Heute im Morgenjournal sprach Steven Soderbergh über seinen neuen Film “Der Informant”. Er wundere sich nicht, dass Politiker lügen, anders können sie nicht an der Macht bleiben. Vorher hörte man ein Interview mit Thomas Wallerberger, dem stellvertretenden Vorsitzenden der ÖH.
Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Herr Wallerberger lügen möchte, aber seine Aussagen sind mehrfach unwahr.
Thomas Wallerberger im Morgenjournal.
Leider sind Studieneingangsphasen im Moment eben diese knock-out Geschichte.
Es gibt in bestimmten Fächern knock-out Prüfungen. Und es gibt an der Universität Wien, den alten gesetzlichen Bestimmungen entsprechend, Lehrveranstaltungsgruppen, die als STEP bezeichnet sind. Beides hat konzeptuell nichts miteinander zu tun. Man kann, wenn man will, jede Lehrveranstaltung zum knock-out verwenden. In beinahe allen Studien an der Universität Wien ist die STEP keine Voraussetzung für das weitere Studium.
Ab dem Studienjahr 2011 müssen verpflichtende STEPs eingeführt werden. Dazu aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage:
Aus der gesetzlichen Umschreibung der Studieneingangs- und Orientierungsphase (Abs. 1) ergibt sich, dass sie dazu bestimmt ist, den Studierenden die Möglichkeit zu bieten, ihre Studienwahl zu überprüfen. Abs. 5 verdeutlicht diesen Charakter. Die mit ihr verbundenen Prüfungen haben auf den für das Weiterstudium erforderlichen Wissenserwerb abzustellen. Sie dürfen daher nicht so gestaltet werden, dass nur einer von vornherein bestimmten Anzahl von Studierenden (quantitative Zugangsbeschränkung) das Weiterstudium ermöglicht wird
Thomas Wallerberger behauptet weiters:
Studieneingangsphasen, die das Ziel haben, die Studierenden nach dem ersten Jahr zu halbieren oder zu vierteln sind versteckte Zugangsbeschränkungen …
In Zukunft sind solche Regelungen gesetzlich nicht zugelassen. Die gegenwärtige Situation sieht so aus: die STEPs der Kultur- und Sozialwissenschaften (um mich darauf zu beschränken) müssen nicht absolviert werden, um weiterstudieren zu können. Hingegen fallen im ersten Jahr (geprüft an der Statistik für 2007/08) tatsächlich etwa ein Drittel der Studierenden weg – und zwar ohne irgendwie geartete Sanktionen im Anschluss an eine Studieneingangsphase.
Es ist unzulässig, die schon sehr lange bestehende drop-out-Quote von einem Drittel im ersten Jahr als den vergangenen, gegenwärtigen oder künftig zu erwartenden Effekt einer STEP zu bezeichnen. Man kann das als falsche Information betrachten. Der Mann sitzt im Leitungsgremium der ÖH. Er müßte es besser wissen.
Habe das Morgenjournal heute auch gehört. Für mich hat es so geklungen, als ob die ÖH nicht prinzipiell gegen Studieneingangsphasen ist, sich jedoch davon abgrenzen wollte, dass die STEP so verwendet wird, dass sie als Zugangsbeschränkung dient (was nicht gesetzeskonform sein wird – aber Papier ist geduldig).
Dass man strukturell zwischen Knock-Out-Prüfung und Studieneingangsphasen trennen muss, sehe ich ein. Es scheint mir so zu sein, dass vergangene Knock-Out-Prüfungen im Rahmen von Lehrveranstaltungen der STEP stattfinden, was dem Ruf der STEP – die ja als Orientierungsphase argumentiert wird – einfach abträglich ist. Darauf hätte man vielleicht bei Inkrafttreten der STEPs genauer schauen müssen.
Der Herr von der ÖH verzichtet auf diese Differenzierung – wahrscheinlich, weil es weniger anstrengend ist. Ein böses Wort wäre Populismus…
Lieber Herr Herbert Hrachovec,
Sie werfen mir vor zu Lügen, ich würde Sie bitten diese Behauptung noch einmal zu überdenken. Davon abgesehn, dass wahrscheinlich niemand so genau versteht, worin der große Moment der Aufdeckung besteht meinen Namen im Google einzugeben und auf die AQA zu stoßen (Ein Gremium in das die ÖH als eines der vier Mitglieder völlig transparent und legitim nominiert) möchte ich sie bitten, das Phänomen Studieneingangsphase auch in anderen Studienrichtungen zu beachten. Dafür lohnt es sich den offenen Brief von Rektor Badelt, ausgesandt an seine Studierende zu lesen (https://wu-lists.wu.ac.at/pipermail/wu-studierende/2009-November/000033.html):
Darin heißt es zur Studieneingangsphase:
“Es ist problematisch, ein Drittel des Studiums in einer Form führen zu müssen,die eher auf das Bestehen von Multiple Choice Prüfungen als auf wirklichen Wissenserwerb und persönliche Bildung ausgerichtet ist.”
Und Weiters:
“Wir streben daher in den nächsten Wochen und Monaten Veränderungen an: Wir
wollen in einer Studienreform die Studieneingangsphase in Zukunft deutlich
verkürzen, um die notwendige Entscheidung bereits früher herbeizuführen.
Und wir wollen durch Anwendung von Regeln des mit 1. Oktober novellierten
Universitätsgesetzes auch die Erlaubnis erhalten, die Studieneingangsphase
ganz offiziell (und daher auch transparent) mit einer Prüfung zu beenden,
die auch an den Kapazitäten der WU ausgerichtet ist. Sieht man sich die
Prüfungsergebnisse der Studieneingangsphase der letzten Jahre an, dann würde
das niemanden vom Studium abhalten, der/die heute schon die
Studieneingangsphase schafft. Aber Sie und wir wüssten schon viel früher,
wer erfolgreich weiter studieren kann.”
Man beachte den Verweis auf die neuen Regelungen mit der Formulierung “um die notwendige Entscheidung bereits FRÜHER herbeizuführen” und das offensichtliche Eingeständnis, dass in der Eingangsphas schon jetzt ausgesiebt wird. Badelt macht daraus keinen Hehl und das in einer nicht gerade privaten Email.