Die Universität Hamburg plant, nach dem Gutachten einer externen Kommission, bis zum Jahre 2012 die Hälfte ihrer geisteswissenschaftlichen Professorinnen-Stellen zu streichen. Der Österreichische Gewerbveverein findet das eine gute Idee und schreibt nach einem Bericht der “Presse”:
“Der Österreichische Gewerbeverein fordert ähnliche Richtlinien auch für Österreichs Universitäten. “Auch Österreich wäre gut beraten, seine Uni-Landschaft auf arbeitsmarktkompatible Absolventen oder vermarktungsfähige Erkenntnisse hin zu evaluieren”, erklärt der Gewerbeverein in einer Stellungnahme zum Hamburger Uni-Konzept.
Als Beispiel führt der Gewerbeverein die Studienrichtung Finno-Ugristik an der Uni Wien an. Diese könnte man “mit Sicherheit” an einer Budapester Universität effektiver studieren als in Wien.
a.o Univ.-Prof. Dr. PxE1l DerxE9ky schreibt dazu unter anderem:
Kolleginnen und Kollegen: recherchieren Sie, bevor Sie Schmarren schreiben. Schaun Sie wenigstens fünf Minuten nach, bevor Sie “mit Sicherheit dies und das” schreiben. Ein Anruf hätte genügt, um zu erfahren, dass Finno-Ugristik nicht nur ein (Magister)Studium bezeichnet, sondern ein Institut. An diesem Institut wird mehr angeboten, als ein Fach Finno-Ugristik (Info: www.univie.ac.at/Finno-Ugristik) Bspweise Ungarisch Lehramt. Hier werden MittelschullehrerInnen für die Schulen der ungarischen Volksgruppe im Burgenland und überhaupt, für Mittelschulen in Ost-Österreich ausgebildet. Und, stellen Sie sich vor, auch keinE AbsolventIn des Magister-Studiums Ungarische Literaturwissenschaft ist bis jetzt arbeitslos gemeldet.
Frau Univ.-Prof. Dr. Johanna Laakso merkt dazu an:
Auch der Gewerbeverein wäre gut beraten, sich – bevor er solche Statements abgibt – über die Tätigkeit des Institutes für Finno-Ugristik und den Wissenschaftszweig als solchen informieren zu lassen. Unser Institut, das einzige seiner Art in ganz Österreich, ist nicht nur für “Ungarisches” da, das man ja bequemer im Land der Pußta und Paprika studieren kann (sollten demgemäß alle unsere TurkologInnen in die Türkei und alle unsere AnglistInnen nach Großbritannien und Amerika geschickt werden?). Auch nicht nur für zwei weitere EU-Sprachen, Finnisch und Estnisch, sowie das Kenntnis dieser Länder und Kulturen, die ebenso in ganz Österreich auf Universitätsebene nur bei uns vertreten sind. Auch sind wir nicht nur für die Ausbildung von UngarischlehrerInnen da – diese Ausbildung gehört zu den sprachlichen Menschenrechten einer anerkannten alteingesessenen Minderheitsgruppe in Österreich (sowie vieler Zugewanderten) und ist an unserem Institut in Form
der Studienzweig Lehramt Ungarisch etabliert. Dabei geht es um die Ausbildung für das Unterrichtsfach “Ungarisch als lebende Fremdsprache” an höheren Bildungseinrichtungen, im Rahmen des österreichischen Bildungssystems – das keineswegs mit dem ungarischen kompatibel ist, so dass es von großer Ignoranz zeugt, zu meinen, man könne einfach Absolventen aus Ungarn einzuladen, die an Zahl zunehmen den Ungarischlernenden AHS, BHS etc.-Schüler in Österreich zu unterrichten.
Auf diese Entgegnung hat ein Herr Kainz vom Gewerbeverein die Chuzpe, seine Position so zu erläutern:
Erlauben Sie mir – sehr geehrte Frau Prof. Laasko, dass in der ÖGV-Aussendung der Begriff Finno-Ugristik mit jenem der xC4gyptologie durchaus austauschbar ist. Wobei ich verstehe, dass dies für Sie nicht einerlei ist!
Natürlich steht der ÖGV zur Aussage, dass Unis “arbeitsmarktkompatible Absolventen ausbilden oder vermarktungsfähige Erkenntnisse produzieren,” müssen. Wo kein Markt ist, wird auch nichts abgenommen.
Nun gut, der Gewerbeverein versteht es nicht besser. Für ihn ist zwischen Finno-Ugristik und xC4gyptologie kein Unterschied. Aber die Universitätsleitung!? Schweigt.