Die Projektbühne

“Ich bin also der Meinung, die Probleme im Wesentlichen endgültig gelöst zu haben. Und wenn ich mich hierin nicht irre, so besteht nun der Wert dieser Arbeit zweitens darin, dass sie zeigt, wie wenig damit getan ist, dass die Probleme gelöst sind.” (Wittgenstein)

controlling

Phase 1

Gestern habe ich mich mit einem Foliensatz von Projektmanagement gequält, in der sehr detailiert das Vorgehen beschrieben wird, mit welchen Methoden und einzelnen Schritten man ein Projekt erfolgreich vom Anfang bis zum Ende bringen soll. Da gibt es den Projaktantrag, den Projektauftrag, die Vorbereitung der Planung, die Planung (mit Projekthandbuch), die Durchführung, das Controlling, das Projektmarketing, die Projektkoordination, usw. Gehen wir genauer ins Controlling; man kann es weiter unterteilen in: die Vorbereitung eines Workshops zum Controlling, die Durchführung des Workshops zum Controlling, die Besprechung des Workshops mit dem Auftraggeber, die Nachbereitung des Controllings und der Besprechung usw. Jeder dieser Schritte kann nochmals untergliedert werden in Tätigkeiten, die zu tun sind,  Dokumente, die anfallen und Personenrollen, die daran beteiligt sind.

Irritation 1

Man könnte behaupten, die Probleme wären damit endgültig und definitiv gelöst. Und nehmen wir an, es ist tatsächlich so. Für alles, was in einem Projekt schiefgeht, gibt es ein Kapitel in einem Regelbuch das sagt, wie man es hätte machen sollen. Doch das, was Projekte auszeichnet, ist ihre Einmaligkeit und die sich ändernden Umstände. Es klingt ein bisschen paradox, Regeln anzugeben, wie man – für alle Projekte – bei einmaligen Bedingungen vorgehen soll. (Fairerweise muss man sagen, dass in den Regelbüchern angegeben ist, dass Planungsdokumente nur so detailliert angefertigt werden sollen wie man sie im Projektverlauf benötigt, um den Fortschritt zu ‘messen’. Wenn man das nicht tut, dann wird empfohlen, die Planung gar nicht so detailliert zu machen.) Eine Regel anzugeben ist etwas anderes als einer Regel folgen und einer Regel folgen heißt nicht, dass (a) jeder dieselbe Handlung daraus ableitet und (b) auch nicht, dass, unter allen Umständen dasselbe dabei herauskommt, selbst wenn alle dieselbe Handlung aus der Regel ableiten.

Phase 2

Dann lese ich heute den Foliensatz über “Agiles Projektmanagement”, der meine Irritation kurz beruhigt: Hier wird von Flexibilität im Handeln, Reaktion auf sich stetig ändernde Bedingungen gesprochen. Es geht nicht mehr um das sture Abarbeiten von Regelwerken, Methoden und Plänen, sondern: Holismus statt Reduktionismus; Kommunikation und Zusammenarbeit VOR Vertragsverpflichtung und Methodenzwang. Anstelle der Fernsteuerung der Untergebenen durch die Projektleiterin, tritt Vertrauen und Einfühlungsvermögen. Sie denkt sich in ihre Mitarbeiter hinein und versucht an ihren aktuellen Herausforderungen und Problemen teilzuhaben, trotzdem aber darauf zu achten, dass die Arbeit getan wird.

Irritation 2

Dann muss ich folgenden Satz lesen „Erlaubt ist alles, was den Erfolg des Projektes fördert und Risikopotenziale senkt!” Wow, so viel gleich? Wenn das kein Freiraum ist… Bei diesem Satz wird man vor die Tatsache gestoßen, in welchem Milieu sich ein Projekt (sagen wir im IT-Bereich) zu behaupten hat und dass am Ende etwas rausschauen muss; man hat einfach einen gewissen Druck.

Vor diesem Hintergrund wird ein bisschen verständlich, warum sich eine Sympathie für den kybernetischen Kreislauf von Planung-Kontrolle-Steuerung entwickelte: um sich abzusichern. Das hat in weiterer Folge aber zu sehr umfangreichen und unflexiblen Regelwerken geführt, die kaum mehr überblickbar sind (Phase 1). Beim “Agilen Projektmanagement” möchte man sich wieder “auf das Wesentliche” besinnen: Die beste Planung hilft nichts, wenn sich die Bedingungen verändern; und das tun sie laufend. Irgend etwas Unvorhergesehenes passiert, das ist ja das Charakteristische (und auch Spannende) von Projekten. Es kann Teile geben, die eine gewisse Routine erfordern und wo Regelbücher helfen können. Doch dann gibt es Phasen im Verlauf eines Projekts, die zu Beginn nicht vorhergesehen werden können. Wenn diese Phasen eintreten, muss man sich Gedanken darüber machen, wie man darauf reagiert. Man plant also on-demand, iterativ und für bestimmte Fälle; und setzt primär auf Kommunikation und Kooperation im Team.

Fragezeichen

Trotzdem bleibt, dass Projekte im Kontext einer bestimmten Ökonomie arbeiten, in der tlw. sehr hohe Erwartungen an das Projekt herangetragen werden. Leistungs- und Erfolgsdruck. Die Frameworks von “Agilem Projektmanagement” geben (mit Rückbezug auf Verhaltenspsychologie und Gruppendynamik) Hinweise für den Aufbau eines Bühnenbilds, das die ängstigenden Aspekte dieser Tatsache kaschiert (und das ist nicht unbedingt negativ). Das arbeitende Projektteam hat dadurch die Möglichkeit, sich auf die sachlichen Anforderungen und deren Umsetzung zu konzentrieren und nicht darauf, mit welchen Konsequenzen zu rechnen ist, wenn die Umsetzung länger dauert als geplant. Der Erfolg dieses Bühnenbildes hängt einerseits von der Fähigkeit der Bühnenbildner ab. Andererseits von den Schauspielerinnen/Künstlern/Software-Ingeneurinnen, die zweigespalten sind. Sie wissen einerseits, dass das ganze ein Schauspiel ist (letztlich geht es um gute Kritiken, wenn man der Metapher folgen will), genießen es aber andererseits, zu spielen und sich völlig auf ihre Rolle einzulassen.

Hintergrundinformationen

Projektmanagement
Stakeholder
Projektcontrolling
Scrum (Beispiel eines Vorgehensmodells für Agiles Projektmanagement)
Bühne (Psychodrama) – Eine weitere Bedeutung von Bühne, die ich beim Schreiben des Artikels noch nicht gekannt habe.

2 thoughts on “Die Projektbühne

  1. Im Kontrast zu allen diesen geordneten Anweisungen steht der derzeit ablaufende Prozess der Novellierung des UG2002. Das ist immerhin ein Bundesgesetz im Bereich der Univesitäten, also man sollte glauben, dass es hier hohe Maßstäbe gibt.

    Was abläuft ist fundamental lächerlich. Vor einem Jahr gab es ein Begutachtungsverfahren einer früheren Version. Dann ist die Regierung gescheitert, das Gesetzesprojekt wurde auf Eis gelegt. Jetzt hat Minister Hahn es wiederbelebt, ohne Begutachtung. Vergangenen Donnerstag hat er 20 Personen, die das Dokuemten mehrheitlich zum ersten Mal sahen, seine Pläne vorgelegt. Das sollte schon diese Woche in den Ministerrat, vermutlich wird es nächste Woche werden.

    Inhaltlich will ich gar nicht auf die Sache eingehen. Was ich im Moment erlebe ist jedoch das ständige hektische Herumtelefonieren einiger Personen, die im Bild sind, die wichtig sind oder sich einbilden, wichtig zu sein. Wenn sie gute Karten haben, können sie einige Bestiommungen ändern. Das ist z.B. gestern geschehen, als die Juristen sich voll ins Zeug gelegt haben und die vorgesehene Änderung der Rektorenbestellung als verfassungswidrig beurteilten. Das hat geholfen. Nicht, dass man im Ministerium auf die Idee gekommen wäre, das vorher zu prüfen, oder jemanden darüber zu fragen.

    Ein chaotischer Prozess zwischen Wichtigtuern, wobei ich am Rande auch einer von denen bin. Ein schöner (na, sagen wir plastischer) Kontrast zu den Sandkastenspielen, die Andreas Kirchner beschreibt.

  2. Ich wollte eigentlich gerade die Existenz des von Christian Cenker verfassten Protokolls begrüßen, doch anscheinend wurde es vom Netz genommen?

    Archive.org hilft mir diesmal leider auch nicht weiter: http://web.archive.org/web/*/http://ug02.wordpress.com (vermittels Googles Cache kann man es noch abrufen).

    Dass der Herr Minister die Betroffenen eines Gesetzestextes nicht (ausreichend) in den Entscheidungsprozess einbindet, zeugt für mich davon, dass er nicht einmal die einfachste Grundregel von Projekten beachtet. Und die lautet in Projektchinesisch: “Einbindung aller Stakeholder” für eine hohe Akzeptanz aller Beteiligten und einen Erfolg des Projektes. Anscheinend gab es ja bereits einen Diskussionsprozess, der jetzt aber nicht berücksichtigt wurde. Das schürt das Feuer verständlicherweise noch mehr.

    Welche Motivation hinter dieser (vermutlich bewussten) Missachtung steht, möchte ich nicht mutmaßen – jedenfalls darf man sich nicht wundern, wenn nun so etwas wie “Krieg” und Chaos ausbricht.

    (Von der Sache mit dem e-Voting bei den ÖH-Wahlen fange ich gar nicht an)

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