Ich mache einen Umweg und komme dann zu einem Punkt.
Ein disfunktionaler Mail-Server hat mich kürzlich dazu gebracht, den Mail-Transport auf der Kommandoline zu testen. Man muss dabei die Abläufe Schritt für Schritt selbst eingeben. Also etwa so:
> mail from carlo@philo.at
Das funktioniert nicht. 5 Fehlermeldungen, bis ich draufkomme, dass es so heissen muss:
> mail from: carlo@philo.at
Ein Doppelpunkt macht den ganzen Unterschied zwischen einer Fehlfunktion und dem Anschluss an den weltweiten eMail-Verkehr. Dazu ist anzumerken, dass es völlig unerheblich ist, ob die Mail-Adresse carlo@philo.at oder katzensprung@knoblauch.net heisst. Ein Ursprung von Spam liegt darin: Das Protokoll legt penibel fest, welche Satzzeichen erlaubt sind, aber es ist völlig agnostisch hinsichtlich der Adressen, zwischen denen es den Austausch bewerkstelligt.
Nun mein (Doppel-)Punkt. Von der eben angelaufenen dritten Phase der Bologna-Umstellung sind hauptsächlich die Kulturwissenschaften betroffen. In ihnen ist ein lockeres Verhältnis zwischen Formalien und Inhalt verbreitet. Als Philosoph bin ich pickiert darüber, dass das “dumme” Mail-Protokoll an der genannten Stelle einen Doppelpunkt verlangt, statt die offensichtliche Absicht “zu erkennen” und den Fehler zu tolerieren. Im universitären Rahmen bin ich allerdings in die Rolle eines Zeremonienmeisters gerutscht, der die Kolleginnen (m/w) darauf aufmerksam macht, dass bei der Entwicklung der Curricula gewisse Vorgaben einzuhalten sind. Um ein harmloses Beispiel zu nennen: Lehrveranstaltungen sind prüfungsimmanent oder nicht-prüfungsimmanent und nicht beides.
Warum? Es ist ganz naheliegend, mit Mischungen zu arbeiten. Schnell kommt der Vorwurf, dass die Regeln die Lehrbetrieb unzulässig beschränken. Noch dazu, wenn man weiss, dass die genannte Unterscheidung tatsächlich eine wichtige ökonomische Kategorie betrifft, nämlich den Unterschied zwischen vergleichsweise billigen Vorlesungen und eventuell proliferierenden Proseminaren, Seminaren und Übungen.
Das ist die schwarz-weiss Zeichnung. De facto gibt es in vielen Curricula einen Lehrveranstaltungstyp “Kurs”, der eine Kombination der beiden Vorgangsweisen darstellt. Wenn er dort definiert ist – kein Problem. Allerdings bestehen wir darauf, dass es sich um einen prüfungsimmanenten Typ handelt – sonst könnte man ihn gleich “Vorlesung” nennen.
Sie erahnen die Debatte. Wer bestimmt, was eine Vorlesung ist? Wer kann sagen, ab welchem Punkt in den diversen Disziplinen, eine Vorlesung zu einer Übung wird (oder umgekehrt)? Niemand. Dennoch – so meine ich – macht es Sinn, ein Minimum an Gemeinsamkeiten einzufordern. Es reicht (und es ist gut), dass die faktisch an der Universität gehaltenen Vorlesungen massive Unterschiede aufweisen. Niemandem wäre jedoch damit gedient, dass man sie im Prinzip nicht von Seminaren unterscheiden kann.
Im Prinzip? Nun ja.