Zeitplan

Rektor Winckler hat gestern den Zeitmangel kritisiert, der sich bei der Umsetzung des UG2002 ergeben hat. Eine späte Erkenntnis, die daran zweifeln läßt, ob er sich jemals über die Komplexität der Aufgabe klar gewesen ist.

Er hat wohl damit gerechnet, seinen Organisationsplan per Dekret “auf die Schnelle” im Universitätsrat und Senat durchzubringen. Ohne nennenswerte Beteiligung der Betroffenen, über den Daumen gepeilt. Schon in der Dienststellenversammlung im Oktober ist deutlich gewesen, daß die Zielvereinbarungen ein massives Problem darstellen. Davon hat man 2 Monate lang nichts gehört, jetzt ist es ein prominenter Streitpunkt.

Überholspur

Das sollte man nicht übersehen: in jedem gesellschaftlichen Umsturz entstehen neue Möglichkeiten. Es ist, wie wenn im Supermarkt eine neue Kassa eröffnet wird. Wer quick genug ist, kommt schneller zum Ziel.

Davon gibt es eine negative und eine positive Lesart. Einerseits die Gewinnertypen, die ihren Vorteil wittern, andererseits ist gar nicht zu verhindern, daß ein Umbruch auch Verbesserungen ermöglicht.

Als Beispiel an der Universität Wien eignet sich der Bereich der elektronisch unterstützten Lehre. Er wäre im alten Regime sicher nicht so prominent. Da er hohen Prestigewert bietet und von einer Gruppe teamfähiger Expertinnen vertreten wird, erhält er einen überdurchschnittlich hohen Stellenwert.

Allgemeiner betrachtet scheint mir allerdings, daß der höchste Nutzen der Restauration darin liegt, die Nicht-Beteiligten zu einem neuen Anfang zu zwingen.

“unmittelbare Dienstaufsicht”

Das Rektorat hat am 9.12. einen provisorischen Organisationsplan erlassen, der ab 1.1.2004 bis zu einer definitiven Fassung gültig sein wird. Darin wird den bisherigen Institutsvorständen (m/w) die unmittelbare Dienstaufsicht zugesprochen. Ein interessanter Zug, vor allem angesicht des Umstands, daß es genau die Funktion des Institutsvorstandes (m/w) nicht mehr geben wird. Umgekehrt ist auch klar, warum das so geregelt ist: es ist verkehrt, damit den Dekanen (m/w) zu beauftragen.

Wie das in Zukunft z.B. an der juridischen Fakultät gehandhabt wird, die 193 wissenschaftliche Mitarbeiter (m/w) umfaßt, steht in den Sternen.

Ein Brief universitätsweit

Heute vormittags schickte ich einen Brief an die Angehörigen der Universität Wien:

Die universitäre Öffentlichkeit wird ein Vakuum. Die alten Strukturen
sind ersatzlos gestrichen und es ist unklar, was an ihre Stelle treten
wird. In dieser Situation erscheint es sinnvoll, bescheiden anzufangen und
einfache organisatorische Alternativen für das top down Verfahren
einzurichten, daß im Moment zu beobachten ist.

Aus diesem Grund habe ich eine Mailing List eingerichtet, die dazu dienen
kann, Erfahrungen mit der Neuorganisation auszutauschen und Initiativen
zu transportieren. Sie können sich eintragen unter:

http://philo.at/mailman/listinfo/epoche

Die Reaktion war bemerkenswert. Innerhalb der nächsten Stunden subskribierten sich über 50 Kollegen (m/w). Es war handgreiflich zu spüren, daß sie spontan auf den Brief reagierten. Franz Embacher hatte mir geraten, ein Skript einzurichten, mit dem man automatisch subskribiert wird. Es ging auch ohne, ein Hinweis auf die Dringlichkeit der Sache.

Kurier, Seite 3

“An der größten Universität des Landes brodelt es gewaltig.” Ein ziemlich korrekter Bericht von Christian Thonke im Kurier. Ein Foto von Odin Kröger, flankiert von Winckler und Kothbauer. Die Studierenden sind zwar von der Mitbestimmung weitgehend ausgeschlossen, aber die Gesetze des Journalismus (letztlich auch der Wirtschaft) verlangen, daß man nicht nur alte Männer vorzeigt.

Die Aussage “Winckler möchte 133 Institute abschaffen” ist natürlich etwas reißerisch. Es ist nur ein Typus von Organisationseinheit vorgesehen und Institute werde das nicht sein können. Aber die Frustration über den “Umbau von oben” kommt deutlich heraus. Die journalistische Unverschämtheit kommt am Ende des Artikels. Der Reporter findet es “skurril”, daß Geographen, die sich als Sozialwissenschaftler verstehen, in eine naturwissenschaftlich ausgerichtete Fakultät verfrachtet werden. Was würde er sagen, wenn er aus dem Politikressort zum Sport versetzt wird?

Jedenfalls ist jetzt publik, daß der Rektor dabei ist, sich mit dem Senat anzulegen (und umgekehrt.)

Zielvereinbarungen

Die Arbeitsleistung der Universitätsangehörigen wird in Zukunft durch sogenannte “Zielvereinbarungen” zwischen dem Leiter (m/w) der zuständigen Organisationseinheit und der betroffenen Person festgelegt. xDCber diesen Punkt wird derzeit heftig diskutiert.

Erstens ist kontrovers, in welchem Dokument diese Sache geregelt werden soll. Der Universitätsrat beschließt den “Organisationsplan”, der Senat die “Satzung” und beide Gremien hätten die Befugnis gerne für sich. Zweitens herrscht in Teilen des Mittelbaus die Befürchtung, daß die Kompetenz zu diesem Abkommen delegiert werden könnte, speziell an das funktionale xC4quivalent für Institutsvorstände, d.h. die Leiter von Subeinheiten der Fakultäten. Der Wunsch ist: je weiter weg vom Arbeitsplatz, umso lieber.

Machtkämpfe. Dabei tritt in den Hintergrund, daß eine sinnvolle Regelung nur möglich sein wird, wenn es eine sachspezifische, kooperative Verständigung über das Arbeitsspektrum gibt. Die Alternative sind Vorschriften, deren Erfolgsaussichten nicht sehr hoch sein dürften.

“erhebliche Verbesserungen”

Die Vertretung des Mittelbaus im Senat stellt zum Vorschlag für den Organisationsplan (vom 4.11.) fest, daß er erhebliche Verbesserungen für selbstbestimmte, motivierte wissenschaftliche Arbeit an der Universität bringt. Das ist schwer nachvollziehbar.

Die Beteiligung beim Auswahlprozeß für Dekane (m/w) fehlt, in Berufungs- und Habilitationsfragen und im Bereich der Lehrverwaltung ist sie drastisch eingeschränkt. Dekane werden vom Rektor eingesetzt (das war doch mal anders) und Stellvertreter ebenfalls, vorbehaltlich der Zustimmung von 25% der wissenschaftlichen Bediensteten. Ein lächerlicher Prozentanteil.

In einem Sinn wird das die Motivation zur wissenschaftlichen Arbeit allerdings steigern: möglichst schnell Professor (m/w) werden. Nur wird das wenigen gelingen. 339 Professoren stehen 1214 sonstige wissenschaftliche Bedienstete gegenüber.

12% Wahlbeteiligung

Es rächt sich jetzt, daß aus Frustration, Gleichgültigkeit und Protest bloß 12% der Mittelbauangehörigen an der Wahl der Senatsvertretung teilgenommen haben. Ihre gesetzlich verordnete Degradierung sollte nicht noch gutgeheißen werden. Der Nachteil dieser Trotzhaltung liegt darin, daß es keine nennenswerte Auseinandersetzung um die Kandidaten gab. Das mag erklären, warum sie jetzt nicht selten im luftleeren Raum agieren.

Längst hätte z.B. von Seiten der Mittelbauvertreter eine Initiative zur Information und Diskussion über den Organisationsplan angestoßen werden können. Stattdessen agieren sie im höchsten Gremium der Universität teilweise wie Anfänger. Einer überreicht dem Rektor – am Senat vorbei – ein Strategiepapier. Es kann gegen die Versuche des Senats gewendet werden, den Fakultäten eine praktikable Infrastruktur zu geben. Auf die Idee, das abzusprechen, ist niemand gekommen. xDCber die Reorganisation wird von den Mittelbauvertretern verhandelt, ohne die Betroffenen auch nur zu verständigen.

Unter diesen Umständen muß man schon dafür dankbar sein, daß es nur 2 Sitze im Senat sind.

Tauziehen

Neuigkeiten aus dem Senat. Das Rektorenteam hat sich in seinem Vorschlag zum Organisationsplan auf 18 Fakultäten festgelegt, der Universitätsrat findet das zu viel. Es entsteht die pikante Situation, daß die Zerlegung der bisherigen Fakultäten für dieses Gremium offenbar zu weit gegangen ist. Der Rektor verliert das Gesicht, wenn er jetzt seinen Vorschlag revidiert, deshalb versucht er den Senat dazu zu gewinnen, seinerseits eine Reduzierung vorzuschlagen.

Die dabei diskutierten Optionen ergeben abenteuerliche neue Zusammenstellungen. Pädagogik, Psychologie und Philosophie sollen eine Fakultät bilden, weil es ein PPP-Studium gibt. Abgesehen davon, daß das mittlerweile ein PP-Studium ist (Psychologie und Philosophie) soll also die Ausbildung für ein marginales Lehramtsstudium ein Maßstab für Universitätsgliederung sein. xC4hnlich “innovativ” ist die Idee, Mathematik, Physik und Chemie in eine Fakultät zu vereinigen.

Die Projektgruppen hatten die Vorschläge zumindest noch Über den Daumen gepeilt, jetzt sind die freien Bastler am Werk.