man ihnen angesichts der Platonischen Strategie nicht vorwerfen kann.

Kentridge durchkreuzt diese prästabilisierte Harmonie. Er nimmt, als Zeichner, die Bestandteile der platonischen Erzählung und entwickelt neue Linien. Sie kreuzen sich mit bekannten Perspktiven, aber sie führen auch auf neues Terrain. Fortsetzung folgt.

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