Gekreuzigte Informatik !?

Dummerweise werde ich beim Posten von Kommentaren als Spambot qualifiziert (hier wirkt sich die Eigendynamik der virtuellen Welt schon aus). So werde ich nun einen Antwortpost anstelle des Kommentars zu: “Heilige, Übermenschen, Avatare” verfassen.

Die These gegen Ende des Vortrags, dass nämlich sowohl Jesus Christus als auch die Maus eine ähnliche Vermittlerrolle inne haben, bzw. Mitglieder zweier Welten sind, ist provokant und regt zum Nachdenken an:

Dabei ist mir ein Buch von Papst Benedikt 16 (als er als Josef Ratzinger noch Vorlesungen hielt) in die Gedanken getreten: “Einführung in das Christentum”, der mir u.A. die Bedeutung des Kreuzes im Christentum etwas klarer gemacht hat. Anbei ein paar Stellen, die mir zum Thema zu passen scheinen:

“Der Glaube sieht in Jesus den Menschen[…], in dem Personalisation und Sozialisation sich nicht mehr ausschließen, sondern bestätigen; jenen Menschen, in dem höchste Einheit – “Leib Christi”, sagt Paulus, ja noch schärfer: “Ihr seid ein einziger in Christus” (Gal 3,28) – und höchste Individualität eins sind; jenen Menschen, in dem die Menschheit ihre Zukunft berührt und in höchstem Maße sie selbst wird, weil sie durch ihn Gott selber berührt, an ihm teilnimmt  und so in ihre eigentlichste Möglichkeit gelangt. Von da aus wird der Glaube in Christus den Beginn einer Bewegung sehen, in der die zerteilte Menschheit immer mehr eingeholt wird in das Sein […] eines kommenden Menschen”.

Kommender Mensch – das findet man auch bei Nietzsche und seiner Übermensch-Konzeption.

“[D]as Kreuz […] als der Vorgang, in dem einer das ist, was er tut, und das tut, was er ist; als Ausdruck für ein Leben, das ganz Sein für die anderen ist.”

“Wer seine Existenz so ausgestreckt hat, daß er gleichzeitig in Gott eingetaucht ist und eingetaucht in die Tiefe des gottverlassenen Geschöpfs, der muß gleichsam auseinanderreißen – der ist wirklich ‘gekreuzigt’.”

Querverweis:
In meiner (bald fertigen) Seminararbeit (siehe “Noncomputable Computations”) komme ich darauf, dass Computer Science per se Mitglied zweier Welten ist. Einerseits gibt es die Welt des idealen, mathematischen, unendlichen. Auf der anderen Seite die endliche Welt der Maschinen und Menschen, die mit Alltagsproblemen fertig werden wollen. Computer Science versucht aus Erkenntnissen der idealen Welt die reale auszurichten, einzuteilen und zu steuern. Andererseits treten praktische Zusammenhänge durch geeignete Modellanpassungen in die ideale Welt. Insofern ist Computer Science auch gekreuzigt, wenn ich mir diese Verbindung erlauben darf.

2 thoughts on “Gekreuzigte Informatik !?

  1. Keine Kommentare wegen angeblichen Spams – das ist wirklich ärgerlich. Ich hab den Administrator dieses Blogs verständigt 🙂

    Zu diesem Beitrag ist viel zu sagen. Ich habe für meinen Graz-Vortrag Henri de Lubac und Karl Rahner (wieder-)gelesen und war davon überrascht, wie stark sie den christliche Evolutions-Optimismus von Teilhard de Chardin in ihre Theologie aufnehmen. Ihre Zuversicht ist offenbar vom 2. Vatikanum beflügelt. (Man muss sich ja klar machen, dass Teilhard selbst vielfältig von der römischen Zensur bedrängt wurde.)

    Umso bemerkenswerter finde ich das Zitat von Ratzinger. Es stammt ja aus derselben Zeit. Die Einführung ins Christentum ist 1968 erschienen. Er ist da ganz auf der obigen Linie – das hat sich in der Folge geändert.

    Ein Punkt zum Verhältnis zwischen dieser Personalisation + Sozialisation und aktuellen Technologien. Die Geheime Offenbarung, Nietzsche und auch Teilhard (und seine Folgen) zeichnen eine universale Entwicklungsdynamik, die in einer finalen Endabrechnung mündet. Das ist die Verklärung nach der Kreuzigung. Das ist, um es locker zu sagen, so etwas wie die Vorstellung, dass der Cursor eigentlich ein Teil der Benutzerin ist, die sich seiner am Desktop bedient. Der Gedanke ist nicht absurd. Aber er ist kühn – in etwa so kühn, wie die Erlösungsbotschaft.

  2. Die Frage, die ich mir die letzte Zeit gestellt habe ist: Wie kann man da weiterarbeiten, sodass der Gedanke weitere Früchte trägt?

    Ich überlege mal in eine Richtung: Wie hat das bei anderen Parallelen/Metaphern bisher ausgesehen? Das Gehirn als Dampfmaschine oder als Computer. Man lernt sowohl das Gehirn als auch den Computer von einer anderen Seite her kennen, wenn man sie miteinander vergleicht. Man sieht die Unterschiede und Ähnlichkeiten. Man hat die Möglichkeit, bestimmte Unterscheidungen des einen Phänomens bei dem anderen Phänomen auf die Probe zu stellen.

    Welche Verhältnisse kann man zwischen Virtueller und Nicht-Virtueller Welt – welche zwischen Gotteswelt und Menschenwelt finden?

    Mit dem Aufkommen der Erlösungsbotschaft kommt eine Gemeinschaft, eine neue Community – die christliche Gemeinschaft? Mit dem Aufkommen der Maus und dem Cursor auch? Die Netzgemeinschaft?

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