on/off

schalter2

 

“Ein” oder “Aus” gehört zu den einfachsten Oppositionen, wie “ja/nein” oder “offen/geschlossen”. Das ist der Bereich “klarer Entscheidungen”, bis hin zu “Willkommenskultur” versus “Festung Europa”. Sicher, es gibt undichte Ventile und durchlässige Membranen. Aber mit einer Theorie der Wackelkontakte kann man nicht beginnen. Eine Vorrichtung, die bei wiederholten Versuchen immer wieder unvorhersehbar reagiert, wird als Garantiefall retourniert.

Unlängst hat mich ein Haushaltsgerät auf eine andere Spur gebracht.

Lampen knipst man gewöhnlich an oder ab. Es gibt auch noch den Schieberegler zum Dimmen, aber ein weiteres Detail wirkte verblüffend. Auf einem Plastikrechteck in der Form eines Schalters ist ein Kreis aufgemalt, der zum Drücken gedacht scheint. Das Teil reagiert auf Berührung, man bewegt keine Wippe. Soweit folgt es dem alten Muster. Aber die LED-Lampe schaltet sich nicht an, wenn man den Kreis berührt. Und – sollte jemand sie zum Leuchten gebracht haben – schaltet sie sich auch nicht mit einem Fingerdruck ab.

Das Gerät reagiert auf die Länge des Fingerdrucks. Je länger man ihn auf die Zeichnung hält, desto heller wird die Lichtquelle. Wenn eine gewisse Zeitspanne überschritten ist, kippt die Kurve und schaltet die Lampe aus. Es braucht einige Zeit, bis man die on/off-Routine erlernt hat. Genau betrachtet ist es gar keine solche Routine mehr, sondern die differenzierte Schaltung einer Anzahl unterschiedlicher Parameter. Einfacher als in der Elektronik ist die Entwicklung an Mischbatterien in der Dusche zu beobachten. Manche Geräte bedürfen einer Einschulung, bevor sich die Benutzerin dem Wasserstrahl aussetzt.

Bei der Lektüre von Dokumenten aus der 1. Republik bin ich auf den folgenden Satz gestoßen, den Otto Bauer in seiner Rede am letzten Parteitag der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei im Oktober 1933 formuliert hat:

Wir wollen nach beiden Seiten, der Arbeiterschaft und der Regierung gegenüber, sagen: Grenzen gibt es; hütet euch, sie zu überschreiten.

Aus dem Zusammenhang gerissen, gewiss. Aber auch Anlass für ein theoretisches Update. Eine zeitgemäße Fassung politischer Auseinandersetzungen kann sich ein Beispiel an der Multifunktionalität des Schaltsensors nehmen. Es kann nicht einfach um on/off gehen. Sachgerecht ist die Verbindung von Funktionen, die einander ausschließen, mit solchen, die Ausschluss ebenso wie Einschluss modulieren. Das klingt, so dahin gesagt, wie leere Worte. Der Lichtschalter zeigt, dass es handgreiflich zu machen ist. Warum nicht in der Politik?

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