Neues zur Exzellenz

Zur Qualitätsverbesserung der Berufungen an der Universität hat sich das
Rektorat in der letzten Version des Entwicklungsplans etwas Besonderes
einfallen lassen. Der “Entscheidungsprozess der Berufungskommission ist
in die (Forschungs-)Evaluierung der betreffenden
(Sub-)Organisationseinheit mit einzubeziehen”.

Um das zu gewährleisten ist ein innovatives Verfahren vorgesehen,
nämlich “dass die auf der Berufungsliste aufscheinenden KandidatInnen
mit jenen Persönlichkeiten verglichen werden, die zu ähnlichen
Zeitabschnitten an andere Universitäten des In- und Auslandes berufen
worden sind.”

Sehen wir einmal davon ab, dass die Vergleichsbasis schwammig erscheint.
Was wäre die Folge dieses Listen-Abgleiches? Um gute
Evaluierungsergebnisse zu erzielen, setzen die Kommissionen die
renommiertesten Personen auf die Liste. Wie jede weiss, sind das oft
Wissenschafterinnen, die sich öfter bewerben um ihren Marktwert zu
prüfen und durch Bleibeverhandlungen mehr Geld zu lukrieren.

Wir hatten an der Philosophie eben einen solchen Fall. Frau Sybille
Krämer spielte ein Jahr lang interessiert, erhielt vom Rektor
beträchtliche Zusagen – und sagte dann ab. Die gute Nachricht: da sie
auf mehreren Berufungslisten stand, verbessert das unser
Evaluationsergebnis. Die schlechte Nachricht: auf diese Weise werden
Professorinnenstellen sehr teuer und schwer realisierbar.

Jargon-Training

Der Studienprogrammleiter für Philosophie versucht seit Monaten vergeblich, 12.000.- EUR für drei Lehraufträge aufzutreiben. Auf einer anderen Front findet Anfang Oktober des Jahres die “Lange Nacht der Forschung” statt. Dort ist Evaluation aktuell. Man sollte mit den entsprechenden Formulierungen vertraut sein:

Um die Qualität der Präsentationen für die BesucherInnen der ?Langen Nacht der Forschung? zu sichern, wurden alle eingereichten Projekte einem zweistufigen Bewertungsverfahren unterzogen.

In der ersten Phase bewertete eine international zusammengesetzte Jury, bestehend aus WissenschaftskommunikatorInnen und WissenschaftsforscherInnen, die Vorschläge nach folgenden Kriterien:

    Originalität und Innovationsgehalt des Vermittlungskonzeptes

    Originalität des Themas, Bezug zum Jahresthema

    Qualität der Dramaturgie / Inszenierung

    Qualität des Raumkonzeptes, des Präsentationsformats, Interaktivität

Auf Basis dieser Bewertungen hat das Kuratorium – zusammengesetzt aus VertreterInnen von Wissenschaft, Wirtschaft, Forschungsförderung und Kommunikation ? eine Empfehlung zur Teilnahme sowie zur Aufteilung der Fördermittel abgegeben:

Die Philosophie versteht sich offensichtlich gut auf dieses theatralische Geschäft. Ihre zwei Einreichungen wurden ausgewählt und werden mit jeweils bis zu 3.000.- EUR gefördert. Das ist — für einen Tag von 17-24 Uhr — die Hälfte des Geldes, das vom SPL für die Qualitätssicherung des Studiums nötig erachtet wurde.

Derrida Über die Universität (6)

Matthias Flatscher fasst eine zentrale Pointe Derridas zusammen:

Ein/e Professor/in, die/der für Inhalte bekenntnis- und zeugenhaft eintritt, begibt sich in einen Bereich des Offenen, der nicht von einer Vorausberechenbarkeit oder Vorhersehbarkeit definiert werden kann. Sie/er darf nicht im Bereich des Möglichen, des Kontrollierbaren oder Prognostizierbaren bleiben, sondern muss das Unmögliche wagen, einen Bruch in Kauf nehmen und so das (nicht innerzeitlich zu verstehende) Kommen eines Ereignisses stets offen halten.

Dazu ein paar Bemerkungen:

    Es verwundert immer wieder, wie schulbildend die Philosophen der Inkommensurabilität (Nietzsche, Heidegger, Wittgenstein, Adorno, Derrida) wirken.

    Ebenso bemerkenswert ist der Gestus des “darf nicht”, mit dem der status quo (Verfallenheit, Kulturindustrie, Metaphysik, Logozentrismus) ausgeschlossen wird.

    So wünschenswert “das Unvorhergesehene” in bestimmten Situationen sein mag – es ist doch (nicht vergessen) kein Prinzip.

    Es wäre reizvoll, Derridas Gedanken mit Thomas Kuhn’s “revolutionary science” zu konfrontieren.

Derrida Über die Universität (5)

Ein Beispiel dafür, wie artistisch Derrida zwischen peinlichen Selbstverständlichkeiten und Unruhestiftung balanziert.

Es ginge darum, daß durch das Ereignis des Denkens, das solche Werke sind, mit jenem Begriff der Wahrheit oder Menschheit etwas geschieht, der die Charta und das Glaubensbekenntnis jeder Universität darstellt – und das heißt nicht zwangsläufig, ihn zu verrraten. (J. Derrida, Die unbedingte Universität)

Wer nicht bis zum letzten Halbsatz liest könnte das für eine aufgeblasene Umschreibung des Umstands halten, dass akademische Publikationen sich gerne mit der Berufung auf Wahrheit und Wissenschaftsfortschritt schmücken. Die Charta ist eine Konstanz, das Glaubensbekenntnis zielt auf Konstanz und das Ereignis mobilisiert diese Vorgaben.

Verrat ist die Kehrseite und die Einbeziehung des Verrates in Glaubensbekenntnisse das Metier Derridas. Die Produktion von Gedanken im Rahmen einer Charta ist nicht notwendig Verrat. Eine Pirouette.

    Ausgangsposition: einer Charta gemäß handeln

    erste Drehung: die (habituelle) Befolgung einer Charta verfehlt ihren Zweck

    zweite Drehung: aber nicht notwendig, im Geist der Wahrheit handeln heißt nicht unbedingt, von der Wahrheit abkommen

    die doppelte Drehung führt zum Ausgangspunkt zurück

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Derrida Über die Universität (4)

Schöne Worte Derridas:

Die Universität macht die Wahrheit zum Beruf– und sie bekennt sich zur Wahrheit, sie legt ein Wahrheitsgelübde ab. Sie erklärt und gelobt öffentlich, ihrer uneingeschränkten Verpflichtung gegenüber der Wahrheit nachzukommen.

Die Universität Wien entspricht dieser Vorgabe. Auch im aktuellen Entwurf zum Entwicklungsplan findet sich ein Bekenntnis zur Wahrheit.

Die Universität Wien bekennt sich zum Grundsatz der Freiheit von Forschung und Lehre. Nur dieses Prinzip garantiert Innovation über einen längeren Zeitraum. Forschung und Lehre sind der wissenschaftlichen Suche nach Wahrheit verpflichtet. Insbesondere in der Forschung sind grundlegende Erkenntnisse nicht oder nur bedingt planbar. Ziel der Planung ist es daher, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Finden von neuen Erkenntnissen fördern. Die Universität Wien will in Zukunft ihre Forschungsorientierung stärken und eine Garantin für die Durchführung von längerfristigen Forschungsvorhaben sein.

Nach dieser Präambel stehen dann ganz andere Dinge, die weniger mit Wahrheit, als mit Reorganisation zu tun haben. Das verträgt sich offensichtlich nicht schlecht.

Derrida Über die Universität (3)

Nochmals die Verteidigung des Hypothetischen:

Ohne Erfahrung des ‘vielleicht’ gibt es keine Zukunft und gibt es keinen Bezug zum Kommen des Ereignisses.

Das Denken aber dieses anderen Modus des ‘als’, ‘wenn’ und ‘falls’, dieses mehr als Schwierige, dieses Un-mögliche, das Überschreiten des Performativs … gälte es erneut in den Humanities Ereignis werden zu lassen.

Bruno Latour hat auf eine erschreckende Anwendung der Konditionalisierung hingewiesen. Die Lobby der Ölindustrie macht sich die Kritik des Ideals der Erkenntnissicherheit zunutze. Sie lanciert strategische Zweifel am Konsens der Wissenschaftler über die bevorstehende Klima-Katastrophe.

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Derrida Über die Universität (2)

Universitäten sind ein Ort der Möglichkeiten, Hypothesen und der Konditionalsätze. Sie haben die Kraft, Wirklichkeiten zu suspendieren.

Diese Grenze des Unmöglichen, des ‘vielleicht’, ‘als ob’, und ‘wenn’, ist der Ort, an dem die Universität der Realität, den Kräften des Draußen ausgesetzt ist. … Genau dort ist die Universität in der Welt, die sie zu denken sucht. An dieser Grenze muß sie verhandeln und ihren Widerstand organisieren. An ihr muß sie sich ihren Verantwortungen stellen.

Eine unter Humanisten (m/w) sehr verbreitete Position. Sie trifft auf eine Schwierigkeit. Hier ein Zitat aus der “State of the Union” Rede G.W.Bushs, 2003:

Some have said we must not act until the threat is imminent. Since when have terrorists and tyrants announced their intentions, politely putting us on notice before they strike? If this threat is permitted to fully und suddenly emerge, all actions, all words and recriminations would come too late.

Das “wenn” dient in diesem Zusammenhang der Vorbereitung der Aggression, wie die Schlagzeile in der “Sun”, der gemäß Saddam Hussein in 45 Minuten die großbritannischen Soldaten im Mittelmeer mit Massenvernichtungswaffen angreifen könnte.

Als ob — das ist keineswegs ein Monopol des prüfenden Widerstands.

spl'sches Unbehagen

Ein offener Brief zur einer Intervention der SPLs:

“der gestern verschickte Brief der Mehrheit der Studienprogrammleiterinnen
(m/w) zu den kürzlich beschlossenen Richtlinien des Senates an die
Curricularkommission spricht zentrale Probleme an und richtet sich
teilweise an die falsche Adresse.

Man kann diesen Beschluss noch skeptischer als der Brief sehen. Warum
wird eine solche Umstellung überhaupt im laufenden Betrieb vorgenommen?
Sie bedeutet immerhin, dass alle bisher eingesetzten Arbeitsgruppen
umbesetzt und neu konstituiert werden müssen. Der Grund hat nichts mit
den SPLs zu tun. Die Mehrheit des Senates war in einigen Punkten mit der
Arbeit der Curricularkommission nicht zufrieden. Die Revision wurde
nicht sonderlich gut vorbereitet und nur mit einiger Mühe durch den
Senat beschlossen. Als Vorsitzender der CK möchte ich das nicht weiter
kommentieren.

Neuralgisch ist das Verhältnis der Studienkonferenzen zu den
curricularen Arbeitsgruppen. Es ist letztlich von einer politischen
xDCberlegung bestimmt: den semiparitätisch zusammengesetzten
Studienkonferenzen sollen keine so wichtigen Befugnisse wie die
Erstellung von Curricula übertragen werden. Das ergibt in der Tat einen
eigenartigen Parallelismus, speziell durch die ressourcenfressende
Regelung, dass auch die kleinste xC4nderung eines Curriculums eine eigene
Arbeitsgruppe verlangt. (Das Argument, dass die AGs dadurch zu
sorgfältigerem Vorgehen veranlasst werden sollen, halte ich angesichts
der starken Fluktuation der Anforderungen für ausgesprochen schwach.)

An einer Stelle verfehlt der Brief den Sinn der Richtlinie und führt zu
einem Vorwurf, der ins Leere geht. Die Modalitäten der Entsendung in die
drittelparitätischen Arbeitsgruppen sind tatsächlich nicht glasklar
formuliert. Sie sind “von den Angehörigen der jeweiligen
Personengruppen” – sprich Kurien – der betreffenden Fakultät zu
beschicken. Wie das geschehen soll, ist nicht geregelt. Im Brief wird
diese Festlegung perspektivisch verzerrt:

“… dass die Arbeitsgruppen von denjenigen “Personengruppen” zu
beschicken sind, die an den Fakultäten und Zentren für die “Betreuung
des betreffenden Studiums” zuständig sind …”

Es sind nicht “jene Personengruppen”, sondern “die jeweiligen
Personengruppen” an den Fakultäten. Aber lassen wir diese Details. Der
Sinn ist einfach, dass die Kurien entsenden und darin kann ich keine
Bosheit gegenüber den SPLs entdecken.

Zuletzt, weil der Brief auch polemische Elemente enthält, eine
Gegenpolemik. Kennerinnen (m/w) der Verhältnisse lächeln über die
Vermutung, die Richtlinien seien ein Baustein im Prozess der Entwertung
der SPLs. Dazu müsste es gemeinsame Absichten des Rektorates und des
Senates geben und die sind bekanntlich rar. Ohne die Gravamina der SPLs
irgendwie leugnen zu wollen: an dieser causa sind sie nicht
festzumachen.”

Derrida Über die Universität (1)

Kann die Universität (und wenn, wie?) eine unbedingte Unabhängigkeit behaupten, kann sie eine Art Souveränität für sich beanspruchen, eine höchst eigene, eine Ausnahmeart der Souveränität, ohne das Schlimmste zu riskieren, nämlich aufgrund der unmöglichen Abstraktion dieser souveränen Unabhängigkeit sich bedingungslos zu ergeben und zu kapitulieren, sich zu jedem Preis einnehmen und kaufen zu lassen? Die unbedingte Universität. 2001. es 2238. S. 18

Derrida assoziiert zu “unbedingt”, das zunächst eine Selbstbehauptung anspricht, die “unbedingte Kapitulation”. Einer seiner genialen Tricks. Er zitiert die alte Herrlichkeit und tunkt sie tief in die gegenwärtige Auflösung. Gegen den Vorwurf, er würde die Situation schönreden, ist er durch die “Kapitulation” gewappnet. Vor diesem Hintergrund baut er den Wunschinhalt umso ungestörter auf.

Am Fakultätstag der “Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft” werde ich mit Kolleginnen und Kollegen einen Workshop zum Thema “Überleben im Universitätsbetrieb” anbieten. Hier folgen einige vorbereitende Gedanken dazu. Derrida bringt unverhohlen – freilich im Modus der Frage – die xDCberlegenheit der Philosophie zur Geltung: es handelt sich um eine “Ausnahmeart der Souveränität”. Schutzlos oder großartig, was soll es sein? Man kann es ahnen: beides.

Kammerdiener

Der Einsatz von Webseiten und eMail zur Information und Diskussion der universitätspolitischen Agenda ist ein gemischter Segen. Einweg-Mitteilungen und schöne Worte in html sind erheblich einfacher zu produzieren, als demokratische Prozesse. Dennoch kann ich es nicht lassen, der jüngste Versuch ist eine Mailing Liste Curricular-News. Sie dient der Verständigung über Studienentwicklung an der Universität Wien.

In solchen Fällen wirbt man gewöhnlich um Kooperation und appelliert an den Team-Geist. Dieses “fishing for good will” schien mir überholt. xDCberraschender Weise kommt es doch zu einer Auseinandersetzung.

Die Stimmung ist gedrückt.

Und wenn dann noch zig Gremien und Funktionsträger kreiert und aufgerufen werden, an denselben “Innovationen” zu arbeiten, bindet schon alleine der Umstand viel Energie, dass wir permanent neu abstimmen müssen, wie wo wer mit welcher Legitimation welche Entscheidungen treffen soll/darf und dies mit all den anderen ernannten MitspielerInnen koordinieren muss, um dann feststellen zu können: Die Arbeit hätte man sich gleich sparen können … (W. Datler)

Zur Illustration unserer Situation ein gestriges Erlebnis: man drückte mir das Unverständnis aus dass Leute wie wir xDCBERHAUPT die Rolle eines
SPLs übernommen haben (!), denn es sei abzusehen gewesen, daß die SPLs sozusagen (sinngemäß) Kammerdiener und nicht mehr sein werden. (M. Hesse)

Die Studienprogrammleiterinnen (m/w) könnten gewichtige Personen innerhalb der neuen Verhältnisse sein. Offenbar gelingt es nicht, sie entsprechend zu unterstützen und zu motivieren.