Da wir hier gerade eine religiöse Schiene haben, paßt der Verweis auf “Eine Gemeinschaft von großer Vielfalt”:
Emmanuel ist eine „internationale Vereinigung von Gläubigen päpstlichen Rechts”. Am 8. Dezember 1998 wurde die Gemeinschaft ad infinitum für die Gesamtkirche vom Hl. Stuhl anerkannt. Heute ist die junge Gemeinschaft in vielen Ländern der Welt aktiv. Vom Landwirt bis zur Studentin, vom Juristen bis zur Verkäuferin – Ehepaare, junge Leute und Singles gehören genauso zur Gemeinschaft wie Priester und zölibatär lebende Schwestern und Brüder. Jeder lebt in seinem familiären und beruflichen Umfeld und setzt sich besonders dafür ein, das Evangelium heute sichtbar zu machen.
Auf diese Vereinigung wurde ich aufmerksam, weil sie gemeinsam mit der kath.-theolog. Fakultät der Universität Wien einen Lehrgang anbieten will. Es gibt nicht wenige solche Lehrgänge, darunter Kurse für Lehrhebammen und Integrative Outdoor-Aktivitäten. In diesem Fall ist es aber etwas komplizierter, denn es soll um “Dialog und Mission in Europa” gehen. Das würde ich nicht inskribieren, ebensowenig wie “Kanonisches Recht für Juristen”. Aber als Programmpunkt einer Fakultät ist es doch ernst zu nehmen.
Vor allem, wenn man liest, wie ernsthaft versucht wird, der Sache den Anschein der Proselytenmacherei zu nehmen:
Der gesellschaftliche Auftrag verpflichtet die Theologie, im Angesicht verstärkter Präsenz des „Religiösen“, sowie intensivierter missionarischer Praxis der christlichen Kirchen, diese Prozesse wissenschaftlich zu begleiten. Sie hat in ihren Ausbildungen dafür Sorge zu tragen, dass Theologinnen und Theologen sowie akademisch ausgebildete Christinnen und Christen sich in dieser Situation reflektiert, kritisch und gebildet einbringen und die beschriebenen Transformationsprozesse verantwortet und handlungskompetent mitgestalten können. Dazu bedarf es fundierter universitärer Ausbildung jener Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die für pastorale Projekte mit missionarischem Schwerpunkt jetzt und in Zukunft Verantwortung tragen bzw. tragen werden. Dies ist ein wesentlicher Beitrag der Theologie an einer staatlichen Universität zu einer humanisierenden und friedenssichernden Gesellschaftspolitik.
Hat nichts geholfen. Aus dieser Passage hat ein rhetorisch gewiefter Student die Bezeichnung “Multiplikatorinnen und Multiplikatoren” herausgenommen und einer Mehrheit des Senates damit plausibel gemacht, dass wir im Falle einer Genehmigung Masterdiplome zum Gebrauch für Abtreibungsgegnerinnen verteilen.
Auf der einen Seite die Ambivalenz zwischen Gottesdienerinnen und Wissenschaft, auf der anderen der wohleingesessene Antiklerikalismus. Ich fürchte, ich muss weiterhin das Zwielicht vorziehen.
Ich versuche die Kommentarfunktion erneut (vielleicht hat sich der Admin schon der Sache angenommen ^^). UPDATE: Versuch erfolgreich.
Werde nun die Argumentation mit anderen Worten nachvollziehen (weil ich mir über die Konklusion, die ich daraus ziehen kann, nicht ganz klar bin) und bitte mich zu korrigieren, falls ich etwas falsch verstanden habe:
Den Reim, den ich mir daraus gemacht habe:
Es geht um die Angst, Dogmen könnten vermehrten Einzug in die Universitäten bekommen und am Ende würde man diesen Dogmen auch noch den Anschein von Wissenschaftlichkeit verleihen, wenn man sie mit Master-Abschlüssen qualifizieren würde. Andererseits ist aus der religiösen Praxis heraus nachzuvollziehen, dass man zu diesen Dogmen steht, sie lebt und anderen vorstellen möchte. Vielleicht wünscht man sich Methodiken, mit diesem Wunsch besser umgehen zu können, ohne gleich als “religiöser Spinner” gehandelt zu werden. Ich vermute, hier setzt auch die Angst des “wohleingesessenen Antiklerikalismus” ein: der Einfluss, der aus solchen Lehrgängen erwachsen könnte, würde die Universitäten als Schergen des “dogmatischen Schlummers” entlarven, was nicht im Sinne der Universitäten noch im Sinne der Theologie ist.
Nebenbei bemerkt: Mir kommt es ja so vor, als würden die Dogmen heute mehr im Bereich der Ökonomie (Sachzwang, Globalisierunsdruck, …) verkündet als in der Religion – was die obigen Bedenken aber nicht schmälern soll.
Ich habe meine Glosse absichtlich ein wenig suggestiv gehalten und kein Protokoll der Senatssitzung geschrieben. Gerade auch darum, um die Imagination ein wenig frei zu lassen. Entschuldigung, wenn es darum nicht ganz präzise war.
Das Problem besteht tatsächlich darin, dass Theologie und Religion in einem sehr speziellen Verhältnis zueinander stehen. Religion ist parteilich, Theologie als Wissenschaft soll unparteilich sein, hat aber gleichzeitig den Auftrag, das vorausgesetzte Glaubensverständnis zu reflektieren und eventuell zu kritisieren. Intellectus quaerens fidem. Ob sie dabei objektiv sein kann? Man kann die Frage auch an marxistisch oder neo-liberalistisch ausgerichtete Wissenschaftlerinnen stellen, oder an die Vertreter der traditionellen chinesischen Medizin.
Der Punkt mit den Multiplikatorinnen ist zu erläutern. Das sind die auszubildenden, missionswilligen Studierenden. Sie bewegen sich nicht in der Universität, sondern werden “in die Welt” gesandt. Und die Absicht des Lehrganges, soweit er von der kath.-theol. Fakultät getragen wird, besteht darin, sie mit dem Instrumentarium wissenschaftlicher Rechenschaft zu konfrontieren. Sicher: damit sie in ihrem Tätigkeitsbereich erfolgreich werden.
h.h.
Emmanuel hat wohl bei Scientology gelernt, wie man Multiplikatoreninnen schult bzw. welche Multiplikatoreninnen bzw. Hebeln manin nutzen kann, um Multiplikatoreninnen zu schulen. Doch nicht nur Kirchen, Sekten, Esoterik sondern auch Wissenschaften verkünden Dogmen bzw. Paradigmen.
Danke für den Hinweis bzgl. der Multiplikatorinnen.
Ich glaube, man wird (auch bei einer Wissenschaft) ohne fixierte Startaxiome schwer auskommen – irgendwo muss man (zumindest eine gewisse Zeit) aufhören, nachzuhaken und sehen, wie weit einem diese Sätze bringen. Die Wissenschaft hat heute den Anspruch etwas hervorzubringen, was “funktioniert”. Der Computer, das Handy, der Zug,… funktionieren – manchmal. Triviale Maschinen in einem begrenzten Bereich.
Ich habe heute nach der Uni 10-15 Minuten mit einer Flyer-austeilenden Multiplikatorin einer Freikirche gesprochen, die mir erzählt hat, dass sie dank ihrer neuen Beziehung zu Gott “effizienter” geworden ist und dass Gott das beste “Tool” ist, dass sie je kennengelernt hat. Wollte sie sich an eine mir unterstellte Sprechweise anpassen oder hat sie das ernst gemeint?
PS: Menschlich gesehen fand ich sie sympathisch – wenn doch diese “Mach doch mit”-Rhetorik mich nicht verschrecken würde, die jedoch weniger aggressiv wie bei den Spendengeld-Patrouillen (WWF, 4Pfoten, Geenpeace,…) rüberkam.
Eigentlich ist es die Technik, die Funktionierendes hervorbringt. Die Wissenschaft entdeckt, beweist (Funktionierendes oder auch nicht Funktionierendes), und wenn sie ansteht oder bahnbrechend ist, ändert sie ihre Paradigmen (Dogmen)
Multiplikatoreninnen sollen nicht Wisenschaft sondern Technik und Techniken anwenden. Dazu müssen erpluraloderundsie sich (auch) des Neusprech bedienen.
Es braucht doch jede Wissenschaft Technik(en)/Verfahren? Diese beiden Bereiche sind nach meinem Verständnis nicht sauber zu trennen. Bestimmte Methoden verhelfen zu Erkenntnissen/Wissen, bestimmtes Wissen zu neuen Methoden. Integrieren und Differenzieren, Syllogismen, Evolutionsmodelle, Software-Entwicklungsmodelle, didaktische Modelle, Regelkreise,… diese Methoden strukturieren doch das Handeln/Denken/Sprechen?
Oder kann man so nicht verfahren? 😉
Obwohl das Fragezeichen am Ende des letzten Kommentars vermutlich rhetorisch gemeint ist, möchte ich die Frage beantworten: erstens habe ich nie was anderes behauptet, als dass Technik(en)/Verfahren zum Schaffen und Verbreitern von Wissen erforderlich sei(en); zweitens sind Technik und Wissenschaft auch nach meiner Überzeugung nicht zu trennen (siehe zB Technische Wissenschaften), weswegen ich oben “eigentlich” geschrieben habe. Drittens aber, und darum geht es mir, dienen Techniken/Methoden auch dazu, Wissen zu verbreiten. Ist das Wissen wissenschaftlich oder alltäglich und sind die Techniken/Methoden durchschaut/durchschaubar, spricht auch nichts dagegen. Je raffinierter sie aber sind, je besser Mediatoren/innen geschult oder gar indoktriniert sind, umso eher gelingt es, Pesudowissen, Ideologien, Dogmen zu verbreiten.