Alte Schläuche

Beim Stöbern in den Archivschränken entdeckt Renate plötzlich etwas. “Komm mal her Alice”, ruft sie. Sie zeigt mir ein Buch mit dem Foto einer sehr schönen Frau und fragt: “Hast du die schon mal gesehen?” Nein. Wie heißt sie?
H-e-d-w-i-g D-o-h-m. Den Namen hatten wir noch nie gehört” Aber uns beeindruckt, wie klug und schön die Frau auf dem Cover des Buches aussieht, das sie offensichtlich selbst geschrieben hat. Wir begeben uns auf die Spur der schönen Unbekannten. Doch es wird noch Jahre dauern, bis wir das ganze Ausmaß des Desasters begreifen: Hedwig Dohm (1831-1919) war vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zu ihrem Tod die bekannteste, brillanteste und streitbare Feministin in Deutschland; sie hat Dutzende von Büchern und Artikel veröffentlicht – und eine mindestens ebenso große Anzahl von Schriften ist über und gegen sie erschienen. Und wir “neuen Feministinnen”? Wir kennen nur ein halbes Jahrhundert später noch nicht einmal mehr ihren Namen! (Alice Schwarzer – Lebenslauf, S.297)

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Rat mal, wer zum Essen kommt

Aus den Logfiles eines ftp-Servers. Es ist instruktiv, welche Benutzernamen die Angreifer raten. Ein Argument mehr dafür, sich wasserdichte Userkennungen und Passworte auszudenken.

(::ffff:58.20.155.26): philophilo – 24 Time(s)
(::ffff:58.20.155.26): philoadmin – 25 Time(s)
(::ffff:58.20.155.26): philo2011 – 25 Time(s)
(::ffff:58.20.155.26): philo2010 – 25 Time(s)
(::ffff:58.20.155.26): adminphilo – 25 Time(s)
(::ffff:58.20.155.26): philo – 25 Time(s)

Failed FTP Logins:
(::ffff:61.131.51.193): h2hobel – 65 Time(s)
(::ffff:61.131.51.193): ac – 65 Time(s)
(::ffff:61.131.51.193): auinger – 65 Time(s)
(::ffff:61.131.51.193): acat – 65 Time(s)
(::ffff:61.131.51.193): philoat – 95 Time(s)
(::ffff:61.131.51.193): philo – 95 Time(s)

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Window Dressing – Fragmente

.. oder geht es doch um Graphical User Interface (GUI)-Design? Etwas kann legal sein (z.B.  auf Grund der Sprache und seiner syntaktischen Regeln implementierbar), doch man wird keinen Button erstellen, wenn dahinter keine oder nicht die versprochene Funktionalität steckt.

Den Button kann man als User ausprobieren; obwohl man nie so genau weiß, was die Programmlogik neben der Modifikation der Fenster mit diesem Klick tut. Meist ist einem das aber egal, solange das Fenster die Bedürfnisse befriedigt und solange nicht unerwünschte Details vom Quellcode bekannt werden.

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We turn frustration into inspiration

A factored represenation splits up each state into a fixed set of variables or attributes, each of which can have a value. While two different atomic states have nothing in common – they are just different black boxes – two different factored states can share some attributes (such as being at some particular GPS loccation) […] this makes it much easier to work out how to turn one state into another.
[…]
For many purposes we need to understand the world as having things in it that are related to each other, not just variables with values. […] A factored represenation is unlikely to be pre-equipped with the attribute TruckAheadBackingIntoDairyFarmDrivewayBlockedByLooseCow with value true or false.  Instead, we would need a structured representation, in which objects such as cows and trucks and their various and varying relationships can be described explicitly. [..] Structured representations underlie relational databases and first-order logic […] and much of natural language understanding. […] In fact, almost everything that humans express in natural language concerns objects and their relationships.

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Wenn die Konturen verschwinden. Zwei Instanzen

Akademische Gemeinschaft. Einerseits ist sie gewillt und wird sie gedrängt, sich in lokale Bedingungen einzupassen. Andererseits erwartet man von Akademikerinnen, sich vermittels Argumente und unter Berufung auf Erkenntnisprozesse der nahtlosen Einpassung in ihre Umgebung und ihren Forderungen zu widersetzen: Ich habe herausgefunden, dass… Es zeigt sich, dass…  Die Studie  hat ergeben, dass…

a.) Diese Art der Wider-setzung wird, um es noch einmal zu sagen, erwartet. Sie wird von Medien aufgegriffen (public intellectuals) und konstituiert ein weltweites Feld der scientific community mit globalen Bedingungen. Es ist nicht unabhängig von den lokalen Gegebenheiten, doch es eröffnet einen neuen argumentativen Spielraum zugunsten akademischer Institutionen – speziell, wenn es um das Budget geht:  “Um im internationalen Vergleich mithalten zu können, brauchen wir von der Öffentlichkeit xyz Milliarden €.”

b.) Gestern wurde ich per Mail gefragt, warum wir nicht eine Spendenaktion à la Crowd-Funding für die österreichischen Universitäten starten? Man kann seine Spende an einen bestimmten Zweck (Institut, Forschungsgruppe, Lehrveranstaltung) binden – und guten Ideen eine Chance geben. Anstatt Studiengebühren: “Zahl, was du willst.” Unabhängig von der Mittelvergabepolitik der Entscheidungsträger in Universitäten und des Ministeriums soll das (zahlungskräftige) Volk mitentscheiden, woran geforscht und gelehrt wird.

Was heißt im internationalen Vergleich mithalten? Was heißt gute Idee? Geht es dabei um Wahrheit, um Bedürfnisbefriedigung – oder ist die Opposition zu flach?

Im Bild eine andere Opposition, die von Leben und Arbeit, in einer merkwürdigen Einheit.

Man kann darüber streiten, ob das gelungen ist 🙂

Ein anderes Beispiel, näher am Thema, ist die Symbiose zwischen der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) und Logitech:

Logitech is opening a new research and development center – its largest worldwide – at EPFL. […] There have always been interactions between the company and the university, and these have grown stronger with the years. Daniel Borel is a former student, and the outstanding success of Logitech is mainly due to the invention of the mouse, which came out of the research performed by Jean-Daniel Nicoud, a professor at EPFL. He developed the first prototype, equipped with a ball and sensors, in the 1970s and Logitech created a production model for Hewlett-Packard in the 1980s.

Since then, Daniel Borel has actively supported the development of the university. In 2008, via the association Defitech – created with his wife – he donated 2.5 million Swiss francs to the future center for neuroprosthetics. A few days ago, the researchers demonstrated the prototype of a wheelchair that maneuvers by thought – artificial intelligence at the service of handicapped people.
[…]
This new level of cooperation between EPFL and Logitech will bring significant innovation for the future.

(Quelle)

Apologie des Handels

Wer Goethe liest, der setzt sich gezwungenermaßen mit kontingenten Lebenszielen auseinander. Bei besonders argen Fällen setzt Goethe aber noch eins drauf und verleiht auch den scheinbar unerwünschten Ansichten einen Antrieb zur Formgebung, zur bildenden Vereinigung von “Form und Sache”, der diese sogar neben der künstlerischen Formgebung immernoch gut wegkommen lässt.

Gleich am Anfang der Lehrjahre gibt es eine kleine Auseinandersetzung zwischen Wilhelm und seinem Freund Werner: die “Apologie des Handels”. Es ist in gewissem Sinn ein Glanzstück der Irritation, wie Werner seinem Freund die Welt des Kaufmanns schmackhaft machen will.

Leider siehst du nicht, mein Freund, wie Form und Sache hier nur eins ist, eins ohne das andere nicht bestehen könnte. Ordnung und Klarheit vermehrt die Lust zu sparen und zu erwerben. Ein Mensch, der übel haushält, befindet sich in der Dunkelheit sehr wohl; er mag die Posten nicht gerne zusammenrechnen, die er schuldig ist. Dagegen kann einem guten Wirte nichts angenehmer sein, als sich alle Tage die Summe seines wachsenden Glückes zu ziehen. Selbst ein Unfall, wenn er ihn verdrießlich überrascht, erschreckt ihn nicht; denn er weiß sogleich, was für erworbene Vorteile er auf die andere Waagschale zu legen hat. Ich bin überzeugt, mein lieber Freund, wenn du nur einmal einen rechten Geschmack an unsern Geschäften finden könntest, so würdest du dich überzeugen, daß manche Fähigkeiten des Geistes auch dabei ihr freies Spiel haben können.
[…]
Glaube mir, es fehlt dir nur der Anblick einer großen Tätigkeit, um dich auf immer zu dem Unsern zu machen; und wenn du zurückkommst, wirst du dich gern zu denen gesellen, die durch alle Arten von Spedition und Spekulation einen Teil des Geldes und Wohlbefindens, das in der Welt seinen notwendigen Kreislauf führt, an sich zu reißen wissen. Wirf einen Blick auf die natürlichen und künstlichen Produkte aller Weltteile, betrachte, wie sie wechselsweise zur Notdurft geworden sind! Welch eine angenehme, geistreiche Sorgfalt ist es, alles, was in dem Augenblicke am meisten gesucht wird und doch bald fehlt, bald schwer zu haben ist, zu kennen, jedem, was er verlangt, leicht und schnell zu verschaffen, sich vorsichtig in Vorrat zu setzen und den Vorteil jedes Augenblickes dieser großen Zirkulation zu genießen! Dies ist, dünkt mich, was jedem, der Kopf hat, eine große Freude machen wird.
[…]
Besuche nur erst ein paar große Handelsstädte, ein paar Häfen, und du wirst gewiß mit fortgerissen werden. Wenn du siehst, wie viele Menschen beschäftiget sind; wenn du siehst, wo so manches herkommt, wo es hingeht, so wirst du es gewiß auch mit Vergnügen durch deine Hände gehen sehen. Die geringste Ware siehst du im Zusammenhange mit dem ganzen Handel, und eben darum hältst du nichts für gering, weil alles die Zirkulation vermehrt, von welcher dein Leben seine Nahrung zieht.
[…]
Es haben die Großen dieser Welt sich der Erde bemächtiget, sie leben in Herrlichkeit und Überfluß. Der kleinste Raum unsers Weltteils ist schon in Besitz genommen, jeder Besitz befestigt, Ämter und andere bürgerliche Geschäfte tragen wenig ein; wo gibt es nun noch einen rechtmäßigeren Erwerb, eine billigere Eroberung als den Handel? Haben die Fürsten dieser Welt die Flüsse, die Wege, die Häfen in ihrer Gewalt und nehmen von dem, was durch- und vorbeigeht, einen starken Gewinn: sollen wir nicht mit Freuden die Gelegenheit ergreifen und durch unsere Tätigkeit auch Zoll von jenen Artikeln nehmen, die teils das Bedürfnis, teils der Übermut den Menschen unentbehrlich gemacht hat? Und ich kann dir versichern, wenn du nur deine dichterische Einbildungskraft anwenden wolltest, so könntest du meine Göttin als eine unüberwindliche Siegerin der deinigen kühn entgegenstellen. Sie führt freilich lieber den Ölzweig als das Schwert; Dolch und Ketten kennt sie gar nicht: aber Kronen teilet sie auch ihren Lieblingen aus, die, es sei ohne Verachtung jener gesagt, von echtem, aus der Quelle geschöpftem Golde und von Perlen glänzen, die sie aus der Tiefe des Meeres durch ihre immer geschäftigen Diener geholt hat.

Beeindruckt zeigte sich auch schon Schiller in einem Brief an Goethe (Jena, 9. Dezember 1794):

Die Apologie des Handels ist herrlich und in einem großen Sinn. Aber daß Sie neben dieser die Neigung des Haupthelden noch mit einem gewissen Ruhm behaupten konnten, ist gewiß keiner der geringsten Siege, welche die Form über die Materie errang.

Ritter oder Greenhorn

Theorien über die Entstehung des europäischen Adels im Mittelalter haben schon seit Jahrhunderten einen größeren Interessentenkreis als die überschaubar wirkende Zunft der Mediävisten. Nicht zuletzt Marx und Engels liebäugelten mit einer  urgesellschaftlichen Freiheit und Gleichheit, die erst durch das Auftreten des Benefizialwesens fragmentiert wurde. Dem Lehen entspräche hier der erste Abglanz protokapitalistischen Grundbesitzes.

Keine Frage, klare Fronten haben ihren Reiz, und doch kann eine seriöse Forschung wohl kein gutes Haar an solchen allzu einprägsamen Geschichtssynthesen lassen. Besonders attraktiv werden derartige Projektionen an Punkten, die einen materialen – um nicht zu sagen “materialistischen” – Halt bieten. Da kann schon einmal ein Pferd, das seinen Reiter im wahrsten Sinne des Wortes “über” den Köpfen des Fußvolks thronen lässt, zum Medium der Herrschaft werden. Derart fasst zumindest die ältere Gemeinfreienlehre, wie sie auf Justus Möser (1768) zurück geht, den Übergang zwischen frühmittelalterlicher Gleichheit und adeliger Herrschaft. Die Feudalisierung sei direkt mit dem Auftreten der ersten Panzerreiter zu verbinden. Also erst mit der fränkischen Heeresreform, die den berittenen Kämpfer vom bäuerlichen Fußsoldaten differenzierte, sei eine Art Militäradel installiert worden, der den Ausgangspunkt für alle weiteren Adelskonzepte geboten habe.

Abgesehen vom Verlangen nach klarer Datierbarkeit zeigt sich hier eben der Versuch, eine Kohärenz zwischen geistiger Veränderung und materiellen oder medialen Innovationen anzusetzen, die noch der geringsten Anerkennung problematischer Quellenlagen hohnlacht.
Dass man auch aus der Position nüchternster Zurückhaltung durch solche Theorien unterhalten werden kann, ist hoffentlich nur ein Hinweis darauf, dass der Mensch einfach zur Monokausalität neigt und geschlossene Erklärungsmodelle bevorzugt, denen man sich mit Glück doch nur des reinen Amüsements wegen nähert.
Was die Pferde betrifft, so lässt sich dann doch vielleicht mit Karl May sagen: “Maultiere sind genügsamer als Pferde, haben einen viel sicherern Tritt und schwindeln nicht vor Abgründen.” Diese Erkenntnis entspringt zwar einem anderen “Territorium”, zeugt aber zumindest davon, dass Herrschaft – auch im Rückblick – oft bloß das Hirngespinst eines “Greenhorns” ist, das seinen Blick auf stattliche Schimmel beschränkt.

fehlende Bilder

Abadia de Fontenay
Image via Wikipedia

Die ehemalige Zisterzienserabtei Fontenay ist die zweitgrößte Touristenattraktion Burgunds. Sie liegt, wie bei den Zisterziensern üblich, in einem separaten Tal, in schöner Einsamkeit, an einem kleinen Flüsschen. Ein perfekter Rasen begrüßt die Besucher. In einem großen Nutzgebäude befindet sich ein riesiger, wassergetriebener Schmiedehammer, der durch ein EU-Projekt unter Beteiligung mehrerer technischer Schulen rekonstruiert wurde.

Die Sehenswürdigkeit des Bauwerks hat selbst eine Geschichte. Was derzeit mit 3 Sternen ausgestattet in allen Reiseführens figuriert, war Ende des 19. Jahrhunderts eine Industrieruine. Die Französische Revolution beendete den Klosterbetrieb. Und dann:

Vente de Fontenay par les révolutionnaires. L’Abbaye est transformée en papeterie par le premier acheteur, M. Hugot.

Logisch: Zur Papierproduktion brauchte man große Gebäude und fließendes Wasser.

Zahlreich sind die Bilder, die man im Netz, bereitgestellt durch Fremdenverkehrsagenturen und Urlaubsknipserinnen, von der Abtei sieht. Kein einziges Bild zeigt die ehemalige Papierfabrik. (Im Bookshop kann man eines finden.) Auch die illustrierte Geschichte der Abtei läßt diesen Zustand aus.

An der Rückseite des Bilderüberschusses, der sich im Internet beobachten läßt, vermehren sich auch die Lücken, die in keiner Urlaubsreise geschlossen werden können.

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