Politik und Vernetzung

Angesichts der in Österreich bevorstehenden Nationalratswahlen im September ist bei mir die Frage aufgetaucht, warum man eigentlich noch nicht auf die Idee gekommen ist, die neuen Vernetzungsmöglichkeiten des Internet politisch zu nutzen; zum Beispiel für Wahlen, zur Entscheidungsfindung, zur Transparenz von Regierungsbeschlüssen, zur Feinabstimmung (oder radikalen Verwerfung) von Parteiprogrammen, zum Dialog mit den Repräsentanten, u.v.m.

Ich habe deswegen eine kleine Google-Rundfahrt unternommen und bin dabei auf einige nette Sehenswürdigkeiten gestoßen, die durch die Schlagworte “Politik 2.0”, “e-Democracy”, “e-Partizipation”, usw. bezeichnet werden. Die Links habe ich hier deponiert. In diesem Artikel möchte ich nur auf eine dieser Sehenswürdigkeiten zu sprechen kommen, die direkt mit dem engen Kontext, in dem mir die Ausgangsfrage gekommen ist, zusammenhängen:

PARTEI3: Für die kommende NR-Wahl in Österreich wurde von Anonymen Benutzern (mutmaßlich Studenten) eine Initiative “Partei3” gegründet, die den Anspruch hat 1000 Mitglieder und 2000 Unterstützungserklärungen zu sammeln, um mitregieren zu können. Das zunächst Provokante: Die Partei3 hat weder Themen noch Wahlprogramm. Sie ist eine Art Leerstelle, die von den Mitgliedern (mit mindestens 10 EUR ist man dabei) mit Inhalten gefüllt werden kann. Dadurch kann jeder (mit Internetzugang und 10 EUR) (s)einen virtuellen Draht zur Politik verwirklichen, Projekte vorschlagen, sich selbst als Spitzenkandidat aufstellen lassen, kurz: Entscheidungen treffen, die Auswirkungen auf das öffentliche Leben in Österreich haben können (wenn man das unter Politik verstehen will). Partei3 versteht sich als “basisdemokratische” Bewegung – hört man zwar gerne, braucht aber meiner Ansicht nach konkrete Umsetzungsvorschläge, um auf breiter Front akzeptiert zu werden. Dass so etwas – virtuell und wie Weber-Wulff in Hyperkult17 andeutet, auch mit Problemen – funktioniert, zeigt die Organisation von Wikipedia.

Zurück zu Partei3: Was nach einer netten, basisdemokratischen Idee erscheint, könnte sich bei genauerer Betrachtung als zu wenig ausgereift herausstellen. Innerhalb von 60 Tagen (und ohne große Vorbereitungen) soll eine Partei entstehen, die zunächst einmal für “nichts” steht außer dass sie die fixe Vorstellung hat, entweder einer Koalition mit Rot-Grün oder mit Schwarz-Grün als dritte Regierungspartei beizutreten (daher rührt wohl der Name “Partei3”). Außerdem ist fragwürdig, ob durch das Beantworten von vorgegebenen Fragen tatsächlich von Entscheidung gesprochen werden kann. Ein durchdachteres Entscheidungsfindungskonzept, das auf die Eigenheiten der Politik Rücksicht nimmt und das sowohl von Software-Architekten, Designern, Juristen, Politikwissenschaftlern und nicht zuletzt: Philosophen beleuchtet wird, wäre als Experiment (das bei Erfolg skalierbar wäre) reizvoller.

In einem der Kommentare auf der Homepage heißt es: “Wir sind am richtigen Weg, oder die Wege entstehen im Gehen “. Dem kann ich zustimmen. Eine einfache Idee kann schrittweise ausgebaut werden (ein Beispiel dazu: AbgeordnetenWatch.de). Doch ein Bedenken muss ich anbringen: Will man Wege im Gehen entstehen lassen, kommt man sehr bald zu dem Begriff “Trampelpfad”. Um zu vermeiden, dass allein die Anzahl der abgegebenen Stimmen die Entscheidungen bestimmen, ist es notwendig, die im Netz entstandenen neuen Kommunikationsformen (Wiki, Blog, Content-Management-Systeme, SocialNetwork-Analysemethoden,Mischformen davon) sinnvoll zu benutzen. Dann nämlich können Argumente durch Überlegung und Erfahrung geprüft, kommentiert, vernetzt werden. Durch gezieltes Einsetzen der Webtechnologien wird ein Überblick & eine Anylse der verschiedenen Standpunkte möglich, und auch das kann noch unverzüglich kommentiert, angezweifelt, kritisiert werden, wodurch schlussendlich so etwas wie eine Ideenevolution sichtbar und nachvollziehbar wird. Nur durch Votings kommen diese Vorzüge des Virtuellen nicht voll zum Tragen.

Es wird sich zeigen, wieweit die öffentliche Kommunikation im Cyberspace gehen wird und welche Ausmaße sie annimmt. Bis dahin nehme ich mir vor, Nutzen und Nachteil aktueller und möglicher Entwicklungen in diesem Kontext (aber nicht nur auf Politik bezogen) zu studieren, denn oft kann eine scheinbar “gute” Intention grausame Früchte treiben.

althergebracht

Noch eine Bemerkung zur “Blogologie”, genauer zur skeptisch-staunenden Verwunderung, die mich erfasst, wenn ich die angesprochenen reflektierten, technisch erweiterten und mit RSS-feeds verbreiteten Schreibformen betrachte. Vergangene Woche erhielt ich diese Mail:

Das Buch geht unverzüglich in Druck. Vertrag kommt in den nächsten Tagen. Beide Bücher werden etwa in der 29. Kalenderwoche (15.07.2008) erscheinen.

Es ist schon oft darüber geschrieben worden, dennoch eine Bemerkung. “unverzüglich” heißt hier etwas anderes, als wenn ich in einer Minute den Publish-Knopf drücke. Und auch das “Erscheinen” in der 29. Kalenderwoche hat eher etwas mit Frühlingserwachen und längerfristig angekündigten Besuchen zu tun, als damit, dass eine Mitteilung gemacht wird. Wie jetzt.

Blogoblogie

Zu den Phasen eines sich entwickelnden Blogs gehört offenbar auch eine, in der über den Blog geblogt wird. Zu dieser Phase möchte ich als Neueinsteiger mit folgenden Beobachtungen beitragen:
– der ursprünglich persönliche Blog des Herausgebers wurde einer Benutzergruppe für eigene Beiträge geöffnet, Kommentare durch Andere sind allerdings weiterhin nicht vorgesehen (also kein Forum-Charakter)
– Zielgruppe ist offenbar die Benutzergruppe selbst
– die Benutzergruppe besteht derzeit ausschließlich aus Philosphen (bzw. solchen, die es werden wollen)
– die Themen kreisen, den Interessen des Herausgebers bzw. bisherigen Alleinautors entsprechend, um (Medien-) Philosophie und Hochschulpolitik.
– Zum Thema Medienphilosophie gehört auch die Blogoblogie

multiplex

Ja, ein schöner Artikel: “Ich werde bestimmt durch das, was ich wahrnehme und womit ich interagiere. Und so kann ich über mich schreiben in angrenzenden Widerspiegelungen.” (B. Rath) Wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, an dem die Beschreibung der technischen Möglichkeiten eines Blogs fugenlos in die theoretische Beschreibung der sozialen Verflochtenheit von Personen übergeht.

blog, blogger, am bloggsten

Kleine (dekorative) Selbstreflexionen stehen PhilosophInnen immer gut zu Gesicht. Dementsprechend räsoniert auch Brigitte Rath im parapluie unter dem Titel Angrenzende Widerspiegelungen über die Charakteristika von Personal Blogs. Mehrere AutorInnen und die Vernetzung von Blogs würde wohl – in ihrem Sinne – die metonymische Würze noch verstärken. Andererseits könnte dies schon derlei Interpretationsmittel sprengen. Jedenfalls wird der hermeneutische Gabentisch stets neu bereitet und es bleibt die kryptisch beantwortete Frage „Wer bin ich? Und wenn ja: wieviele?” auch weiterhin eine philosophische Zumutung.

Arbeitsplatz

Beim Bloggen kommt man früher oder später auf die Idee, dass es nicht allzu “trocken” zugehen soll. Wie es schon in den Medien ist: Bilder dienen als Blickfang und zur Auflockerung. Man kann diese Entwicklung auch in “Quatsch” beobachten. Dazu kommt noch, dass Blogs oft persönlich gefärbt sind und entsprechendes Bildmaterial aus privaten Bereichen zur Verfügung steht.

Ein interessantes Unternehmen ist in diesem Zusammenhang Dennis Des Chenes Blog Philosophical Fortnights. Er bringt Systematik in die Bild-Aufbesserung, indem er jeden Sonntag ein Foto seiner Katze und jeden Mittwoch ein Foto seines Gartens präsentiert.

Nicht zu vergessen, er ist Philosoph. Das Blog bietet auch schöne Beiträge zu klassisch philosophischen Themen.

Das “social web” hat das Bedürfnis schon erkannt und passende Angebote entwickelt. Mit Hilfe des Plugins “Zemanta” kann sich die Autorin während des Tippens ergänzende Zitate und Bilder aus dem Netz suchen lassen. Ich bleibe einstweilen noch beim alten Stil und verwende Abbildungen aus meinem Arbeitsalltag, wie z.B. das durchgebrochene Regal des nagelneuen Medientisches, der eben am Institut aufgestellt wurde. (Foto: Günther Sednig)