geschicktes Abwägen

Heinrich C. Kuhn hat auf meine gestrigen xDCberlegungen zum “unpraktischen” Grundzug der Philosophie mit dem Hinweis auf Petrarca reagiert. Tatsächlich habe ich die Tradition des kontinentalen mainstreams des letzten Jahrhunderts im Auge gehabt. Die Arbeitsteilung zwischen Technik und Reflexion ist da viel weiter fortgeschritten, als zu Beginn der Neuzeit.

Die nette Point ist natürlich, dass in der Medienphilosophie wieder auf frühere Umstände zurückgegriffen werden kann. In der klassischen Tradition fühle ich mich mehr oder weniger verpflichtet, etwas über den Unterschied von Archiv und Datenbank zu sagen. Das sind wohldefinierte Begriffe und es muss möglich sein, aus ihrer Explikation Orientierung zu gewinnen.

Aber die Umstände sind nicht so. Sie verwischen sich zusehends. Das bringt Unruhe und neue Impulse in die Begriffswelt.

Fehlerquellen

Gestern beim “Computerbasteln” eine bedenkenswerte Situation. Ich versuchte, mit einem Programm, dessen Funktionsweise mir noch unklar ist (transcode), ein Videofile von einem Format ins ein anderes zu bringen (mpeg -> mov). In solchen Situationen freut man sich ja schon, wenn etwas läuft und nimmt das Produkt als Beweis dafür, dass es passt.

Aber natürlich ist das erst zu überprüfen. Also lade ich das mov-File in ein Video-Verarbeitungsprogramm, von dem ich annehme, dass es mit diesem Format umgehen kann (cinelerra). Siehe da: die Videospur ist vorhanden und auch die Tonspur sieht normal aus. Jedoch: kein Ton. Also ist doch etwas schief gegangen (wie so oft zuvor) —

Irrtum, inzwischen hatte ich ein Systemupdate durchgeführt und dadurch war die Lautstärke der Soundkarte auf Null gesetzt worden. Solche Situationen kommen im Handwerksbetrieb ständig vor, in der Philosophie werden sie fast niemals thematisiert. Unsicherheiten, die nicht prinzipiell zu lösen sind, sondern durch geschicktes Abwägen situationsrelevanter Faktoren.

Ungleichgewichte

Die derzeitige Angleichung der Universitäten Österreichs an Wirtschaftunternehmen ergibt eine Anzahl von Unstimmigkeiten.

  • Lehrbeauftragte sind “im Betrieb” angestellt. Also müssen sie auch mitbestimmten können. Aber es ist unklar, unter welchen Bedingungen sie wählen dürfen und wie sie Prüfungen abhalten sollen, wenn sie (nach Ablauf des Lehrauftrags) in keinem Dienstverhältnis mehr stehen.

  • Die Universität ist ein “Unternehmen” von unvergleichlicher fachlicher Breite. Wie wird dort das Projektgeld gehandhabt? In Wien gibt es einen zentralen Stab zur Verwaltung sämtlicher Drittmittel-Gelder. Das funktioniert bisweilen äußerst zäh und ist von der Konzeption her geradezu sozialistisch.

  • Die Angestellten erhalten ihr Geld für eine Mischung aus Forschung, Lehre und Verwaltung. Wenn die Universität ihr Lehrangebot planen will, bräuchte der Vizerektor für die Lehre eine extra Budgetzuweisung. Das ist jedoch nicht aus dem allgemeinen Personalbudget herauszurechnen.

  • Eine gesellschaftliche “Leistung” der Universität ist die Vergabe von akademischen Graden. Traditionell werden die Gepflogenheiten der jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen befolgt. Aus unternehmerischer Sicht gehört das gestrafft und überwacht. Das führt dazu, dass die Studienpräsidentin daran denkt, sich für alle Doktorate zuständig zu erklären. Wirkich ein weites Feld.

Adaptionsschwierigkeiten? Es dürfte sich eher um einen Systembruch handeln.

Projekt-Gedanken (2)

Was für eine Arbeit ist das Schreiben eines Projektentwurfes? Jedenfalls unterscheidet sie sich deutlich vom Verfassen eines wissenschaftlichen Beitrags.

Ministerin Gehrer hat vor einiger Zeit der jüdischen Kultusgemeinde Projektunterstützung angeboten. Darauf die Antwort: die Stelle eines Rabbiners ist kein Projektposten. Das hätten die Geldgeber gerne, die Disponibilität der Geförderten, sodass sie beim nächsten Budget schmerzlos gestrichen werden können.

Entsprechend der Inhalt der Entwürfe: orientiert an den jeweils aktuellen Themen. Das ist sicher nicht ganz verkehrt und mit Medienphilosophie ist man derzeit ganz gut im Rennen. Dennoch hat das einen Haken. Das Ausmanövrieren der eingespielten Wissenschaftskultur zugunsten externer, undurchsichtiger Einflüsse. “The character of the market at any given time is determined by the configuration of dominant forces that participate in it.” ((Pithamber R. Polsani) Z.B. der Österreichische Gewerbeverein. Der Zwang, aus Grundlagenforschungen und Reflexion ein verkaufbares Paket zu schnüren.

Es ist eine schwieriges Thema, weil es umgekehrt nicht darum gehen kann, die zweckfreie Weisheit zu zelebrieren.

Projekt-Gedanken

In unbekümmerter Direktheit schreibt Pithamber R. Polsani in seinem Beitrag Network Learning (erschienen im Passagen Verlag, Wien) über die neuen, nach-aufklärerischen Perspektiven der Wissensgesellschaft. “The goal of acquiring learning was the realization of spirit, life, and emancipation of humanity”. Heute ist das Ziel “to add value to human abilities expressed as labor”.

Das klingt noch neutral, aber die Arbeit erhält ihren Wert vom Markt.

The market, unlike the narratives of emancipation and speculative spirit, which are valid for long durations, is in a constant flux shifting rapidly from one configuration to the other.”

Das hat eine direkte Nutzanwendung auf meine Arbeit der letzten Woche. Einen Projektantrag zu verfassen ist ein gutes Beispiel des mittelfristigen Engagements. Die Finanzierung der Forschung ist auseinandergerissen. Auf der einen Seite eine Grundversorgung, die mit Wissenschaft so umgeht wie mit der nationalen Fluglinie. (Es ist peinlich, wenn man kein Aushängeschild/keinen Nobelpreis hat.) Auf der anderen Seite das Glücksspiel von Projektanträgen, deren wichtigste Eigenschaft darin besteht, dass sie in Kürze wieder auslaufen.

Die Nachkriegsgeneration ist in den Genuss langfristiger, großzügiger Berufschancen gekommen. Leider hat sie dabei die Möglichkeiten der nachkommenden Wissenschaftlerinnen merklich eingeschränkt. Die müssen jetzt Projektanträge schreiben, während man früher – wenn man einen Sponsor gefunden hatte – recht einfach eine Lebensstellung ergattern konnte.

Eröffnungsbilanz

Gestern schrieb Karl Gruber im Standard einen klugen Kommentar zum gegenwärtigen Budgetkonflikt zwischen Regierung und Rektorenkonferenz.

Wenn die Universitäten schon nach dem Muster von Wirtschaftsunternehmungen konzipiert werden, müssen vergleichbare finanzielle Regelungen gelten. Insbesondere kann man ihnen Aufgaben nur in Abhängigkeit vom Budget zumuten. Es gibt keine “Weltklasseuniversität” ohne Investition. Ohne Studienbeschränkungen wird sich bei sinkender AUsstattung nur xC4rger ergeben.

Der Sündenfall der Rektoren, denen die Beseitigung der ungeliebten Gremienuniversität nicht schnell genug gehen konnte, bestand darin, dass sie bereit waren, ihre Betriebe mit erheblichem Defizit zu übernehmen. Ein Jahr später beginnen sie sich öffentlich zu beschweren.

“Universität Wien 2010”

Gestern hat das Rektorat die Eckdaten veröffentlicht, die der Entwicklungsplanung der Fakultäten zu Grunde liegen werden. Ausserdem einen Fragenkatalog, in dem die Fakultäten Gelegenheit haben, ihr künftiges Profil zu bestimmen. Interessant ist z.B., dass an der juridischen Fakultät mehr Frauen als Männer im “nicht-habilitierten Mittelbau” beschäftigt sind. An der Fakultät für Lebenswissenschaften übersteigt der Frauenanteil bei den Drittmittelangestellten jenen der Männer deutlich. (Ob es wirklich, wie im Statistikblatt ausgewiesen, in der Fakultät für Sozialwissenschaften keinen einzigen männlichen Drittmittelangestellten gibt?) Insgesamt ist die Universität in den oberen Rängen aber nach wie vor eine Männerbastion.

xDCber diese Vorlage ist noch einiges zu schreiben. Eine erste Unfreundlichkeit für die Philosophie enthält er jedenfalls.

Vor zwei Jahren gab es eine Evaluation, die im Tenor recht positiv ausfiel. Dazu fand ein Gespräch mit Rektor Winckler statt, das auch protokolliert wurde. Das Protokoll hätte, nach den vom Rektorat selbst festgelegten Regeln, ans Institut geschickt und dort gegengezeichnet werden sollen. Das ist nicht geschehen. Seit 2002 steht dieser Prozess. Im jetzt erstellten Rektoratsapapier findet sich allerdings eine Version dieses Protokolls wieder. Zwei Jahre sind mittlerweile vergangen und die Verantwortlichen denken sich nichts dabei, eine veraltete Unterlage ohne jede Rückfrage als Planungsvorgabe an die Fakultät zu schicken.

Briefverkehr

Dienstag dieser Woche erhielt ich die erste Mail einer offenbar neu
eingerichteten Mailing List webct-lehrende. Sie begann:

Sehr geehrte Lehrende der Universität Wien,

zu Beginn des Wintersemesters 2004 erhalten Sie anbei neue Informationen über die Entwicklung der Lernplattform der Universität Wien, WebCT Vista.

Mailing Listen dienen der Kommunikation und erlauben in der Regel den
Austausch von Erfahrungen. Also benutzte ich die Gelegenheit zur Frage,
ob es schon jemandem gelungen sei, in WebCT Pakete eines bestimmten
Standards (SCORM) einzuspielen. Darauf kam die Mitteilung:

Ihre Mail an ‘WebCT-Lehrende’ mit dem Subject/Betreff
SCORM
wird zurueckgehalten, bis der Listenmoderator Ihre Email genehmigt.
Der Grund, weshalb eine Genehmigung erforderlich ist:
Der Absender oder die komplette Liste ist auf moderiert geschaltet.
Entweder wird Ihre Email in Kürze freigegeben und über die Liste
verteilt, oder Sie erhalten eine Mitteilung über eine Ablehnung durch
den Moderator.

Und wenig später die Ablehnung:

Ihre Anfrage an die Mailingliste WebCT-Lehrende
Veröffentlichung Ihrer Nachricht betreffend “SCORM”
wurde vom Listenmoderator mit folgender Begruendung abgewiesen:
“[Kein Grund angegeben]”
Fragen oder Kommentare richten Sie bitte an den Listenadministrator:
webct-lehrende-owner@lists.univie.ac.at

Nun, diesen Hinweis konnte ich nicht unbeantwortet lassen:

Guten Tag,

ich finde es weder transparent, noch höflich, mich ungefragt auf eine
mailing list zu setzen, deren Zweck und Kommunikationsregeln nicht
erläutert werden.

Speziell wäre es sinnvoll gewesen, gleich am Anfang darüber aufgeklärt
zu werden, dass es sich offensichtlich nicht um ein Diskussions- und
Fragemedium handelt, sondern um ein Vehikel für Ankündigungen eines
Projektteams.

Dass Sie meine Frage an die Liste, von deren Zweck ich nichts wissen
konnte, begründungslos zurückweisen, passt ins Bild.

Mit freundlichen Grüßen,

Eine Antwort steht noch aus.

Spracheinstellungen

Nochmal zu der Spracheinstellung von Lernplattformen. Der WebCT Chat ist durch die deutsche Einstellung abgeschossen worden. Beispiele für die Barbarismen der gegenwärtigen deutschen Benutzerführung habe ich hier schon einige gebracht. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, wie es andere Produkte handhaben.

Gestern habe ich ATutor installiert. Das kommt (natürlich) in Englisch. Man holt sich von der Webseite einen german language pack (unter vielen) und installiert ihn dazu – fertig.

Um ehrlich zu sein: so einfach ging es nicht. Das Dokument wurde zwar in die Plattform Übertragen, aber die Sprachoption nicht angezeigt. Nach einer kurzen google-Suche stellte sich heraus, dass es einen Fehler im Chache-Managment gab, der so und so zu reparieren ist.

Die Lehre daraus: die Sprachverwaltung muss modularisiert sein und mit einfachen xDCbersetzungslisten von System-Variablen arbeiten. Wenn man es selber machen kann, gibt man es auch gerne weiter. Statt eines undurchsichtigen Kompaktprogramms tut es auch eines, in dessen Datenbank man auch als lokaler Administrator leicht eingreifen kann.

typo3

Im Bereich der eLearning-Plattformen ist die Auseinandersetzung zwischen open source und kommerziellen Lösungen zugunsten WebCTs ausgegangen. Ein grauenhaftes pidgin zwischen Englisch und schlechtem Deutsch erwartet die Benutzer (m/w):

“Es wurden keine Inhaltsdateien erstellt. Verwenden Sie die unten stehenden Steuerelemente zum Erstellen einer/eines neuen Inhaltsdatei.”

“Only SCORM modules that contain gradable content for which Schülers are assigned a grade …”

“Meine Noten:
Sie haben momentan keine neuen Noten.” (will sagen: Notizen: “You can access your notebook by clicking the Notes icon from the Course Toolbar.”)

Aber es ist auch Positives zu berichten. Die Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit kümmert sich unter anderem um die Abstimmung der Homepages der Fakultäten. Und siehe da: sie empfehlen Typo3. Da kann sich der ZID etwas abschauen.

Es macht ja auch wirklich Sinn. In einer halben Stunde ist eine typo3-Instanz aufgesetzt. Man kann es ausprobieren, man hat massenhaften Benutzerinnensupport am Internet, beträchtliche Synergien sind die Folge. Während der ZID seine (nach einigen Mühen erstellte) WebCT-Installation wieder abbauen musste, weil die Firma nur dann Garantie gewährleistet, wenn sie die Kontrolle behält. (Vergleiche: Bücher lesen nur nach Genehmigung von IBM.)