Eine böse Überraschung bietet der Imagefilm der Universität Wien, den die Dienstleistungs-einheit für Öffentlichkeitsarbeit eben online gestellt hat. In einer Aussendung des Rektorats wird er als ein “Episodenfilm” bezeichnet, in dem es (eine weitere Überraschung) auch einen gesprochenen Kommentar gibt. Und besonders viel Authentizität:
Ein gesprochener Kommentar, der sich auf die Inhalte bezieht, begleitet durch den Film. Im Zentrum des Geschehens stehen reale Personen im universitären Alltag, um dem Imagefilm besondere Authentizität zu verleihen.
Komm und sieh. Oder eine kleine, gedankensplitternde Hörprobe:
[audio:http://phaidon.philo.at/qu/wp-content/uploads/2010/09/geniestreiche.mp3]
Der Imagefilm der Fakultät Informatik hat denselben Grad an Authentizität – und ein Aquarium:
http://www.youtube.com/watch?v=PMcbmT_wRP8
Nicht alles an der Universität Wien ist aufregend und herzeigbar, aber eine so dicke Politur hat sie wirklich nicht nötig!
Es gibt ja diesen “Mag ich/Mag ich nicht” Knopf. Das ist ein schönes Beispiel dafür, dass einerseits Zustimmung/Ablehnung erwartet werden, andererseits aber Ratlosigkeit und Wut einbrechen kann. Das ist Jenseits, sozusagen eine Transzendenzerfahrung.
@Aquarium: Die Technik der schwimmenden Worte! Die Schriftzüge bewegen sich wie Fische.
@Transzendenz: Facebook hat ja nur den “Mag ich”-Knopf. In dieser Logik ist alles, was nicht Zutimmung ist, Jenseits. Ablehnung kann nicht signalisiert werden, man muss ein Kommentar schreiben (selbst produktiv werden) oder schweigen.
Ein durch die Transzendenerfahrung verärgerter User in der “Petition-for-face-book-to-install-a-dislike-button”-Gruppe drückt das folgendermaßen aus:
“im sick of having to like a page just so i can show the world how much i dislike it by writing a comment about hating it when i could simply press a button to save myself the trouble of then going back and unliking once i have commented”
Das kann als abstrakte Anleitung gelesen werden, wie man Aspekte des Jenseits hereinholt, unter Verwendung von Facebook-Terminologie (to like, to show the world, to DISlike, to write about, to go back, to UNlike). Youtube z.B. ersetzt das durch ein “to simply press”. Der User erspart sich dann Troubles, zumindest ein paar.
Facebook folgt hier nascheinend der Logik des Auswahlbuffets: Entweder ich mag es (und äußere mich vielleicht dazu), oder ich lass es bleiben. Daß man dazu getrieben wird, sich zu etwas zu äußern, das man nicht mag, ist nicht vorgesehen.
Bei einem Kunstwerk etwa kann ich sagen: das eine löst in mir etwas aus, auf das andere reagiere ich nicht. Wenn es in mir nichts bewirkt, brauche ich mich dazu auch nicht zu äußern. Bei einem Projekt wie Facebook ist es nicht so abwegig, daß ich mich nur um die Seiten kümmere, die auch etwas für mich sind.
Interessant ist, daß dafür die Terminologie fehlt. “Das gibt mir etwas” versus “das ist mir egal” ist wohl nicht so prägnant wie “mag ich – mag ich nicht”. “Dafür – dagegen” ist eine andere Logik als “interessiert mich – was solls”. Die beiden prallen hier aufeinander.
Ein Aquarium hat eine Eigenschaft, die sich eine Uni heute nur wünschen kann – es ist nicht brennbar. Eine Gruppe greift bei der Beschreibung der Zustände spontan zu Feuer, die andere zu Wasser. Ob es da Zusammenhänge gibt?
Wir haben über diese Zusammenhänge hier schon mal geschrieben. Es ist der Unterschied zwischen Gegensatz und Andersheit. Im ersten Fall ist man herausgefordert, Stellung zu beziehen. Die “Transzendenz” besteht darin, diese Zumutung abzuwehren. Im zweiten Fall wird man aufgefordert, mitzumachen und “Transzendenz” heisst dann ausweichen.
Auf der Straße begegnet mir ein Schülerinnentrupp und hält mir eine Dose unter die Nase. “Wollen Sie spenden?” Ich kann ablehnen oder mich darüber aufregen, dass sie mich zu einer Reaktion zwingen, deren Rahmenbedingungen ich nicht bestimmen kann. Oder ich kann die Sache übergehen.
Interessant wird es dort, wo Andersheit, die inhaltlich Alternativen zum Faktischen eröffnet, ihm gegenüber nicht unbezogen bleibt. Und dieses “bezogen/unbezogen” ist erst wieder dualistisch.
Einer meiner Lieblingssätze von Wittgenstein: “Es ist nämlich schwer, das was nicht der Fall ist, nicht zu verwechseln mit dem, was stattdessen der Fall ist.” (Tagebücher 25.11.1914)