Affirmativ und Eklektizistisch?

Wie beurteilt man die Qualität von Gedanken in der akademischen Sphäre?

Eine Stellungnahme zu meinem für die “Nachwuchs”-Tagung “Junge Philosophie” an der TU Darmstadt eingereichten Paper lässt eine erste Antwort zu:

  • Wenn du Begriffe verwendest, sollten sie aus einer Theorie heraus entwickelt werden, anstatt Metaphern zu ihrer Plausibilität anzuführen.
  • Wenn du Metaphern verwendest, gebrauche sie nicht affirmativ.
  • Dass Metaphern nicht affirmativ gebraucht werden, zeigt sich, indem sie in einem systematischen Zusammenhang gestellt und kritisch hinterfragt werden.
  • Wenn du Metaphern affirmativ verwenden solltest, beziehe dich auf Literatur. Die Literatur aber muss systematisch, nicht eklektizitisch ausgewählt werden.

Die Stellungnahme hat mich irritiert. Eine These im kritisierten Paper war, dass Kompetenz nicht auf die gestaltenden, architektonischen Aspekte reduziert werden kann, sondern ein Moment miteinschließt, in der man von Situationen irritiert wird und – zunächst – in seinem Entwerfen zurückgeworfen ist. Das ist nun der Fall.

“Der Boden für fruchtbare, anschlussfähige Tätigkeiten ist: Man lässt sich stören. Und manchmal noch mehr: Man wird gestört. Man bezieht seine Kreativität aus der Irritation und spannt seine Methoden und Architekturen auf den Wellen derselben.”

Meiner Überzeugung nach ist der Schritt zur Systematik und Methodik ein Zweiter. Ein Aspekt, der mich (neben Systematik und Schlussfolgerungen) an der Philosophie fasziniert ist, was zwischen Irritation und Systematik passiert, also vor der Verwertung. Vielleicht ist der Text deswegen nicht reif für Veröffentlichung in einem Band für die Disziplin Philosophie.

Was ich zugestehe: Der Text ist vorkritisch und stotternd, ohne Rückhalt durch Literaturverweise. Temptativ wird versucht, sich auf das durch die Tagung gestellte Thema (“Brüche, Brücken, Ambivalenzen”) einzulassen. Es werden die Metaphern der Architektur und des Konstruierens erkundet.  Dann wird die Frage gestellt, ob man durch sie auf Widersprüchlichkeiten eingehen kann. Ich habe Hinweise gegeben, dass diese Metaphern genau nicht ausreichend sind, um das Prädikat “Kompetent-sein” zuzuschreiben und dass man Beispiele finden kann, die über diese Metaphern hinausweisen. Offenbar war das nicht überzeugend.

Der Beitrag findet sich im Philo-Wiki- sozusagen als Alpha-Version zum Diskutieren und Weiterarbeiten. Vielleicht hat die eine oder der andere einen hilfreichen Rat für einen offenbar nicht wohlgeformten “Nachwachsenden”. Ich habe durch die Stellungnahme ausserdem Gelegenheit eine Praxis aus der Softwareentwicklung anzuwenden, die auch wichtig für das Thema des Textes war:

Die Quellen werden nicht verschlossen und gegen Änderung gesperrt, sondern setzen sich der Konfrontation mit den Benutzern aus und können – die Beteiligung der Benutzer vorausgesetzt – schneller auf sich ändernde Situationen reagieren. Die Anpassung mit der Umgebung erhöht sich und wird dynamischer.

Man bezieht seine Kreativitat aus der Irritation und
spannt seine Methoden und Architekturen auf den Wellen derselben.

4 thoughts on “Affirmativ und Eklektizistisch?

  1. “Die Rekonstruktion der Philosophie unter einer Hinsicht verschiedener
    Architekturen überzeugt uns nicht, da diese Begriffe nicht systematisch aus der
    Theorie heraus entwickelt werden, stattdessen erscheinen sie uns als Metaphern
    jeweils pragmatisch herangezogen, ohne dass sie selbst einen systematischen
    Zusammenhang entwickeln.”

    Rekonstruktion unter einer Hinsicht von Architekturen? Was heisst das? Worauf bezieht sich demnach “diese Begriffe”? Auf die Architekturen? Architekturen sind keine Begriffe. Darum können sie auch nicht systematisch aus einer Theorie entwickelt werden (so wenig wie diverse Softwarearchitekturen). Eine Architektur ist keine Metapher, was soll denn diese Idee? Und wäre sie eine Metapher, würde sie keinen systematischen Zusammenhang entwickeln. Denn Begriffe werden systematisch aus einer Theorie heraus entwickelt (soviel zumindest ist in dem Statement korrekt), aber Begriffe selbst entwickeln nichts und Metaphern noch viel weniger.

  2. Das ist mir gar nicht aufgefallen. Ein interessanter Beitrag zur Frage nach der Qualität von Gedanken in der akademischen Sphäre.

    Im Text weise ich nicht explizit auf den Unterschied zwischen (1) der Tätigkeit eines Architekten z.B. im Brückenbau, (2) den erläuterten Begriffen von Brücke (horizontal/gestuft) und (3) der Übertragung des Bildes – dass eine Brücke zwei Ufer miteinander verbindet – auf Interfacedesign in der Informatik und auf “Zusammendenken” in der Philosophie.

  3. “Zuerst projiziere ich die Tätigkeitsbereiche der beiden Disziplinen auf Begriffe der Baukunst.”

    Das ist vielleicht ein Anlass zur Kritik. Es gibt Begriffe der Architektur und die Projektion besteht nicht darin, Tätigkeitsbereiche, sondern Tätigkeitstypen auf sie zu projezieren. Das wäre eine Art Homomorphie, im Unterschied zur Metapher, die man erhält, wenn man der ganzen Tätigkeit quasi ein anderes Aussehen verpasst. Die “Angst” der beflissenen Gutachter (m/w) vor der Metaphorisierung besteht ja darin, dass sie ihr immer hintennach denken müssen, statt ein schönes “System” zu haben, das sie überprüfen können.

    1. über den Satz bin ich gestern auch noch einmal gestolpert. Es ist tatsächlich ein wenig undeutlich. Ich sollte darauf hinweisen, dass das eine Arbeitshypothese ist, sozusagen: Ist das das Aussehen der Tätigkeit?

      Ein neuer Versuch wäre:

      (1) Ich teste ob das, was man in der Philosophie tut, ausreichend mit dem Gestalten und Entwerfen von Artefakten erfasst ist. Wenn dem so ist, dann heißt “ich philosophiere” soviel wie “ich entwerfe kontrafaktische Architekturen”.

      (2) Ich teste das ebenfalls für die Informatik. Wenn dem so ist, dann ist das, was eine Informatikerin tut, gleichbedeutend mit dem Entwerfen von Softwarearchitekturen.

      Was sich dann in den Beispielen zeigt ist, dass das nicht ausreicht für (akademische) Kompetenz in den betrachteten Bereichen der Philosophie UND der Informatik.

      Architekturen sind ein Aspekt einer Disziplin, doch sie können keinen Link zu Andersartigem machen. Sie verbleiben im Horizont eines “Raumtypus” – oder erweitern ihn bestenfalls. Aus ihr alleine stellt man keine Interaktion zwischen Kontrafaktischem und Faktischem / zwischen Software und Benutzer her. Was kann man sonst noch tun? Ich würde sagen: Nichts Spezielles. Man lässt sich stören (das ist die Tätigkeit des Testens) oder: Man wird gestört (das ist kein Typus von Tätigkeit mehr)

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