ruaf mi ned an

Die weinerliche Raunzerei mancher Austro-Popper stößt ab. Georg Danzer habe ich kaum registriert und jedenfalls nicht interessant gefunden. Vor einiger Zeit hörte ich eine seiner Schnulzen in der Fassung von Agnes Heginger und Klaus Wienerroither (BoABoA). Etwas daran trifft. Man muss den Text zerlegen.

Ruaf mi net an weil du wasst doch genau dass i nimma mehr wü und a nimma mehr kann, bitte ruaf net an.

Die Zeile enthält zwei Sprachhandlungen

  • eine vielfach verwendbare Bitte, z.B. “Ruf mich nicht an, weil ich gerade ins Bad gehe.”
  • und einen Appell, welcher der Bitte Nachdruck verleiht. Es handelt sich nicht um irgendeinen Grund. Eine vertrauliche Beschwörung wird ins Spiel gebracht.

Die entscheidende Phrase lautet

“weil du wasst doch genau”

Es ist nicht ausgesprochen. Es ist ein Voraus- und Übergriff auf ein Wissen, das zwischen den Betroffenen nicht gefestigt und vereinbart ist. Eine solche Wendung beruht auf einem Vertrauensverhältnis: “Du weisst doch, dass sie Blumen mag.” Und dieses Verhältnis wird doppelt durchkreuzt:

  • “Du weißt doch genau” Darin liegt ein bedrohlicher Anspruch. “Bitte erinnere Dich gefälligst!”
  • Die Pointe ist natürlich, dass ein solches Vertrauensverhältnis dazu herangezogen wird, um den Abbruch der Beziehung zu fordern.

Die wehleidige Strophe enthält einen präzise analysierbaren Widerspruch, der eine Misere genau beschreibt. So sehen gestörte Beziehungen aus: sie bauen auf Vertrauen noch dort, wo sie an dieses Vertrauen appellieren, um die Beziehung abzubauen. Das ist nun keine Wienerische Spezialität.

Und was den genius loci betrifft sind zwei Versionen des Songs zu vergleichen. Die kindlich trotzige Version von Danzer und Ambros aus 1976 und die schmalzig schönbrunnerische Lichtermeerdusche von 2007. Gedanken können Gefühlen Biss geben.

[youtube YfdUHEw-qyc 1976]

[youtube jedP_RJh5eA 2007]

4 thoughts on “ruaf mi ned an

  1. Der Vergleich ergibt bei mir vor allem eines: Beides gleich unerträglich. Der Text hat allerdings etwas Exotisches, für mich als Hochdeutschsprecher.

  2. Ich würde dennoch sagen: unterschiedlich unerträglich. Am Anfang das beinahe grimmige Gitarrenschlagen, der Blick doppelt nach vorne gerichtet, eine Art Feuerstellung. Der sentimentale Text hat eine rotzige Note. Die ORF Gala 32 Jahre später läßt alles in eine emotionale Suppe verschwimmen.

  3. Das stimmt. Das Business hat sie offensichtlich weichgeklopft. In der zweiten Version ist das Entsetzliche, wie Adorno sagt, noch wesentlich konsumierbarer gemacht worden.

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