Lissabon-Prozess

Gestern im kleinen Festsaal der Universität Wien das 2. Forum Europäische Studienarchitektur. Ich begann meine Bemerkungen mit einem Orientierungsbild, das die Detailüberlegungen zur Bologna-Implementierung in einen weiteren Zusammenhang stellen sollte. Es geht ja nicht primär um eine neue Studienform, sondern um den Wechsel eines Paradigmas. Die “kulturstaatliche Universitätsauffassung (Hans Pechar) ist im neuen europäischen Kontext nicht mehr wirksam. Es hat einmal gereicht, ins Burgtheater zu gehen und ähnlich war es genug, einen universitären Abschluss zu besitzen. Mit Lissabon verbindet sich die Forderung, Europa solle durch eine Wissensoffensive zum weltweit dynamischsten Wirtschaftsraum werden.

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Das kann man auf die Formel bringen, dass Wissen als Lebensform (der akademische Gestus) durch die Betrachtung von Wissen als Ressource ersetzt wird. Es ist ein wichtiger und umstrittener Schwenk. In einer Hinsicht könnten sich die Universitäten darüber “geschmeichelt” fühlen, dass ihr Kompetenzfeld ins Zentrum rückt. Dagegen spricht, dass aus ihrem “Wissen” etwas anderes gemacht wird.

Rezepturen

Wie es sich in einem Blog gehört: nützlich und unterhaltsam. Die Erläuterungen zum Obatzten bereichern mein kulinarisches Spektrum. Curry? Igitt. Ich lese darin auch eine philosophische Pointe. Husserl spricht von “eidetischer Variation”. Das Wesen einer Sache kommt dadurch heraus, dass man sich vorstellt, wie sie sonst noch sein könnte – aber eben sie. Es muss (und kann auch) nicht alles eine Sache sein.

Die Fakultät für historische Kulturwissenschaften hierzulande haben für die Kombination zweier 90 Credit Points-Bakkalaureate optiert, die philologischen KWs für 120 zu 30+30 (oder anders). Nachträglich sind beide draufgekommen, dass sie einander brauchen (könnten). Dass also die Kunstgeschichte nicht nur mit einer anderen Geschichtswissenschaft zu kombinieren gut wäre, sondern auch mit Portugiesisch oder Soziologie (noch eine andere Fakultät) und dass sich dabei die Stundenkontingente multiplizieren. Es herrscht Unklarheit darüber, wie diese Kombinationsmöglichkeiten zu verwalten wären und wie ihre Kosten zu berechnen sind.

Es kommt darauf hinaus, dass die Bologna-Denkweise mit Modulen und vordefinierten Studienzielen in Kontrast zu dem Tauschverkehr steht, der bisher zwischen den “Geisteswissenschaften” üblich war. Einfach mal in einer freien Fächerkombination ein paar Stunden aus einer anderen Disziplin mitnehmen – das wird beinahe unmöglich werden.

Obatzter: Mischung: betr. Butter und/oder Quark

Ein camambert-nicht-allzusehr-aber-etwas-mehr-als-etwas-immitierender Käse und Paprika (man denke z.B. an Hauptfachinhalte und Modularisierung) gehören nach jeder Rezeptur die ich kenne zum Obatzten, aber dann wird’s variabel, sowohl was die Gewürze betrifft (ich empfehle fein gestossenen Kümmel, wenig feingestoßenen Koriander, und je nach Käse etwas Salz und Rohrzucker) als auch, vor allem – und abgesehen von der Frage ob mit oder ohne Zwiebeln und mit oder ohne Bier (ich lasse beides weg) – was die Frage “mit Butter? oder mit Quark? oder mit Butter UND Quark?” betrifft.

Jenseits eigener kulinarischer Präferenz zu letzter Frage (“Butter reichlich, aber kein Quark”): aus hiesiger Sicht scheint es anbieterseitige Gründe für einen BA mit mindestens einem (und nach mancher Ansicht gerne lieber zwei) Nebenfächern zu geben:

Man ist zu der Auffassung gekommen, dass es, um einen Hauptfach-BA (oder ein BA-Hauptfach) anbieten zu können mindestens 5 hauptberuflich Lehrende brauche. Nun gibt’s aber Fächer hier, die von weniger als 5 Profs und Mittebaulern mit erheblicher Lehrverpflichtung unterrichtet werden, und deren Weiterexistenz als durchaus im Interesse der Gesamtuniversität gesehen wird, und deren Weiterexistenz wohl erleichtert würde, wenn sie z.B. halbwegs populäre BA-Neben-Fächer anbieten könnten. Und große mögliche Vielfalt des Kombinierbaren könnte ja u.U. auch prospektive Studierende dazu bringen, der hiesigen Universität für ein geisteswisenschaftliches Studium den Vorzug zu geben, und nicht einer Universität wo X zu studieren bedeutet nichts als X zu studieren, oder vielleicht auch “X und entweder Y oder Z”, während wir hier “X und ein oder zwei der folgenden: A, B, C, D, E, F, G, …, Y, Z” anzubieten hätten. (Zum Hintergrund: auf der Sitzung am 2. Mai wurden als Zahlen für das derzeitige hier genannt: 81 Fächer die man als klassisches MA-Hauptfach (grundständiger MA) studieren kann, und 142 Fächer die man als MA-Nebenfach studieren kann.)

Keine Ahnung was draus werden wird.

Obatzter mit Curry allerdings würde wohl nicht nur mir alls jenseits der breitest möglichen Definition von “Obatzter” liegend erscheinen. Andererseits müssen ja nicht alle möglichen (und teils auch wohlschmeckenden) Mischungen von Käse und Andrem “Obatzter” heissen, tun es jetzt schon nicht, und müssen es auch in Zukunft nicht.

Begeisterung gering

Ja, die Begeisterung Über Bologna hält sich auch in Wien in Grenzen. Man muss einschränken: es gibt Studiengänge, die bereits international stark standardisiert sind und das gerne haben wollen (z.B. Informatik, Ernährungswissenschaften, Biologie). Aber in der Sitzung der ehemaligen Geisteswissenschaften, die bei uns jetzt Historische und Philologische Kulturwissenschaften sind, bin ich mit schweren Bedenken konfrontiert worden.

Ein Punkt ist auch hier die Fächervielfalt. Auf der Basis von Lehrveranstaltungen konnte man ziemlich flexibel sein Studium gestalten, wenn auch zuzugeben ist, dass das im großen Stil kaum planbar war: Hunderte von Publizistinnen stürmen die Soziologie, der die Ressourcen für die eigenen Studierenden ausgehen. Durch eine straffe, modularisierte Studienplanung gehen diese eher informellen Verhältnisse verloren. Unsere Uni-Leitung will dem mit “Servicepakten” begegnen, die man “buchen” kann. Das soll ein Hauptfach/Nebenfach-Modell ergeben, von dem aber noch niemand weiss, welche Nebenfächer (und in welchem Ausmass) zur Verfügung stehen werden.

Ein kleines lokales Detail: die historische Fakultät hatte sich für ein 2-Fächermodell entschieden, die philologische für major/minor. Dann sind sie draufgekommen, dass sie einander brauchen und mit diesen unterschiedlichen Aufteilungen nicht zusammenkommen.

Obatzter, Version 0.2

Erstmal: Danke für den “Bologna – Wien” Eintrag!

Ein paar Kleinigkeiten aus der Sitzung am 2. Mai:

– Interesse war groß, Saal so voll, dass über einen Zweittermin nachgedacht wurde.

– Begeisterung war gering: “as is” wurden kaum Vorteile gesehen.

– Das “Seminararbeitsproblem” (dass die Dinger gaaanz wenige Wochen nach Ende der Vorlesungszeit fertig und korrigiert worden sein müssen): mehrere Lösungsversuche wurden vorgeschlagen, davon vielleicht am Interessantesten: Ein Modul aus mehreren Veranstaltungen zu machen, dessen Abschlussnote allein aufgrund einer Seminararbeit gebildet wird, deren Abfassung von der Studienordnung für das auf die Zugehörigen Vorlesungen und Seminare folgende Semester vorgesehen wird. Das würde auch das Problem lösen stets einen Zweiten Prüfer herbei rufen zu müssen wenn eine mündliche Leistung (Referat) ungenügend ist; und es würde eine Korrektur und Notenvergabe durch mehrere Prüfer ermöglichen – und damit eine Barriere gegen Abwertsspiralen der Art “ich geh zu dem der am besten benotet auch wenn er oberflächlicher als andre Korretur liest” bilden.

– Die Geisteswissenschaften hier wollen einen BA aus Hauptfach und 1 bis 2 Nebenfächern (und die Studierenden sollen aus vielen davon wählen können). Aber wie bekommt man die Entsprechenden Stundenpläne hin? Wie verhindert man, dass Pflichtveranstaltungen im hauptfach nicht mit Pflichtveranstaltungen in einem von rund 140 Nebenfächern kollidieren?

– Wie hoch kann man mit Aufwandspunkten für z.B. ein Hauptseminar gehen, ohne dass die Akkreditierer nein sagen, oder sie Studierenden wegen des zu hohen Anforderungsniveaus ausbleiben?

Habe bestimmt das eine und andre interessante aus der Sitzung wg. Vergripptheit übersehen, und hoffe nicht (aufgrund andauernder Vergripptheit) hier zuviel Unsinn geschrieben zu haben.

Und überlege natürlich, ob ich nicht (als Nebenerwerb?) eine Akkreditierungsagentur eröffnen sollte (10 T EUR pro Studiengang bei allein für LMU 250 Studiengängen, falls es mit der Sammelakkreditierung oder Prozessakrreditierung nichts wird, ist gar nicht soooooooooo wenig Geld … .

Bologna München – Wien

Eine gute Gelegenheit, ein transnationales Blog zur Bologna-Diskussion auszunützen!

Um mal einen Punkt herauszugreifen, der mich aktuell beschäftigt:

Die neuen Abschlüsse müssen bis Datum X eingeführt werden. Und für jeden davon müssen ziemlich viele Gremien ziemlich viel beschließen Was aber geschieht wenn das nicht bis Zeitpunkt X geschieht (z.B. weil 2 zu beteiligende Gremien sich nicht einig werden)?

Das ist die typische speed kills-Verfahrensweise. In Wien hat die Curricularkommission in einer Nachmittagssitzung im April 29 Curricula behandelt, zu deren Erstellung etwas 2 Monate Zeit gewesen ist. Und das alles deshalb, weil Anfang Mai in den Verhandlungen mit dem Ministerium ein Erfolg auf dem Tisch liegen mußte.

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Rezepte fuer Obatzter alla Bolognese

Heute abend gibt’s hierzulande ein Treffen (2 Stunden, und im Senatssaal) ein Treffen zur hiesigen Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen in den Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften; eingeladen sind alle Hochschullehrer, Mitarbeiter und Studierende dieser Fächer.

Entweder das Interesse ist gering, oder wir brauchen drrrrrrringends einen viel größeren Senat, der dann einen größeren Senatssaal braucht … .

Davon abgesehen: bin ich bei der Durchsicht der Unterlagen zur Vorbereitung auf die Veranstaltung auf einiges gestoßen, von dem’s mich interessieren würde, wie die Rezepte andernorts sind, ob man da was lernen kann, was sich aus der Definition eines Obatzten alla Bolognese notwendig ergibt, und was lokale (und vielleicht abwandelbare) Rezeptvorschlaege sind:

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Studieren alla bolognese

Gestern fand am Campus eine von der PLUM veranstaltete Podiumsdiskussion zur Umsetzung des Bologna-Prozesses an der Universität Wien statt. Hier einige Eindrücke.

Am Podium waren sich Vizerektor Mettinger, Gerhard Clemenz (Senatsvorsitz) und Karin Glaser (ÖH) mit unterschiedlichen Akzenten darüber einig, dass dieses Unternehmen eine umstrittene Chance darstellt, die vorsichtig zu nützen sei. Konrad Liessmann akzentuierte die Einwände am deutlichsten. Kritisiert wurde das EU-Diktat, seine gesetzliche Zuspitzung in Österreich, die Konstruktion der ECTS-Punkte, die mangelnde Nachfrage nach Bakkalaurei (Fusssoldaten) am Arbeitsmarkt und das juridische Loch bei den Lehramtsstudien. Die Gelegenheit zu einer Studienreform und die Förderung der Mobilität wurden positiv hervorgehoben. Spezielles Augenmerk galt dem Kräftegleichgewicht zwischen Rektorat und Senat bei der Studienplanung. Jenes hat die finanziellen Entscheidungen zu treffen, dieser ist für die Erlassung der Curricula verantwortlich.

Was die gegenwärtige Planungssituation angeht, wurde von den Teilnehmerinnen (m/w) mehrfach die Undurchsichtigkeit und Volatilität der Verfahren beklagt. Wir unterliegen einem doppelten Systembruch. Die Umstellung der Studienarchitektur erfolgt vor dem Hintergrund des UG 2002, das keine Vorgaben für den dazu nötigen Konsultationsprozess gibt. Im Sommersemster ist ein Einreichungs-Ablauf für Curricula zwischen Rektorat und Senat akkordiert worden. Im Oktober wurde das Verfahren vom Rektorat um einen entscheidenden Faktor ergänzt. Zusätzlich zur Abstimmung zwischen informellen Initiativgruppen, Rektorat, Curricularkommission und den formellen AGs, die von der CK einzusetzen sind, ist die Studienplanung jetzt Gegenstand der Zielvereinbarungen zwischen Rektor und Dekaninnen (m/w). Der Rektor hat für Februar einen “Lehrentwicklungsplan” angekündigt, ohne zu erläutern, auf welchen Konsultations- und Entscheidungsprozessen er sich dabei bezieht.