Der Schein billiger Überlegenheit

Habe mich vor ein paar Tagen mit Werken und Vorlesungen von Heidegger für die Semesterferien eingedeckt, eigentlich mit dem Ziel, eine kleine Arbeit über die Aristoteles-Interpretation von Heidegger (speziell für das Werk “Peri Hermeneias”) zu beginnen, die sich für das entsprechende Lektüreproseminar verwerten lässt.

Als jemand, der eine vage Vorstellung von der geschichtlichen Entwicklung der Logik bis zu ihrer Operationalisierung in der Informatik hat, ist mir GA 38 “Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache” ins Auge gesprungen. Leider muss man da schon in §1.c.alpha folgendes lesen:

“>A ist B< und >A nicht Nicht-B< können nicht zugleich wahr sein (gilt bis Hegel). Dies ist die Grundregel der Widerspruchslosigkeit.” (GA 38, S.2)

Wenn man die doppelte Negation (in einer klassischen Logik) auflöst kommt als Grundregel der Widerspruchslosigkeit raus: “A ist B” und “A ist B” können nicht zugleich wahr sein.

Hoffentlich war es nur ein Trankriptionsfehler oder ein Fehler von Wilhelm Hallwachs beim Anfertigen der Vorlesungsnachschrift:

“Nur eine lange und schmerzhafte Ablösung bringt uns ins Freie und bereitet vor, die neue Gestalt der Rede mit zu schaffen. Wir sagen uns los von jedem Schein billiger Überlegenheit, die in der Logik nur Formelkram sieht. Wir lernen ernst nehmen die Macht eines Denkens seit langem und dessen schöpferische Überwindung, ohne die ein Wandel unseres Daseins haltlos sein wird.” (GA 38, S.9)

2 thoughts on “Der Schein billiger Überlegenheit

  1. Aussagenlogisch: p und nicht p können nicht zugleich wahr sein.

    Prädikatenlogisch extern: “A ist B” und “ nicht (A ist B)” können nicht zugleich wahr sein.

    Prädikatenlogisch intern: “A ist B” und “A ist nicht B” können …

    Und das gibt die Frage nach dem Verhältnis zwischen “nicht (A ist B)” und “A ist nicht-B”. Wenn es nicht zutrifft, dass der Tisch grün ist –> kann ich dann sagen, er sei nicht grün? Na sicher, gegeben die klassische Logik. Und wenn es nicht zutrifft, dass er nicht grün ist? Erraten.

  2. Die Formel ϕ sei “Tisch(x) ^ Gruen(x)”.
    Die Formel ψ sei “Tisch(x) ^ ¬Gruen(x)”.

    Beide Formeln dürfen nach dem klassischen Widerspruchsverbot nicht gleichzeitig zu wahr evaluieren.

    Angenommen: Tisch(x) evaluiert zu wahr und ¬Gruen(x) zu falsch. Damit evaluiert nach der Semantik der Konjunktion ψ zu falsch. Es trifft also nicht zu, dass der Tisch nicht grün ist. Gilt daher sofort ϕ?

    Man muss sich ansehen, was da vorgeht, wenn ¬Gruen(x) zu falsch evaluiert. In dieser Teilformel wird zunächst Gruen(x) evaluiert. Ergebnis: Wahr. Durch die Negation von Wahr ergibt sich, dass ¬Gruen(x) zu falsch evaluiert.

    Wenn man nun ϕ analysiert, kann man auf die Evaluation der Teilformel Gruen(x) zugreifen und damit evaluiert ϕ zu wahr.

    “Es trifft nicht zu, dass β.” Hier hat man es meinem Verständnis nach mit einer anderen Art von Negation zu tun hat, die eigentlich ein Ergebnis der Evaluation von β ausdrückt und keine Negation innerhalb der Formel.

    Wenn ich die Negation in die Formel ziehe, hätte ich so etwas wie χ: “¬(Tisch(x) ^ ¬Gruen(x)) würde genau dann zu wahr evaluieren, wenn “¬Tisch(x) v ¬¬Gruen(x)” zu wahr evaluiert.

    Was ich gerade bemerkt habe: Durch das erste Glied der Disjunktion ist es egal, ob man ¬¬Gruen(x) zu Gruen(x) auflöst oder nicht, da man in beiden Fällen nicht zur gewünschten Formel ϕ kommt. Das Konnektiv hat die Problematik entschärft.

    Was ich bei GA 38, S.2 bemerkenswert fand war, dass hier gerade nicht die klassische Grundregel der Widerspruchslosigkeit dargestellt wird. Wenn >A ist B< und >A nicht Nicht-B< nicht zugleich wahr sein können, heißt das: Gruen(x) und ¬¬Gruen(x) dürfen nicht zugleich wahr sein. Egal, wie ich das auslege, zum Satz vom Widerspruch komme ich so nicht. (Deswegen die Vermutung, dass das ein kleiner Tippfehler ist und es heißen sollte "A ist B" und "A ist Nicht-B".)

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