Kommerz und Meinungsfreiheit

Die on-line Berichterstattung über die Erniedrigung irakischer Gefangener durch die US-Armee hat einen makabren Beigeschmack. Wenn man sich die Fotos auf CNN oder der Webseite der Washington Post ansieht, findet man sie von Werbespots umgeben. In traditionellen Printmedien ist die erste Seite zumeist weitgehend werdefrei, aber im Web zählt der Einstieg. Also Urlaubsplanung und Militärpornographie.

Die Sache hat aber ihre Richtigkeit. CBS hat mit der Veröffnetlichung 2 Wochen gewartet, weil der Armeechef angerufen hat. Vermutlich hätte er mit etwas mehr Druck auch erreicht, dass diese Tatsachen ganz unter den Teppich gekehrt werden. Dagegen wirkt das Gesetz des Marktes. Als der “New Yorker” die Story ankündigte, liess sich CBS nicht mehr zurückhalten.

Wir sehen die Folter-Bilder wegen der Werbung, die sich auf diesen Seiten findet. Dass Skandale sich verkaufen lassen, ist in unserem System ein Garant für Informationsfreiheit.

auch anderswo

Als Gastwissenschafter in Bergen, Norwegen, entkommt man den hochschulpolitischen Umwälzungen nicht. Gestern im Institut für Wissenschaftsphilosophie im Seminarraum, bevor der Vortrag begann, hörte ich eine Geschichte, die auch in Wien aktuell werden wird. Die Immobilienpreise sind im Moment sehr hoch, das Haus wird von der Universität verkauft werden. Das Institut zieht dann an einen erheblich reduzierten Ort, in der es auch keinen Seminarraum mehr geben wird. So geht es, wenn Universitäten Wirtschaftsunternehmen sind.

Das Projektzentrum, in dem ich arbeite, ist auch ein einschlägiges Beispiel. Es gibt keine festen Anstellungen. Die Leute werden beschäftigt, soweit es Drittmittel gibt. Wenn diese ausgehen, werden sie entlassen. Man kann sich ausmalen, welche Auswirkungen das auf die Forschungsinhalte hat.

schamlos

Karl Ille beschreibt die Sparmaßnahmen im Bereich der Lehraufträge:

“Die leider bereits in der Betriebsvereinbarung akkordierte Herabsetzung der Remunerationsstufe (von Remuneration A auf RemunerationB) des wissenschaftlichen Unterrichts seitens externer Lehrender, dem von der jeweiligen Studienprogrammleitung nicht das Praedikat “besonders innovativ” verliehen wird (dieses Syntagma ist keine polemische Verknuepfung meinerseits, sondern tatsaechlich Textbestandteil der Betriebsvereinbarung) wird – falls dies wirklich so umgesetzt wird – zur Folge haben, dass die hiervon betroffene Kollegenschaft beispielsweise fuer eine zweistuendige Lehrveranstaltung (die nur “innovativ”, aber nicht “besonders innovativ” ist) statt bisher E 2.390,20 nur noch E 1.812,00 erhaelt und damit einen Bruttoverlust von exakt E 578,20 pro LV und Semester erleidet. Die nur mit einer zweistuendigen LV betrauten Kolleginnen und Kollegen verlieren gleichzeitig den Sozialversicherungsschutz, da die monatlichen Bruttobetraege von E 398,30 auf E 259,00 (x 7) reduziert werden und damit unter der Geringfuegigkeitsgrenze des monatlichen Bruttobetrags von E 317,00 liegen. Hier besteht wirklich akuter Handlungsbedarf, wollen wir nicht einfach in Kauf nehmen, dass das Institut einige seiner besten Lehrenden durch eine inakzeptable Neuregelung verliert.”

Als mehrfach für “innovative Lehre” prämierter Hocschullehrer finde ich es besonders verwerflich, das Anliegen, einen experimentellen, elektronisch unterstützten Unterricht zu fördern, auf diese Weise zur Strafaktion werden zu lassen.

die Folgen der bösen Tat

Durch eine Regelung, die dem Institut nicht mitgeteilt wurde, benutzt die Politologie hier einen Hörsaal. Wir berichteten. Die folgende Episode spielte sich eben im Institutssekretariat ab.

Ein ausländischer Student mit Verständigungsschwiergkeiten wollte unbedingt mit einer Hochschullehrerin —Name unverständlich — sprechen. Es handelte sich, wie sich nach einiger Zeit herausstellte, um eine Lehrveranstaltung der Politologie. Wir versuchten, ihm klarzumachen, dass wir die Dame nicht kennen und unzuständig sind. “Aber die Vorlesung findet doch hier statt. Ich will das jetzt von Ihnen wissen”. Unmöglich, ihm klar zu machen, dass es nicht darum ging, ihn abzuwimmeln.

Sinnliche Gewissheit

Gestern vor dem Parkhotel in Hietzing ein bewegender Anblick. Eine Gruppe von Mittelschülerinnen, hergerichtet nach allen Regeln der Bourgeoisie dieses Nobelbezirkes. Offenbar ein Schülerinnenball. Diese Sozialformation verschwindet nicht dadurch, dass man sie für überholt erklärt und/oder nicht beachtet.

Das hat eine gewisse xC4hnlichkeit mit dem Buch, das ich mir heute näher ansah, Brady Bowmans eben erschienene Studie über das Anfangskapitel von Hegels “Phänomenologie des Geistes”. Publiziert sozusagen in Hietzing (im Akademie-Verlag) und solide gearbeitet nach allen Erfordernissen des klassischen deutschen Philosophiebetriebes. Dabei jedoch von einer atemberaubenden Voreingenommenheit für Hegels unverstellte Lehre, gegen die Versuche der letzten Jahrzehnte, diesen Text mit zeitgenössischen Standards zu konfrontieren. Jeans für die Freizeit, am Ball trägt man nach wie vor Abendkleid.

Nach Bowman beginnen Hegels Ausführungen beim Absoluten, wohin sie auch münden. Der bekannte zielstrebige, unentrinnbare Bildungsprozess. Das ist als immanente Interpretation sicherlich richtig. Aber wo soll das hinführen?

Osterei zwei

Die Sonderbarkeit der Regelung, nach der Gastprofessoren (m/w) den Dekansvorschlag mitbestimmen, ist in meinem vorigen Eintrag vielleicht noch nicht deutlich genug geworden.

Vergangenes Jahr hatte ich eine Gastprofessur in Klagenfurt. Ich hielt zwei Freitag-Samstag-Blockveranstaltungen, den Rest Über Tele-Teaching. Weder kenne ich die Situation der Universität, noch die Lage der Fakultäten, dennoch bin ich in einem solchen Fall dazu befugt, dort hochrangige Personalentscheidungen zu beeinflussen. Der Klagenfurter Verantwortliche hat mich in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

In der Liste der Gastprofessoren der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften scheint ein Herr Maurice Grindberg auf. Er ist nach der einschlägigen Datenbankabfrage an der Universität Wien unbekannt. Aber er kann Dekan werden, so wie Seizo Sekine, ein Kollege aus Tokio, der hier für ein Semster lehrt. Eine solche Regelung kann nicht vernünftig genannt werden. Die wahrscheinliche Erklärung: schlampige Gesetzgebung.

Osterei

Eine nette xDCberraschung zu Ostern betrifft die UG2002-konforme Regelung der Vorschläge zur Dekansbestellung.

Dazu sind die Professoren, nicht der Mittelbau befugt. Zusätzlich aber auch die Gastprofessoren. Das heisst: Personen, die 14 Tage an der Universität lehren, können den Vorschlag, der an das Rektorat geht, mitgestalten. Zur Erstellung der Vorschläge hat sich das Rektorat an den dienstältesten Professor gehalten. Der macht das ohne weitere (veröffentlichte) Verfahrensvorschriften. Das könnte ziemlich schief gehen.

Am Beispiel der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften im Sandkastenspiel verdeutlicht: es gibt 13 Auserwählte, welche die Dekanin vorschlagen können. Davon sind 5 Gastprofessorinnen. Gesetzt den Fall, die tatsächlich hier angestellten Professorinnen haben eine 5:3 Mehrheit für bestimmte Kandidatinnen. Dann bestimmen die Gastprofessorinnen, die es nicht mehr angeht, die Mehrheiten. Es würde mich wundern, wenn das nicht irgendwo zu Komplikationen führt.

Post-Demokratie

In der gegenwärtigen Nummer des “London Review of Books” schreibt Richard Rorty von seiner Befürchtung, dass der Westen als Reaktion auf die Terroranschläge das demokratische System der letzten 200 Jahre rückgängig machen könnte. Nicht unvorstellbar sei es, dass Historikerinnen in Zukunft darüber schreiben, unter welchen speziellen Umständen eine “goldene Zeit” der Zivilgesellschaft geherrscht habe und wie sie kollabierte.

Ein wenig etwas trifft auf die Partizipation im Universitätsbereich zu. Sie ist Vergangenheit und in Kürze wird es die ersten Untersuchungen geben, wie es zu ihr gekommen ist und warum sie sich vergleichsweise einfach beseitigen liess.

Rückmeldungen

Das Büro des akademischen Senates klagt darüber, dass der Kontakt zu einigen Fakultäten praktisch abgebrochen ist. Trotz mehrerer Telefonate ist es unmöglich, Nominierungen für wichtige Kommissionen zu erhalten. Den Fakultäten wiederum sind die Kontakte zu den Instituten, die mit zahlreichen anderen Aufgaben überlastet sind, abhanden gekommen.

Das kommt daher, dass die alten Fakultäten nicht in den Prozess der Umorganisation einbezogen wurden. Entsprechend unwichtig ist es den auslaufenden Institutionen, wie die neuen zurecht kommen.

Ein anderes Beispiel fehlender Rückmeldung ist das lokale Hörsaalproblem am Institut für Philosophie. Mit Hilfe der Beteiligten hat sich jetzt aufgeklärt, warum im Hörsaal 3D plötzlich ohne weiteren Kommentar politologische Lehrveranstaltungen untergebracht wurden. Vor einigen Monaten gab es eine Absprache zwischen Vizerektor, Geographie und Politologie, in der die Geographen ihren Anteil an die Politologen weitergaben. Niemand hat an eine Rückmeldung an die Philosophie gedacht.

Ein prominentes Argument für dieses Vorgehen: kein Institut hat Anrecht auf “seine” Räumlichkeiten, sie werden nach Bedarf zugeteilt. Das klingt ja flott und ganz im Sinn verbesserter Ressourcenplanung. Aber ohne administrative Infrastruktur wird es nicht funktionieren.

Wenn die Ressourcen ohne Benachrichtigung der bisher Zuständigen verschoben werden, muss es auch einen Mechanismus geben, diese Eingriffe zu verwalten. Eine zentrale Stelle, an die man sich bei Platzmangel richten kann und die auch regelt, wer welche Schlüssel erhält und für den Betrieb der Maschinen verantwortlich und haftbar ist. Es reicht nicht aus, eine neue Ordnung zu dekretieren, ohne sich nicht darum zu kümmern, wer sie umsetzt.

industrieller Unterricht

Erich Neuwirth macht in einem Eintrag seines blogs darauf aufmerksam, dass die Einführung eines “industrial strenght” Lehrsystems (“Plattform”) an der Universität WIen eine Reihe wichtiger Fragen aufwirft. Zum Beispiel diese: was kommt dabei heraus, wenn man die Anschaffung so eines Programms in Analogie zum Inskriptions- oder Mailsystems betreibt?

In solchen Fällen ist klar, dass es sich um Software für die Massen handelt, die hauptsächlich administrative Stabilität und ein Minimum an Wartungsaufwand bieten muss. Das sind Qualitäten, die auch von der e-learning Plattform gefordert werden können. Doch diese xDCbertragung in einigen Punkten bedenklich.

Administration: zwischen Massenvorlesungen und Forschungsseminaren besteht ein riesiger Unterschied. Wie sinnvoll ist es, denselben Rahmen über beide zu spannen? Betreuungsaufwand: “Skripten über das WWW” (E. Neuwirth) kann man billiger verbreiten, als für zehntausende Euros pro Jahr. Andererseits ist ein Mercedes wie WebCT für experimentellen Ansätze überdimensioniert.

Die Steuerungsgruppe, der wir diese Entscheidung verdanken, musste ins kalte Wasser springen und hat einen viel zu grossen Anzug gewählt, in der Erwartung, dass das “Kind” da bald hineinwächst. Meine Einschätzung ist eher, dass — wenn es so weit wäre — der Anzug nicht mehr attraktiv sein wird.