Gutachten

Im Entwicklungsplan ist an mehreren Stellen davon die Rede, dass Anträge (zur Einrichtung von Forschungsschwerpunkten, Curricula etc.) begutachtet, evaluiert und qualitätsgesichert werden. Kein Wort davon, nach welchen Kriterien die Gutachterinnen (m/w) ausgesucht und bewertet werden.

Es ist die reine Willkür. Mehrere Personen arbeiteten letzten Herbst an einer Einreichung für das Bundesministerium: Transdisziplinäres Forschen. Die Anforderungsliste war lang und sehr spezfisch. Die Arbeit für den 25-seitigen Antrag nahm Wochen in Anspruch. Hier ist die Begründung der Ablehnung.

Unterzeichnet von Frau Dr. Ilse König, Leiterin der Abteilung VI/3. Das ist das Qualitätsbewusstsein des Ministeriums, welches uns die Qualitätsprüfungen verordnet.

Forschungsschwerpunkte

Der Entwicklungsplan der Universität Wien stellt die bisherige Grundlage der Stellenzuteilung auf den Kopf. Die einzelnen Fachgebiete verfügen über eine innerdisziplinäre Gliederung. In der Theologie: Bibelwissenschaft, Systematik, Geschichte; in der Germanistik: altes und neues Fach; in der Jurisprudenz Zivilrecht, Strafrecht etc. Nach diesen Erfordernissen wurden Professuren besetzt.

Nun sind wir dynamisch und sollen von Forschungsschwerpunkten ausgehen. Die sind flexibel und werden in der Regel auf drei Jahre festgelegt. Ihnen werden die Stellen zugeordnet. Das sieht dann so aus, dass die Germanistinnen eine Professur für neuere deutsche Sprachwissenschaft brauchen und sie durch deren Notwendigkeit für “Europastudien” legitimieren. Die Historiker wollen eine Professur für Zeitgeschichte und zwar für den Schwerpunkt “Diktaturen – Gewalt – Genozide”.

Die Zuteilung der Professuren auf Forschungssschwerpunkte soll einmal im Jahr überprüft werden. Die Absicht ist deutlich: gewünscht sind verschiebbare Schwerpunkte und entsprechend leicht disponible Anstellungsverhältnisse. Wenn der Schwerpunkt nicht mehr aktuell ist, in Ungnade fällt etc. will man auch die Stelle schnell streichen können.

Was sich allderdings mit den Qualitätsansprüchen spießt. Man wird internationale Qualität nicht für drei Jahre bekommen, also trotzdem mit unkündbaren Verträgen arbeiten müssen. Das wiederum führt die Orientierung an den Forschungsschwerpunkten ad absurdum. Denn dann beruft man Personen mit der Fähigkeit, für sich in regelmäßigen Abständen einen neuen Schwerpunkt zu erfinden.

Abhängigkeiten

Eben hat mich eine Bekannte um Rat gefragt. Nachdem sie ihr Kabelmodem ausgetauscht hatte, sind die Schriften ihres Mailprogrammes geschrumpft. Das erinnert an die klassische philosophische Kontroverse zwischen Hume und Kant. Eine zeitliche Nachbarschaft wird als Kausalität gedeutet. Es handelt sich aber um zwei verschiedene Kategorien.

Im Computerbereich kommt das recht häufig vor und ich unterliege selbst derselben Un-Logik. Stundenlang bastelte ich an der Druckersoftware, nachdem cups mit einem “Speicherzugriffsfehler” abgestürzt war. Es dauerte lange, bis ich draufkam, dass es die Sicherheitseinstellungen waren, die den Port blockierten. Und was soll ich Über den leise vorwurfsvollen Ton sagen, mit dem ich einem Studenten ausrichtete, dass die Verantwortung für die leere Wiki-Seite nicht bei mir liegt? (Es ist wahr, er hatte einen kaputten Server vermutet.) Die neue Version des Media-Wikis geht mit den p-Tags anders um und verhindert bei bestimmten Browsern die Darstellung inkorrekt kodierter Seiten.

Eigentlich sind das Anlässe für Toleranz und eine neue Art des Lernens von Interdependenzen.

Kompetenzen

Das UG2002 sieht für die Lehre eine schwierige Kompetenzverteilung vor. Neue Studienrichtungen sind ausdrücklich vom Senat einzurichten. Der hat damit die Curricularkommission beauftragt. Aber das Rektorat verfügt über das Geld und die strategischen Ressourcen (und Interessen) zur Gestaltung des Lehrprofils der Universität.

Das zeigt sich gut im vorliegenden Entwurf zum Entwicklungsplan. Dort ist das Programm der Umstellung auf “die europäische Studienarchitektur” ausgeführt, ohne dass es darüber nennenswerten Kontakt mit dem Senat gegeben hätte. (Im Unterschied dazu wurden die Fakultäten bei der Erstellung ihrer Forschungsschwerpunkte wohl involviert.) Dafür gibt es eine Empfehlung über das weitere Vorgehen.

Als Plattform für den Diskurs über die Entwicklung von Programmen bieten sich die Studienprogrammleitungen und Studienkonferenzen an; … Die konkrete Ausarbeitung der Curricula erfolgt durch die von der Curricularkommission eingesetzte(n) Curriculararbeitsgruppe(n).

Die Studienprogrammleitungen als Plattform? Die Konferenzen vielleicht, aber wer befasst sie damit? Und wie ist ihr Verhältnis zu den Arbeitsgruppen? Schon ist zu sehen, dass es die ersten Diskrepanzen zwischen Bologna-kritischen Studienkonfrenzen und eigens zum Zweck der Bakkalaureatserstellung eingesetzten Arbeitsgruppen gibt. In jeden Fall entziehen sich beide der Steuerung durch das Rektorat. Wir haben also eine offizielle Richtlinie, der entsprechend die Universität durch “forschungsgeleitete Lehre” charakterisiert sein soll. Es fehlen aber die Strukturen, es transparent mit ihren Angehörigen – die es ja realisieren müssen – zu besprechen.

Ballettgedanken

Heute brachte ORF 1 einen Bericht über Schwierigkeiten mit der Regelung des Ruhestands im Ballettcorps der österreichischen Staats- und Volksoper. Die Damen und Herren beginnen mit 15 Jahren und haben mit ca. 40 Jahren das Ende der Berufslaufbahn erreicht. Früher, als sie noch Teil der Bundesverwaltung waren, konnten sie in Pension gehen. 25% ihres Gehaltes war in die Pensionskasse eingezahlt worden. Jetzt werden sie nach ASVG wie alle anderen Arbeitnehmerinnen (m/w) behandelt und sind daher automatisch 20 Jahre arbeitslos.

Ich musste daran denken, dass die Verwandlung der Universitäten in eine Art Betrieb eine Reihe ähnlicher Härten und Sinnwidrigkeiten mit sich bringt. Zum Beispiel gibt es an der Universität Wien 2.500 externe Lehrbeauftragte mit ausgesprochen divergenten Aufgabengebieten. Sie sind jetzt für 2 und mehr Stunden die Woche angestellt und Teil des Unternehmens. Sie wählen beim Betriebsrat mit (das ist der Grund des Erfolgs der GAKU-Plum_Liste).

Das Verhältnis der “Externen” zur Universität ist unterschiedlich. Hier ist die Vereinbarung der Gehälter und der Beschäftigungsprofile. Einerseits ist das eine ökonomische Transaktion, andererseits bietet sie einen Erfahrungsaustausch und bietet Prestige, das schwer zu quantifizieren ist. Beim Neujahrskonzert dürfen die Puppen tanzen, das liebt die Nation, aber bitte keine Frühpension. Der Abbau der externen Lehrbeauftragten ist absehbar.

Oxford: Exzellenz nur für Privat-Unis?

Lord Patten (Kanzler der Uni Oxford) überlegt, dass Universitäten nur exzellent sein könnten wenn sie nicht im Öffentlichen Sektor sind: "Can we be world-class – can anyone be – without being privately funded as well as an independent institution, like the Ivy League universities?". — so wie ich’s lese ohne jeden Enthusiasmus die Frage mit ja zu beantworten.

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Gebühren, Geld und Humboldt

In der Bundesrepublik Deutschland hat’s gestern eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben, die es den Bundesländern ermöglicht über die Einführung von Studiengebühren (bzw.: neuere hiesige Terminologie: Studienbeiträge) zu entscheiden, und somit derlei einzuführen. Das Urteil ist nachzulesen unter URL http://www.bverfg.de/entscheidungen/fs20050126_2bvf000103.html.
Die “offiziellen” Reaktionen waren weit überwiegend positiv (cf. e.g. IDW).
Aber ein Teil meiner Studiernden denkt darüber nach, das Studium an den Nagel zu hängen wenn’s ab kommendem Wintersemster 500 EUR mehr kostet.

Und am Montag hatte in H-OEH ein thread zu Geld und Online-Ausbildung begonnen,
in dem u.a. gefragt wurde “At what point
does higher education become so commercialized that it loses its
meaning? Where is the line, and how can we know when somebody has
crossed it?”.
Ich habe darauf mit einer Stellungnahme geantwortet, von der ich offen zugebe, dass sie eine wohl extreme Position ist (unsere Studenten sind uns so nützlich, dass wir sie eher bezahlen statt abkassieren sollten). Piotr Boltuc hat darauf (unzustimmend) geantwortet. Ich kann ihm in vielem zustimmen, bin aber dennoch nicht zu der Einsicht gekommen, dass Studiengebühren bzw. Studienbeiträge für uns (und unsere Studiernden) eine gute Sache sind. Wenn H-OEH so funktioniert wie ich’s mir erhoffe, so wird morgen voraussichtlich irgendwo hier ein Link zu der Antwort auftauchen, die ich eben geschickt habe um meine derzeitige Zustimmmung und Nichtzustimmung zu erläutern.

Bin ich der einzige hier, der Ansichten zu Studiengebühren hat? Wie sind andernorts die Erfahrungen damit?

Kontaktkomitee

Für Aussenstehende: das sind die Mittelbauvertreter im Senat, zusammen mit den Kuriensprecherinnen des Mittelbaus an den Fakultäten. Gestern gab es das monatliche Treffen.

Gerhard. F. Ecker, einer der beiden Senatsmitglieder, formulierte das Dilemma so: Wenn es nach den Rückmeldungen ginge, die er auf mehrfache Aufrufe und Bitten erhält, müßten an der Universität ideale Zustände herrschen. Alle sind “zufrieden”. Es sei recht schwierig, unter diesen Umständen Initiativen zur Veränderung zu setzen.

Tatsächlich herrscht weitgehend Ruhe, nur sporadisch unterbrochen von – vornehmlich privat mitgeteilten – Zeichen des xC4rgers und der Frustration. Einige Dekane haben im Entwicklungsplan Beiträge aus den Fakultäten nicht berücksichtigt, die im Organisationsplan vorgesehenen “Anhörungen” haben oft nicht stattgefunden. Niemand hat deswegen Protest laut werden lassen.

Meine Analyse: wie in allen Revolutionen wurde auch durch das UG 2002 ein Potenzial freigesetzt. Abgesehen von den Professoren alten Stils konnten auch dynamische, öffentlichkeitswirksame und phantasievolle Kolleginnen (m/w) ihre Position verbessern. Zweitens ist eine beträchtliche Anzahl politisch motivierter Kolleginnen (m/w) degradiert worden und in die innere Emigration verschwunden. Dazwischen scheint es wenig Ansprechpartner zu geben.

Die Versammlung gestern könnte man vielleicht mit einem kirchlichen Vergleich beschreiben. Die Bischofskonferenz fährt eine Linie des Neo-Konservativismus (mit menschlichem Gesicht). Sie hat es zu verantworten, dass ihr die Gläubigen abhanden kommen. Das Kontaktkomitte schien mir gestern wie das Forum “Wir sind Kirche”. Eine Gruppe, die an die Mitbestimmung an der Universität glaubt, während das Rektorat die Universitätsmitglieder aus der Politik verscheucht.

Lehrvergütung

Im Entwicklungsplan der Fakultät für Lebenswissenschaften – einem sehr wortreichen Dokument – ist zu Beginn die Rede davon, dass die Universität in den vergangenen 30 Jahren nach dem Muster eines demokratischen Staatswesens organisiert war — jetzt aber industrielle Großbetriebe zum Vorbild hat. Das ist zumindest deutlich und ungeniert. Die Universität ist aber leider weit entfernt von diesem Ideal.

Zum Beispiel wäre es in einem Großbetrieb unwahrscheinlich, dass die Abteilungsleiter untereinander darüber uneins sind, was sie für gleiche Dienstleistungen zahlen und dass die Betriebsleitung untätig zusieht.

In einer Betriebsvereinbarung vom November 2004 sind die verschiedenen Typen externer Lehraufträge und ihre Vergütung festgelegt, Eindeutig wird zwischen wissenschaftlicher Lehre und diversen weniger anspruchsvollen Einsätzen unterschieden. Dann gibt es auch eine Kategorie für Personen aus der Wirtschaft und dem öffentlichen Leben, die eine solche Aufgabe aus Prestigegründen übernehmen und für die Universiät zu teuer wären. Sie erhalten einen bloßen Anerkennungsbetrag.

Was einen Studienprogrammleiter nicht daran hindert, sein knappes Budget dadurch zu strecken, dass er für wissenschafltliche Lehre den “Spesenersatz” des zweiten Typs vorsieht und darauf verweist, dass er ja gar keine externe Lehre vergeben müsse.

Dazu muss man wissen, dass die Studienprogrammleiterinnen gar keine Finanzhoheit besitzen und in ihrer Gebarung auf Wort-, Sach- und Personalspenden vom Rektorat angewiesen sind.

In der Wirtschaft ist das Verhältnis von Honorarprofessorinnen zu freien Mitarbeiterinnen kein Problem.