Zum Aufwachen

Wenn ich (wie im vorigen Beitrag) Dieter Henrich kritisiere, sollte ich auch sagen, was man anders machen kann.

Es ist ein ironischer Umstand, dass Hegel, ein Hauptgewährsmann der klassischen deutschen Philosophie, für die Dieter Henrich so nachdrücklich eintritt, zu den vehementesten Kritikern des Bildungsbegriffes gehört. Ich habe das in einem Vortrag mit Bezug auf die Wikipedia näher ausgeführt.

Zur Einstimmung hier der erste Absatz aus dem Artikel, den ich im Anschluss daran geschrieben habe:


Das Thema Bildung findet sich in Hegels “Phänomenologie des Geistes” nicht dort, wo es nach dem Verständnis des 21. Jahrhunderts hingehört. Für die Gegenwart beginnt die Zeit des “Bildungsbürgertums” im ausgehenden 19. Jahrhundert. Hegel platziert seine Geistesformation im Zeitabschnitt vom Spätmittelalter zum “acien regime”. Eine zweite xDCberraschung bringt seine Einschätzung des Phänomens. Während der deutsche Idealismus aus gegenwärtiger Sicht entscheidende Impulse zur Verbreitung des Bildungsgedankens geboten hat, fällt Hegels Urteil negativ aus. Mehrere Passagen, die er diesem Thema widmet, enthalten eine vernichtende Kritik des Erwartungshorizonts, den wir heutzutage mit Bildung verbinden. Diese thematischen Verschiebungen haben zwei direkte Konsequenzen für Diskussionen über Hegels Bildungsbegriff. Erstens sind Beiträge, die über textimmanente Interpretation hinausgehen, damit konfrontiert, dass sich das konzeptuelle Bezugsfeld markant verlagert hat. Es muss um strukturelle Muster des Begriffes gehen; historische Rekonstruktionen kommen nicht in Betracht. Und zweitens ist die Bewertung des Phänomens zwischen dem Originaltext und dem Gegenwartshorizont eigenartig diskordant. Die Kritik, welche Hegel anbringt, wird in seinem Buch von der Weiterentwicklung der Bewusstseinsformationen überholt. Wer sich andererseits gegen das heute übliche Verständnis richtet, bewegt sich mit hegelschen Motiven in einer posthegelianischen Landschaft.

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