Buchverwertungskette

Ergänzung zum gestrigen Eintrag. Im heutigen Morgenjournal sprach der Chef der Frankfurter Buchmesse ueber die “Buchverwertungskette” zwischen Autoren, Verlegern und Lesern. Es liegt mir fern, in kulturpessimistisches Händeringen darüber auszubrechen, aber man muss sich fragen, was damit gesagt ist.

Bücher sind Waren, wie Tomaten oder Steinplatten. Das ist ein neutraler Befund, wie die Feststellung, dass Koffein gewisse Wirkungen besitzt. Ausserdem hat Kaffe einen bestimmten Preis und spielt eine Rolle in der Kaffehauskultur. (Beides ist nicht gänzlich unverbunden.)

Für Bücher und “Bildungsgüter” gilt dasselbe. Ohne vom Mechanismus der Preisbildung (!) absehen zu können, muss auch gesagt werden: was die Sache “wirklich wert ist” entscheidet sich nicht bloss im “Verwertungszusammenhang”.

Zu diesem Thema gibt es eine Radiosendung.

mobil, modular und autonom

Die “europäische Studienarchitektur”, deren Realisierung im Moment eine Priorität der Universitätsleitung darstellt, wird gerne mit den drei Attributen plausibel gemacht:

    mobil, Studierende können sich leichter im gesamteuropäischen Raum bewegen

    modular, die Planung der Curricula erfolgt in überschaubaren, mehrfach einsetzbaren Einheiten

    autonom, die Hochschulen bestimmen ihr Lehrangebot und reagieren auf die Bedürfnisse des Bildungswesens

Dagegen sieht das alte System der Aufsicht durch das Ministerium schlecht aus. Tatsächlich: wenn man es sich überlegt, ist die jahrhundertelange Kameralistik gerade in der Lehre nicht mehr zeitgemäß. Was weiß eine Behörde von den Erfordernissen der Biologieausbildung? Warum soll sie die entsprechenden Regeln erlassen?

Dennoch ist auch zu sagen, dass es sich um die xDCbertragung eines wirtschaftlichen Prinzips auf den Bildungssektor handelt. Ein Argument für die EU war immer, dass sie verbindliche trans-nationale Standards festlegt, Zölle beseitigt und den den Warenverkehr erleichtert. Für mich verbindet sich das mit dem Budapest-Erlebnis: dort dominiert mittlerweile derselbe Waren-Cluster, wie überall sonst: Heineken, Douglas, Die Erste Bank, Benneton.

Das kann leicht missverstanden werden, als wäre es ein Plädoyer für die gute alte Zeit. (“Kuschelig”, mit den Worten eines Befürworters des Bologna-Prozesses). Mein Punkt ist bescheidener. Es ist eine Tatsache, dass Denkmuster des Warenaustausches zunehmend wirksam werden. Das läßt sich nicht verhindern. Aber es empfiehlt sich, das auch beim Namen zu nennen und eine umgekehrte Aufmerksamkeit zu entwickeln. Welche Bestandteile meiner Lehre sind weder transferierbar noch zu segmentieren? (Und das sagt jemand, der seine Vorlesung ins Internet streamt.)

Herbstrunde

Nach dem Entwicklungsplan ist die nächste Station der Universitätsreform die Leistungsvereinbarung, welche das Rektorat mit dem Ministerium 2006 verhandeln wird. Sie wurde gestern im Senat von Rektor Winckler angesprochen.

Interessanterweise in Verbindung mit einem “Lehrentwicklungsplan”. Die bisher allgemeinen Ziele (Bologna) müssen konkret in neue Curricula umgesetzt werden. Dazu fehlen einstweilen die konkreten Anhaltspunkte. Ein vom Rektorat und Senat beschicktes Bologna-Team unter der Leitung von Ilse Schrittesser arbeitet an Eckpunkten für diese Umsetzung. Georg Winckler hat einen neuen Akzent gesetzt.

Er wies erstens darauf hin, dass vom Ministerium keine konkrete Auskunft zum Umgang mit den Leistungsvereinbarungen zu erhalten ist und bemerkte zweitens, dass es sich inneruniversitär um eine Angelegenheit zwischen Rektorat und Universitätsrat handelt. Für den Senat ist dabei keine Rolle vorgesehen.

Im Klartext: die Zukunft der Lehre wird über die Leistungsvereinbarungen, zwischen Rektor und Ministerium, entschieden. Wie das in die einzelnen Studien heruntergerechnet wird, ist noch nicht ersichtlich. Wir stehen – wie beim Organisations- und Entwicklungsplan – vor der Frage, welche Konsultationen dazu das Rektorat freundlicherweise mit den Angehörigen der Universität führen wird.

nach dem Gericht

Die Curricularkommission und der Senat werden nächste Woche über den Vorschlag des Rektorates zur Zulassungsbeschränkung in den Studienrichtungen Betriebswirtschaftslehre, Biologie, Phrmazie, Psychologie und Publizistik beraten und ihn vermutlich akzeptieren.

Danach überwacht ein “Frühwarnsystem” die Einhaltung eines Durchschnittwertes für Neuinskriptionen. (Er ergibt sich aus dem Mittel der letzten drei Jahre.) Sobald er überschritten wird, werden in der betroffenen Studienrichtung Auswahlverfahren wirksam. Entweder handelt es sich dabei um die Erstellung eines “Ranking” über die Prüfungsergebnisse des ersten Semesters, oder einer geblockt bis Mitte November abgehaltenen Einführungsphase. Dabei sind mindestens zwei voneinander unabhängige Lehrveranstaltungen zur Berechnung heranzuziehen.

Die Situation ist dem Vorgehen bei Fußballklubs und Ausschreibungen von Bauaufträgen vergleichbar. Es ist nicht mehr gestattet, eine Ausländerquote für Vereinsmannschaften oder eine Vorzugsregelung bei der Vergabe von Architekturprojekten festzulegen. Damit hat die Deregulierung nationaler Schranken auch den Bereich des österreichischen Bildungswesens erreicht.

Man könnte sagen: ausgezeichnet, so wird sich das Niveau der in den betroffenen Fächern Studierenden verbessern. Die Gegenposition: Kann es die Aufgabe der Bildungsinstitutionen eines Landes sein, seine Staatsbürgerinnen (m/w) dem internationalen Wettbewerb auszusetzen?

Was lesen Sie?

Im Universitätsbereich ist das nicht nur die Frage nach der augenblicklichen Lektüre. Es kann auch heissen: Welche Lehrveranstaltungen bieten Sie im nächsten Semester an. xDCber das System, mit dem diese Information an der Universität Wien verwaltet wird, ist ein Tsunami hereingebrochen.

Ich hatte die Klagen schon mehrfach gehört, aber – wie gewöhnlich – glaubt man es erst, wenn es einem selbst geschieht. Aus der “Arbeitsgruppe Computer und Philosophie” ist “Programmieren für Philosophinnen (m/w)” geworden, nur weil das im letzten Semester der Titel war. Und “Ausbildungsformen der Wissensgesellschaft” wurde zu “Ausbildungsformen der Wissenschaft”.

Es gab eine Zeit, da vergnügte ich mich damit, Wetten darauf abzuschließen, was die Redakteure aus xDCberschriften wie diesen machen würden: “Mit Hammer und sich”. (Sie erraten das Ergebnis.)

wiki evangelism

Ein gut recherchierter Artikel zur wikipedia.

“Wikipedia setzt neue Paradigmen, zeigt, was man mit dem Internet alles machen kann”, sagt Herbert Hrachovec, Medienphilosoph an der Universität Wien. Auch das deutsche Grimme-Institut honorierte das Wissensprojekt, das seit vier Jahren online ist: Beim Grimme Online Award 2005 bekam das “herausragende Beispiel kollaborativer Nutzung des Internet” gleich zwei Auszeichnungen. Die Webseite gehört zu den meistbesuchten im Netz – wohl auch, weil das Lexikon kostenlos zu verwenden ist.

Brücken

Eine Reihe von Beiträgen über das österreichische Universitätsgesetz 2002 im on-line Journal Bridges.

Austrian universities have been pushed into uncharted territory and it is far from certain whether the legislative framework which has been forced upon them will permit them to maintain their status as academic communities this side of unmitigated market forces. This is, perhaps, asking too much and, in that case, a more cynical assessment seems appropriate. Clearing away institutional memory is welcome, regardless of the quality of the new regime ? as long as the process is repeated in regular intervals.

PLUM völkerverbindend

Gert Bachmann schrieb den folgenden Bericht von der Informationsveranstaltung zum Entwicklungsplan, der letzten Donnerstag von der “Plattform Universitäre Mitbestimmung” organisiert wurde.

Am Donnerstag den 23 Juni um 19 Uhr diskutierten in der Aula des Campus im alten AKH, moderiert von Rubik (PLUM), die Repräsentanten der Leitung der Uni Wien, Winckler (Rektor) Clemenz (Senatsvositzender), Kothbauer (Universitätsratsvorsitzender) mit dem Arbeitnehmervertreter Steiner (Betriebsratsvorsitzender wiss. Personal) sowie drei Vertretern der PLUM (Hrachovec, Ille, Saurer) über die zweite Fassung des Entwicklungsplanes ihrer Universität. Dessen Bechlussfassung ist für den 1. Juli in Aussicht gestellt.

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