Mission und Dialog in Europa, andersrum

Resurrection
Image by AmahRa58 via Flickr

Alain Badiou ist im Moment einer der prominentesten französischen Philosophen. Eben erschienen ist sein Worfür steht der Name Sarkozy?. Wenn man sich ansieht, wie er gegen die Konventionen der Mainstream Demokratie argumentiert, findet man eine ausgesprochen erlösungstypische Rhetorik. Er ist missionarisch unterwegs.

“Die Illusionen ablegen” heißt kategorisch zu leugnen, daß die Wahl eine echte Entscheidung ist. Es heißt, sie als organisierte Desorientierung zu erkennen, die dem Perso­nal des Staats freie Hand gibt. Das ganze Problem ist dann, diese Illusion affirmativ zu verwerfen, das heißt: das Prin­zip einer Orientierung des Denkens und der Existenz woanders zu finden. Zu diesem Zweck, um die Illusion als Illusion zu erkennen und sie zu verwerfen.”

Es gibt eine in den Grundsätzen falsche Welt, der wir durch einen Erkenntnisschub entkommen können. Er führt zu einer qualitativen Umwertung, durch die die “Arbeiter ohne Papiere” – die Ausgestoßenen dieses “saeculums” – ins Zentrum geraten.

Die Orientierung. Sie erfolgt auf Distanz zum Staat, also insbesondere außerhalb der Wahl. Ihre Sache ist es, noch nicht da Gewesenes im Realen zu konstruieren. Sie besteht in der Inkorporation in einen Wahrheitsprozeß, besonders bei der direkten politischen Organisation de­rer, die hier aus der (falschen) einzigen Welt herausge­halten und in die »andere« Welt abgeschoben werden. Im Kern dieses aus der Welt exilierten Proletariats: die Arbei­ter ausländischer Herkunft. Und im Kern dieses Kerns: die Arbeiter ohne Papiere.

Der Effekt ist eine Extase, eine Überschreitung und eine neue Wahrheit:

Das Subjekt-Werden ist das Ergebnis der als Orien­tierung gedachten Inkorporation. Das menschliche Indi­viduum, das Lebewesen, das darauf abgerichtet ist, an­gesichts der Ware bloß seine unmittelbaren Interessen zu kennen, macht sich zu einer Komponente des Wahrheits­körpers neben anderen, und damit überschreitet es sich als Subjekt.

Woran erkennt man denjenigen, der seine angebliche .,freie Individualität«, will sagen das Stereotyp, in dem er aufgelöst ist (denn was ist monotoner, was einförmiger als die »freien« Individuen der Marktgesellschaft, die zi­vilisierten Kleinbürger, die wie die Papageien ihre lächer­lichen Ängste wiederholen?), in der lokalen Festigkeit einer transindividuellen Wahrheit überwindet?

Das in Aussicht genommene Ergebnis ist sicher attraktiv. Eine

… Überzeugung, daß es unendlich wichtiger ist, zusammen mit vier afrikanischen Arbeitern aus einem Heim, einem Studenten, einem chinesischen Handlanger aus der Textilbranche, einem Postler, zwei Vorstadt-Hausfrauen und ein paar Nachzüglern, ein Treffen zu organisieren, das die Verständigung über einen Punkt und, von den Pressionen des Staates unbeeindruckt, eine Dauer herstellen kann – um ein ihm selbst inkommensurables Unendliches wichtiger, als den Namen eines ununterscheidbaren Politikers in die staatliche Wahlurne zu werfen.

Dennoch ist das eine eigenartige Mischung aus Erweckungs-Mentalität und einer Sprache, die sicher kein Postler versteht. Also braucht Badiou einen Hochschullehrgang für Mission und Dialog in Europa?

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