Vor einiger Zeit, als ich im Auditorium Maximum eine kurze Stellungnahme abgab, war ich verwundert. Obwohl ich laut und deutlich die Parole der Bewegung kritisierte, klopfte der ganze Saal Applaus. Meine Erklärung war: sie haben nicht richtig zugehört. Aber es scheint, ich kannte die “Gepflogenheiten des Landes” nicht.
Gestern in der Vollversammlung des Instituts für Philosophie hat ein Kollege sein Unbehagen darüber geäußert, dass in dieser Bewegung nach jedem Beitrag geklatscht wird. Das gehört sich offenbar so.
Schnell kann man den Kontakt mit den diversen Codes anderer Altersgruppen verlieren. Zur Eigenart dieses Protestes passt das Detail jedenfalls gut. Offen ist allerdings die Frage, was diese Lauterzeugung dann noch bedeutet.
Ich bin mir nicht sicher, ob der Eintrag ironisch gemeint ist. Wenn ja, bitte dieses Kommentar streichen 🙂
Wenn nicht:
Die Vermutung “sie hätten nicht richtig zugehört” ist m.E. verfehlt (und nicht zuletzt eine unnötige Herablassung?).
Der Applaus zur kritischen Äusserung im Audimax ist eher so zu erklären, dass es die postulierte “Bewegung”, an der etwas kritisiert wurde, gar nicht gibt – zumindest nicht in dem Sinne, dass sie ein Subjekt wäre, dessen “Anhänger” sich individuell angegriffen fühlen, wenn bestimmte Züge an dem kollektiven Agieren kritisiert werden (ein rares Phänomen, an das man sich wahrscheinlich erst gewöhnen muss).
Dieser Umstand bewirkt, dass es eine wirkliche Vielzahl an Subjekten gibt (die sich fast auf die Ebene der Individuen herunterbrechen lässt). Diese tragen die vom Plenum und einzelnen AGs formulierte praktische Entschlüsse mit – auch wenn sie diese selbst anders entschieden hätten. Dies könnte auf den ersten Blick als eine “Herden”-Dynamik interpretiert werden. Dieser Eindruck ist aber m.E. sehr irreführend und das bestätigt sich darin, dass interne Kritik geradezu ein Ventil ist, um dieser z.T. widersprüchlichen Ansichten Ausdruck zu verleihen.
Ganz besonders eklatant ist dies bei den so allgemein formulierten Forderungen: Eigentlich alle “Audimaxisten” (m/w), mit denen ich gesprochen habe, sind sich vollkommen des Parolen-Charakters dieser Formulierungen bewusst und sind fast peinlich berührt, wenn man versucht sie daran festzunageln; im Gegenteil zu diesen Parolen hatten diese Studierende ein sehr grosses Bedürfnis die allgemeine Formulierung dieser Punkte auf sehr pragmatische (auch kontextabhängige) Forderungen herunterzubrechen. Es gab auch diese – für den Interviewer – sehr peinlichen Interviews mit Studierenden, die dieses Bild bestätigen (im DerStandard TV glaube ich).
“Demokratisierung der Universitäten!” hat ungefähr den semantischen Gehalt von “Zurück zu Kant!” oder “Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit! [m/w?]” – er ist nicht wirklich informativ, aber er erfüllt seinen Zweck.
Die allgemeinen Forderungen zu kritisieren, weil sie “parolenhaft” rüberkommen, ist ein wenig müßig, meine ich – ein wenig wie einen Witz zu kritisieren, weil er lustig ist. Das ist genau der Zweck einer allgemeinen Forderung bzw. eines Witzes. (Kritikwürdig würde ich den Umstand finden, wenn Parolen nicht als solche erkannt würden – aber genau das ist nicht der Fall.)
Last but not least: Die Wortmeldung des Kollegen während der Vollversammlung war, glaube ich, eher auf den Umstand gerichtet, dass im Kontext des “Audimaxismus” jede Äusserung im Prinzip als einer Rückmeldung Wert empfunden wird – egal ob positiv oder negativ. Warum das so ist, weiss ich nicht. Diese sehr primitive Rückmeldungsform (“mag ich”/”mag ich nicht”) ist natürlich kein gutes Mittel in Kontexten in denen der Rückmeldungsbedarf ein wenig differenzierter ausfallen sollte. Aber genau dieser Unterschied im Umgang miteinander besteht bereits zwischen dem Plenum und den Arbeitsgruppen. Dass eine Vollversammlung in die erste Kategorie fällt, ist wohl zu entschuldigen.
Der Eintrag ist vermutlich zu kurz und darum missverständlich.
1) Der Punkt war gerade, dass ich mich mit der Vermutung “sie hätten nicht gut zugehört” getäuscht habe.
2) Die Frage entsteht, was das Klopfen bedeutet, wenn zu allen Beiträgen geklopft wird. Jedenfalls hat das nichts mit den “Subjekten” zu tun. Es ist dann eher ein Zeichen der Anerkennung, dass jemand gesprochen hat. (Das entspricht dem letzten Absatz des obigen Kommentars.)
3) Die Peinlichkeit ist wechselseitig. Mir ist die Pauschalität der Forderungen peinlich, das ist eine Reaktion. Die Reaktion auf diese Reaktion mag sein, dass diese Peinlichkeit peinlich erscheint. Dann sollte man am Anfang anfangen und die Forderungen anders fassen.
4) Ich habe mehrfach, eben wieder im “Forum”, darauf verwiesen, dass es Unzufriedenheit im Bereich der “Bildung” und der “Ausbildung” gibt. Dafür werde ich regelmäßig kritisiert. Ich hätte nicht verstanden, dass es nicht um Pragmatik geht.
5) Ich stimme zu, dass Parolen pauschal sind, dazu sind sie eben Parolen. Dennoch gibt es gute und schlechte Pauschalitäten (oder zumindest Urteile darüber). Ich habe in der letzten Übungsdiskussion zur Ringvorlesung am Institut zu begründen versucht, dass ich eine andere Parole vorgezogen hätte: “Bildung für alle, sonst gibt es Krawalle”.