In diesem Blog gibt es einen instruktiven Beitrag zu Badiou. Die Wahrheit als Ereignis. Daran anknüpfend werden hier weitere Überlegungen zu Badiou angestellt werden. Sie halten sich an den Beginn von Das Sein und das Ereignis.
Badiou beginnt mit einem Hinweis auf Parmenides. Er stellt als These vor:
- was sich darstellt ist wesentlich vielfältig
- was sich darstellt ist wesentlich eines
Die Sätze bilden “das Eingangsportal eines zerstörten Tempels”. Sie lassen sich nämlich zu einer anscheinend ausweglosen Dialektik verbinden. Nach (2) denken wir uns eines, das einer Darstellung zugrund liegt, nach (1) denken wir, dass die Darstellung sich in einem zusätzlichen Medium abspielt und dem Dargestellten jedenfalls weiteres hinzufügt. Wie kann das zusammenpassen? Das Eine verliert sich im Vielen, welches seinerseits nicht zum Einen kommen kann.
Badiou beginnt mit einer sehr stilisierten Sicht auf Parmenides. Es lohnt sich, näher hinzusehen.
Die erste Wendung Parmenides’ ist eine Erlaubnis. Wir dürfen sagen, “dass ist” (hopos estin) und “dass nicht ist nicht sein” (hos ouk estin me einai). Es ist nicht klar, wozu uns diese Erlaubnis nützt. Dass was ist? Die Diskussion, welches Subjekt zu ergänzen ist, ist lebhaft. Davon einmal abgesehen, entspricht der Erlaubnis des Parmenides auch ein Verbot. Wir dürfen nicht sagen, “dass nicht ist” und “dass nicht sein ist”. Daraus bezieht Badiou seine Paraphrase, dass – gesetzt das Eine ist – die Vielfalt nicht ist. Aber die sprachliche Konstruktion des Parmenides besagt nicht einfach, dass es den Gegensatz von Sein und nicht Sein gibt.
“dass ist” kann gelesen werden als Angabe der Form der Prädikation. Nach einem “dass” folgt ein Satz. Also: dass irgendetwas, wobei “irgendetwas” eine Proposition ist, von der uns Parmenides nur die Kopula hinschreibt. Ein Satzgehalt, kein Eines und kein Sein. Und “dass nicht ist” wäre dann weder Vielfältigkeit, noch nicht sein, sondern die negierte Prädikation, also das formale Gegenteil des behaupteten Satzes.
Ein frühes Beben.
Die vorgeschlagene alternative Sicht auf Parmenides weist direkt und bevor die Geschichte anfängt auf jene Teile des Tempels hin, die genauso alt aber keineswegs zerstört sind, und die “kürzlich” restauriert und erweitert wurden: Logik.
Badiou problematisiert, wie man “einen ontologischen Diskurs” führen kann. Und zur Beantwortung wird Mengenlehre gebraucht.
Seine erste Spielkarte: Für den ontologischen Diskurs sind – nicht so wie früher – keine Ausnahmen zugelassen; alles muss positiv zugänglich sein. Das scheint ihm sehr wichtig zu sein: Er bekundet, der Verführung einer “Ontologie der Präsenz” zu entsagen. Ich verstehe das so: Nicht durch mystische Praxis – d.h. durch Vermeiden, sich an den wichtigsten Stellen mit Sprache zu beschmutzen – möchte er erkennen, sondern argumentativ.
Gerade dann aber ist die alternative Parmenides-Auslegung interessant und desaströs zugleich für Badious Vorhaben:
Interessant, weil sie die Frage nach dem Thema eines “ontologischen Diskurses” lebendig macht: Nicht um seltsame Substantivierungen, sondern um Formen von strukturierten Sätzen könnte es bei Parmenides gehen:
“das Sein” versus “dass [… sein …]”.
Desaströs, weil damit schon zu Beginn fragwürdig wird, warum vom “Einen” und vom “Sein als Sein” gesprochen wird. Denn durch dessen Verwendung riskiert der Diskurs, doch wieder Ausnahmen für sich zu beanspruchen, sie systematisch abzusichern und andere Diskurse über die Notwendigkeit dieser Ausnahmen aufzuklären.