Die Letzten beissen die Hunde

Aus einer Mail des Dekanates:

AN ALLE INSTITUTSVORSTxC4NDE UND INSTITUTSVORSTxC4NDINNEN

Leider wurden dem Dekanat der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
vor Weihnachten seitens des Rektorats vollkommen falsche Informationen
bezüglich der Ausschreibung von StudienassistentInnen und TutorInnen
bekanntgegeben.

Laut Veröffentlichung vom 30.12.2003 auf der Rektorenteam-Seite
(“Personalwesen aktuell”) und nach Rücksprache mit Frau Frötschel (Abteilung
für Rechtsangelegenheiten und Organisationsfragen) gibt es per 01.01. d.J.
gravierende gesetzliche als auch administrative xC4nderungen bei Tutorien und
StudienassistentInnen.

Die Ausschreibung, die ich vor Weihnachten per Mail an Sie geschickt habe,
ist somit hinfällig und muss sofort gestoppt werden.

“Antragsuniversität”

Der Rektor hat in einem Interview darauf hingewiesen, daß die Mitbestimmung in der alten Ordnung weniger problematisch war, weil das Ministerium sowieso das letzte Wort hatte. Jetzt, wo die Universität (im neuen Sinn) autonom ist, sind Entscheidungsträger notwendig, die nicht durch Gremien behindert werden. (So zumindest die Suggestion.)

Eigenartig. Schon bisher haben Rektor, Dekane und Institutsvorstände (m/w) in eigener Verantwortung entschieden. Dazu gab es Gremien, denen gegenÜber sie Bericht stellen mußten. Hier beginnt der Versuch, die Geschichte umzuschreiben.

Personalpolitik

Zunehmend mühsamer wurde die Aufgabe, Kolleginnen (m/w) zu finden, die sich im demokratischen Prozeß engagierten. Die Fakultätsagenden oder Studienangelegenheiten wurden administriert, aber ohne Bewußtsein davon, daß es eine gute Sache sei, hier mitreden zu können. Zwei Typen der Mitbestimmung bildeten sich heraus: die Verwaltungsbeamten und die altruistischen xDCberzeugungstäter.

Das sieht jetzt anders aus. Am Beispiel der Zusammensetzung der Curricularkommission ist es schön zu sehen. Sie ist das höchste Gremium zur Steuerung der Lehre an der Universität. Die Anteilnahme des ehemaligen Mittelbaus ist derart gering, daß ein Schreihals (nämlich ich) dort hinein nominiert wurde. Das Vertrauen ehrt mich und ich werde natürlich versuchen, die Aufgabe gut zu erledigen. Aber es stimmt auch bedenklich, welche ultra-vertikalen Verfahren im Augenblick unvermeidlich zu sein scheinen. Es gibt ja wirklich keine Möglichkeit, eine solche Bestellung anders als aus dem Hut zu zaubern.

Der Rektor im Gespräch

Gestern besuchte Rektor Winckler das Institut für Philosophie. Der Hauptzweck der Besprechung war die Diskussion über eine allfällige Fakultät für Erziehungswissenschaften und Philosophie. Im einleitenden Statement kam der Rektor aber auch auf die allgemeine Problematik der UG 2002-Umsetzung an der Universität Wien zu sprechen.

Georg Winckler kann eine Sache überzeugend darstellen und mit beträchtlichem persönlichen Charme vertreten. Die Anwesenden waren sich darüber einig, daß er seine Anliegen kollegial und gesprächsbereit vorstellte. Auch inhaltlich gab es bemerkenswerte Signale. Winckler räumte ein, daß sich im Zeitraum seit September eine riskante Entwicklung abzeichnet. In der Dienststellenversammlung im Frühherbst hätte er der Universität einen Ruck geben wollen, um den bevorstehenden Veränderungsprozeß in Gang zu bringen. Sein Besuch im Institut sei auch als Zeichen dafür zu verstehen, daß er die zurückhaltenden Reaktionen der Belegschaft ernst nimmt.

Die Umstellung der Organisationsstruktur bringe es mit sich, daß er, und nicht mehr Frau Gehrer, im Mittelpunkt der studentischen Kritik stehe. Mit den neuen Befugnissen könne und müsse er aber eine Politik betreiben, die sich nicht an die meist lokalen Interessen der Institute binden läßt. Die alte Universität sei ein Verein zur Einreichung von Anträgen an eine übergeordnete Dienststelle (das Ministerium) gewesen, jetzt ginge es darum, eine eigene strategische Zukunftsplanung zu entwickeln. Die europäische Entwicklung (Winckler bezog sich auf Skandinavien und Großbritannien) geht in die Richtung, daß Staatsmittel zunehmend leistungsabhängig vergeben werden. Die Angehörigen der Universität sind in ihrer Forschung frei, nur müssen sie nachweisen, wie sie mit den Ressourcen umgehen.

Die universitäre Lehre nimmt dem gegenüber einen geringeren Stellenwert ein. Winckler will vermeiden, daß sich die Universität zu einer Art Volkshochschule verflacht. Wie der Akzent auf Spitzenforschung mit den Studentenzahlen der Universität zusammenpaßt, wurde nicht recht deutlich.

Insgesamt scheint der Rektor einiges nachholen zu wollen, was in letzter Zeit zu kurz gekommen ist. Motivation der Mitarbeiter (m/w), Rücksprache bei relevanten Punkten, Argumentation statt handverlesener Projektgruppen. Speziell für den Mittelbau gibt es ein interessantes Detail. Bei der Berechnung der Professorenzahl ordnete er die Habilitierten mit dem Hinweis auf äquivalente Leistungen den Professoren zu.

Monadenmonolog

Zwei Impulse auf den Randgängen von Thomas Burg.

Einerseits fragt er nach der Radiosendung zu Coase. “Dem Manne kann geholfen werden.” Die mp3-Files sind eben in der Philosophischen Audiothek verfügbar gemacht worden. Sorry, auf Ogg Vorbis sind wir noch nicht umgestellt.

Die andere Sache sind rss-enclosures und hier bin ich für die missionarische Intervention dankbar. Ich wußte nicht, daß man so was machen kann. Allerdings ziehe ich ein Audio-Archiv einstweilen doch noch vor. Es ist ein Verhältnis wie zwischen Kino und Videoverleih, um nochmals auf die Sozialstrukturen zurückzukommen. Das Thema ist ja auch schon im Zusammenhang mit traditionellen Zeitungen und selbst konfigurierten Infomationskanälen angesprochen worden. Welche Anforderungen stellt man an Öffentlichkeit? Wieviel ungeplanten Inhalt soll/muß man zulassen, um der Gefahr der Monokultur zu entgehen?

Zeitplan

Rektor Winckler hat gestern den Zeitmangel kritisiert, der sich bei der Umsetzung des UG2002 ergeben hat. Eine späte Erkenntnis, die daran zweifeln läßt, ob er sich jemals über die Komplexität der Aufgabe klar gewesen ist.

Er hat wohl damit gerechnet, seinen Organisationsplan per Dekret “auf die Schnelle” im Universitätsrat und Senat durchzubringen. Ohne nennenswerte Beteiligung der Betroffenen, über den Daumen gepeilt. Schon in der Dienststellenversammlung im Oktober ist deutlich gewesen, daß die Zielvereinbarungen ein massives Problem darstellen. Davon hat man 2 Monate lang nichts gehört, jetzt ist es ein prominenter Streitpunkt.

Überholspur

Das sollte man nicht übersehen: in jedem gesellschaftlichen Umsturz entstehen neue Möglichkeiten. Es ist, wie wenn im Supermarkt eine neue Kassa eröffnet wird. Wer quick genug ist, kommt schneller zum Ziel.

Davon gibt es eine negative und eine positive Lesart. Einerseits die Gewinnertypen, die ihren Vorteil wittern, andererseits ist gar nicht zu verhindern, daß ein Umbruch auch Verbesserungen ermöglicht.

Als Beispiel an der Universität Wien eignet sich der Bereich der elektronisch unterstützten Lehre. Er wäre im alten Regime sicher nicht so prominent. Da er hohen Prestigewert bietet und von einer Gruppe teamfähiger Expertinnen vertreten wird, erhält er einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert.

Allgemeiner betrachtet scheint mir allerdings, daß der höchste Nutzen der Restauration darin liegt, die Nicht-Beteiligten zu einem neuen Anfang zu zwingen.

Blog Potenziale

Eines ist klar: Blogs bieten eine neue Form der Informationsverteilung. Die Arbeit besteht zunächst darin, die Neuartigkeit genauer zu definieren.

Thomas N. Burg weist auf die Transaktionskosten hin. Ich habe vor 2 Wochen eine Sendung in Radio Orange zu Coase und Yochai Benkler gemacht, da kann ich also nur zustimmen. Aber ich genieße auch eine gewisse Langsamkeit und möchte die Situation phänomenologisch erkunden. Zwei Charakteristika fallen mir auf.

Erstens handelt es sich eigentlich um eine Kultur der Fußnoten. Eine unglaublich einfache und praktische Methode, mit Anmerkungen ein Universum aufzubauen. Der Haupttext bleibt außen vor, wie das Tagebuch lebt das Blog von der Kurzzeitreaktion. Und zweitens lassen sich solche Universen mittels trackback schön miteinander verschalten. Auch das kennt man aus den Anmerkungsapparaten.

Eine Besonderheit: dieser Austausch verknüpft Monologe. Pointiert gesagt ist es ein Dialog mit Kondom. Die Textproduktion der anderen Seite wird nicht beeinflußt. Es ist wie die Entwicklung vom Gesellschaftstanz zu Singles, die sich koordiniert und mit frei wählbaren Kontakten “on the dancefloor” produzieren.

Permafrost

Thomas N. Burg hat seinen kurzen Aufenthalt bei der Netz-Konferenz in Budapest mit einigen unterschiedlich korrekten Bemerkungen kommentiert. “Kaum jemand kennt den Begriff des Permalinks.” Nun, jede in Hypertext archivierte Mailing Liste bietet stabile URLs für die einzelnen Mails. Hier als Beispiel eine Eigenwerbung. Daß die Idee der Mail-Archivierung unbekannt ist, wird man nicht sagen können. (Es sei denn, Th. Burg meint diese spezielle Wortprägung.)

Für den Hinweis auf “technorati” bin ich dankbar, obwohl mir unklar ist, wozu extra betont wird, daß viele dieses Service nicht kennen. Was bringt es, wenn ich hier festhalte, daß unter Geisteswissenschaftern (m/w) OAI-PMH nicht populär ist? Das klingt etwas nach Missionseifer.

Aber in diesem Punkt stimme ich 100% zu: das Konzept von RSS soll mit Nachdruck verbreitet werden.