Qualitätssicherung

Das Wort ist in aller Munde. Es lohnt, sich die administrative Situation an der Universität vor Augen zu führen.

Das “Zentrum für Evaluation un Controlling” weist fünf zuständige Personen auf. Leiter ist der Rektor himself. (Ob das eine gute Idee ist?) Zwei Sekretärinnen stehen zur Verfügung. Je ein Referent kümmert sich um die Lehr- bzw. Forschungsevaluation. Angesichts tausender Lehrveranstaltungen und der neuen Fakultätsstruktur sind sie sicherlich mehr als ausgelastet.

Damit nicht genug. Im aktuellen Vorschlag zum Entwicklungsplan wird ihnen eine neue Aufgabe zugedacht. Sie sollen alle in nächster Zeit zu entwicklende Curricula vor ihrem Einsatz auf Kosten, Didaktik und Durchführbarkeit evaluieren.

Richtlinien dafür, wie das geschehen soll, fehlen. Das Verhältnis zum Senat, der für die Regelung der Studien verantwortlich ist, wird nicht thematisiert. Wo und wie diese Evaluationen in den Arbeitsablauf des ehrgeizigen Bologna-Projektes eingebaut werden sollen, ist offen.

Es ist zu fürchten, dass die Qualität der Qualitätssicherung unter diesen Umständen zu wünschen übrig läßt.

Großeltern und Enkel

Theoretisch wusste ich es, aber anschaulich erlebt ist es doch noch eindringlicher. Der Senat der Universität Wien besteht aus

    10 Professorinnen (m/w)

    2 Angehörigen des “Mittelbaus”

    1 Angehörigen des allgemeinen Universitätspersonals

    5 Studierenden

Bezogen auf die Größe der Personengruppen: ca. 340 Professorinnen (m/w) haben 10 Vertreterinnen, ca. 1220 Mittelbau 2 davon. Das allgemeine Personal umfasst etwa 765 Bedienstete.

Eine groteske Verteilung, die sich natürlich auf die Arbeit im Senat auswirkt. Die Stimmung ist einer Familienkonferenz zu vergleichen, an der nur die Großeltern und die Enkelinnen teilnehmen. Es gibt sicher auch 40-jährige Professorinnen, aber im Senat sitzen vorwiegend jene über 60. Ihnen gegenüber die 25-jährigen und ziemlich verloren die Vertreter der mittleren Generation, welche sich – es ist zuzugestehen – auch schon dem Seniorenstatus nähern.

Dass diese Restriktion von etwa 75% der Mitarbeiterinnen eines Betriebes nicht nur eine demokratische Untat ist, sondern auch seine Funktionsfähigkeit beeinträchtigt, liegt auf der Hand.

Universitäten ohne Ideen

Die Winter-Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift Critical Inquiry bringt einen provokanten Beitrag von Stanley Fish, einem prominenten Anglisten und Kulturtheoretiker. “Take This Job and Do It: Administering the University without an Idea”

Er knüpft an Richard Rorty und wendet sich gegen die Nostalgie nach alten Wertsystemen, die durch die Managerkaste ruiniert würden. Diese Klagen gibt es seit hundert Jahren. Die Universität war immer ein umstrittenes Terrain. Sich selbst bezeichnet er als “Macher”.

It turns out then that I am the perfect dean for the modern posthistorical university, the University of Excellence (with excellence a local matter of local judgment), the perfect dean for the university without an idea, or the university with as many ideas as you can get funding and space for. If you ask me which interpretive communities are of more value than the others and therefore should be better supported, I will be unable to say. If you ask me what underwrites or waits at the end of the rhetoric of disciplinary contest, I haven’t the slightest idea. If you ask me in the service of what do you perform your pragmatic acts of middle management, I will respond with a blank stare and a glassy eye. And if you ask me what is your theory or vision of education?the question behind all the others?I will immediately run in the opposite direction. No theory, no urgent mission, no sociopolitical cause. I do, however, have a motto, borrowed from an old TV show: Have Skills, Will Travel.

Eine gewisse Sympathie kann man dieser ehrlichen Ratlosigkeit nicht absprechen.

flache Hierarchien

Das Bildungsministerium ist nicht mehr für die Studienpläne zuständig, jetzt können die Universitäten “in eigener Verantwortung”, “rasch und unbürokratisch” ihre eigenen Entscheidungen treffen. Manchmal führt das zu großer Verwirrung.

Da die Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften aufgelöst wurde, kann man an ihr nicht mehr studieren. Nach welcher Regel sollen sich die mittlerweile anders untergebrachten Studienprogrammleiterinnen richten? Für das HuSo Doktorat waren 6 Stunden mehr, als für die anderen geistweswissenschaftlichen Doktorate vorgeschrieben (für “Forschungsseminare”). Die zentrale Kommission des Senates hob diese Regelung auf.

Der Beschluss war nicht mit den Studienprogrammleiterinnen (m/w) abgesprochen und löste heftige Proteste aus. Der Streitfall hängt in der Luft. Weder für die Beschlussfassung, noch für eine etwaige Revision, bestehen nachvollziehbare Regeln. Studienprogrammleitungen und Studienkonferenzen fallen unter die Rubrik “Vizerektorat Lehre”, die Curricularkommission ist vom Senat eingesetzt. Beide können, wenn sie wollen, endlos aneinander vorbei reden.

Ein entscheidungsbefugtes Organ, dem keine geregelten Verfahren zur Vorbereitung seiner Entscheidungen zur Verfügung stehen, ist wenig wert.

(2)

Die Zahl der Forschungsschwerpunkte hängt also, nach der Rektoratsvorlage, an der Größe, dem Alter und dem “Aggregationsniveau” der Universität. Es folgen Beispiele, die damit wenig zu tun haben. Zürich hat 38 Schwerpunkte bei 386 Professuren, Stockholm 43/378. Uppsala, gegründet 1477, hat ein Verhältnis 70/350. Das ist die “breite” Schwerpunktsetzung. Als Beispiel für eng gefasste Schwerpunkte dienen Harvard, das MIT und Oxford, bei denen die Anzahl der Forschungsschwerpunkte allerdings zumeist nicht genau zu quantifizieren ist.

Die Darstellung krankt an mindestens zwei problematischen Vorgaben. Einerseits wird der Terminus “Forschungsschwerpunkt” ungeprüft auf alle Universitäten angewendet, andererseits wird mit “full und associate professors” gearbeitet – aber das ist nicht immer möglich. Für Oxford und Leuven, wo Hochschullehrerinnen (m/w) aller Kategorien in einer Gruppe versammelt sind, liefert die Aggregationszählung andere Resultate als für Stockholm/Uppsala/MIT etc.

Das Rektorat gibt Materialien zu einem internationalen Vergleich, der aber – in diesem Rahmen – fragmentarisch und willkürlich bleibt. Nicht überraschend daher die “Konsequenz”:

Entscheidend ist nicht die Anzahl der Forschungsschwerpunkte, sondern deren Qualität.

Die Anzahl der Schwerpunkte ist in letzter Konsequenz sekundär, wendet man allerdings die Kriterien “Qualitätsmaßstäbe” und “Innovationspotenzial” an, kann dies auch zu einer Reduktion von Schwerpunkten führen.

Ich habe schon mutigere und innovativere Konsequenzen gelesen.

Zwischen dem Rektorat und dem Universitätsrat herrscht ein Tauziehen über die “Forschungsschwerpunkte” des Entwicklungsplans. Das Rektorat versteht sie als Raster zur Professoren-Zuordnung, der Rat als Beitrag zum Profil der Universität. Das sind zwei inkompatible Ansichten, im ersten Fall benötigt man eine ganze Menge, im zweiten Fall nur wenige.

Nun liegt eine Erläuterung der “Bedeutung von Schwerpunkten” durch das Rektorenteam vor. Ein sonderbares Schriftstück. Es beginnt mit einem Zitat:

The concept of an academic discipline is not altogether straightforward, in that, as is true of many concepts, it allows room for some uncertainties of application. (Tony Becher)

Da hat jemand dokumentiert, dass er Bücher liest. Was hat der Begriff einer akademischen Disziplin mit den Forschungsschwerpunkten einer Universität zu tun? Und auch die folgende Aussage trifft nicht ganz ins Zemtrum:

Die Zahl der Forschungsschwerpunkte einer Universität ist letztendlich neben der Größe und dem Alter einer Universität entscheidend durch das Aggregationsniveau bestimmt.

Erläuterung: “Ein höheres Aggregationsniveau (=> breite Schwerpunkte) bedeutet weniger Schwerpunkte”. Es wird uns also mitgeteilt, dass eine Universität eine geringere Zahl von Forschungsschwerpunkten besitzt, wenn ihr Aggregationsniveau hoch ist, d.h. wenn sie vergleichsweise wenige Schwerpunkte aufweist.

Gesichter

Die Vorteile interdisziplinärer Arbeit! Während der Vorbereitung eines Doktorandenkollegs mit Biologen und Psychologen erfahre ich, dass “das Gesicht” im Moment ein ungemein beliebter Forschungsgegenstand ist. In London sei ein Kongress eigens dazu veranstaltet worden.

Und zwar im Zusammenhang mit Neuro-xC4sthetik. Hühner essen besser, wenn das Futter von einer “schönen” Person gestreut wird. (Das also sind die “glücklichen Hühner”.) Und Neugeborene schauen länger auf Personen mit ebenmäßigen Gesichtszügen. Worauf meine Kollegin Violetta Waibel die präzise Frage gestellt stellte: “Und wie unterscheiden Sie das Schöne vom Angenehmen?” Keine Antwort.

Das Vorzeigen der Reproduktion eines Bildes von Mark Rothko, auf dem zweifellos ein Gesicht zu sehen war, erregte dann das Missfallen der Naturwissenschafter. “Von so jemandem würde doch kein Huhn ein Korn nehmen!”

Lehre: neu und anderswo, historisch

Die neue Nummer der "Zeitenblicke" (4.1, 2005-03-09) geht zwar laut Titel zu "Die Zukunft des Geschichtsstudiums:
neue Studiengänge ? neue Inhalte ? neue Ziele?", handelt aber in mehreren Beiträgen (insbes. denen von Michael Geyer zu den USA, Cornel Zwierlein zu Frankreich und Ulinka Rublack zu Cambridge) auch allgemeiner von Studienreformen anderswo. xC4hnlichkeiten und Unterschiede der Probleme sind nicht uninteressant.

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Forschungs*

Rektor Winckler hat mehrfach betont, dass Universitäten nicht über die Lehre, sondern die Forschung definiert werden sollten. Anderfalls droht das Abgleiten auf das Niveau der Volkshochschule. Gemessen daran sind die Aussagen über Forschung im Entwicklungsplan eigenartig unterbestimmt.

Es gibt Forschungsschwerpunkte. Sie dienen als Bezugspunkt der Personalplanung. In Zukunft gibt es Stellen nur über die Zuordnung zu solchen Schwerpunkten. Sie gelten für drei Jahre, sind also hochmobil. Offensichtlich zielt das darauf, weniger gewünschte (und/oder qualifizierete) Bereiche auflösen zu können. Derzeit werden 109 solcher Schwerpunkte angeführt. Ihre Zahl und Definition ist umstritten. (Interessant ist auch, dass ihre Rolle im Entwicklungsplan zwischen Rektorat und Dekanen abgeredet wurde – unter Auslassung der Fakultätskonferenzen.)

Zweitens das Forschungsprofil der Universität. Das kann natürlich nicht aus diesem Haufen von 109 Interessensbekundungen bestehen. Es dient seinerseits zur Anbindung von Professorenstellen. De facto sind es im Moment drei Doppelprofessuren und eine Tripelprofessur die zur Profilierung der Uni erwünscht sind. (eLearning zwischen Psychologie und Informatik, computergestützte Chemie, Philosophie und Geschichte der Wissenschaften sowie philologisch-sozial-ökonomische Ostasienwissenschaft). Inwiefern das ein Profil ergeben soll ist schwer zu sehen.

Die dritten im Bunde sind die Forschungsplattformen. Sie sollen innovative, internationale etc. Themen betreffen und für drei Jahre unterstützen. Was das sein und werden kann liegt im Ermessen des Rektorates. Zweifel sind angebracht, ob der gebotene Zeitrahmen zu diesem Zweck sinnvoll ist.

Terminologisch ist also die Forschung vielfach vertreten. Wie das alles zusammenpasst steht auf einem anderen Blatt. Ein Faden zieht sich freilich durch: drei Jahre. Längere Zeiträume sind althergebracht, leistungsfeindlich, immobil und überhaupt eine Erfindung der Gewerkschaft.

Bingo

Dank netbib bin ich heute auf einen Bingo-Karten-Generator gestoßen, mit dem man (statt bloß Strichlisten für [zu] häufig fallende Worte zu führen) sich Bingo-Karten anlegen kann (bei Fallen des Wortes umringeln, und wer zuerst eine Reihe oder Spalte voll hat, hat gewonnen). Habe mal eine mit dem Titel
"Hervorragend" gebastelt, und eine für Veranstaltungen zur Geistesgeschichte der Renaissance. In beiden hätte ich wohl noch mehrmals "innovativ" in die Wortlisten aufnehmen sollen … [:-^] … .