nach dem Gericht

Die Curricularkommission und der Senat werden nächste Woche über den Vorschlag des Rektorates zur Zulassungsbeschränkung in den Studienrichtungen Betriebswirtschaftslehre, Biologie, Phrmazie, Psychologie und Publizistik beraten und ihn vermutlich akzeptieren.

Danach überwacht ein “Frühwarnsystem” die Einhaltung eines Durchschnittwertes für Neuinskriptionen. (Er ergibt sich aus dem Mittel der letzten drei Jahre.) Sobald er überschritten wird, werden in der betroffenen Studienrichtung Auswahlverfahren wirksam. Entweder handelt es sich dabei um die Erstellung eines “Ranking” über die Prüfungsergebnisse des ersten Semesters, oder einer geblockt bis Mitte November abgehaltenen Einführungsphase. Dabei sind mindestens zwei voneinander unabhängige Lehrveranstaltungen zur Berechnung heranzuziehen.

Die Situation ist dem Vorgehen bei Fußballklubs und Ausschreibungen von Bauaufträgen vergleichbar. Es ist nicht mehr gestattet, eine Ausländerquote für Vereinsmannschaften oder eine Vorzugsregelung bei der Vergabe von Architekturprojekten festzulegen. Damit hat die Deregulierung nationaler Schranken auch den Bereich des österreichischen Bildungswesens erreicht.

Man könnte sagen: ausgezeichnet, so wird sich das Niveau der in den betroffenen Fächern Studierenden verbessern. Die Gegenposition: Kann es die Aufgabe der Bildungsinstitutionen eines Landes sein, seine Staatsbürgerinnen (m/w) dem internationalen Wettbewerb auszusetzen?

Was lesen Sie?

Im Universitätsbereich ist das nicht nur die Frage nach der augenblicklichen Lektüre. Es kann auch heissen: Welche Lehrveranstaltungen bieten Sie im nächsten Semester an. xDCber das System, mit dem diese Information an der Universität Wien verwaltet wird, ist ein Tsunami hereingebrochen.

Ich hatte die Klagen schon mehrfach gehört, aber – wie gewöhnlich – glaubt man es erst, wenn es einem selbst geschieht. Aus der “Arbeitsgruppe Computer und Philosophie” ist “Programmieren für Philosophinnen (m/w)” geworden, nur weil das im letzten Semester der Titel war. Und “Ausbildungsformen der Wissensgesellschaft” wurde zu “Ausbildungsformen der Wissenschaft”.

Es gab eine Zeit, da vergnügte ich mich damit, Wetten darauf abzuschließen, was die Redakteure aus xDCberschriften wie diesen machen würden: “Mit Hammer und sich”. (Sie erraten das Ergebnis.)

wiki evangelism

Ein gut recherchierter Artikel zur wikipedia.

“Wikipedia setzt neue Paradigmen, zeigt, was man mit dem Internet alles machen kann”, sagt Herbert Hrachovec, Medienphilosoph an der Universität Wien. Auch das deutsche Grimme-Institut honorierte das Wissensprojekt, das seit vier Jahren online ist: Beim Grimme Online Award 2005 bekam das “herausragende Beispiel kollaborativer Nutzung des Internet” gleich zwei Auszeichnungen. Die Webseite gehört zu den meistbesuchten im Netz – wohl auch, weil das Lexikon kostenlos zu verwenden ist.

Brücken

Eine Reihe von Beiträgen über das österreichische Universitätsgesetz 2002 im on-line Journal Bridges.

Austrian universities have been pushed into uncharted territory and it is far from certain whether the legislative framework which has been forced upon them will permit them to maintain their status as academic communities this side of unmitigated market forces. This is, perhaps, asking too much and, in that case, a more cynical assessment seems appropriate. Clearing away institutional memory is welcome, regardless of the quality of the new regime ? as long as the process is repeated in regular intervals.

PLUM völkerverbindend

Gert Bachmann schrieb den folgenden Bericht von der Informationsveranstaltung zum Entwicklungsplan, der letzten Donnerstag von der “Plattform Universitäre Mitbestimmung” organisiert wurde.

Am Donnerstag den 23 Juni um 19 Uhr diskutierten in der Aula des Campus im alten AKH, moderiert von Rubik (PLUM), die Repräsentanten der Leitung der Uni Wien, Winckler (Rektor) Clemenz (Senatsvositzender), Kothbauer (Universitätsratsvorsitzender) mit dem Arbeitnehmervertreter Steiner (Betriebsratsvorsitzender wiss. Personal) sowie drei Vertretern der PLUM (Hrachovec, Ille, Saurer) über die zweite Fassung des Entwicklungsplanes ihrer Universität. Dessen Bechlussfassung ist für den 1. Juli in Aussicht gestellt.

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Neues zur Exzellenz

Zur Qualitätsverbesserung der Berufungen an der Universität hat sich das
Rektorat in der letzten Version des Entwicklungsplans etwas Besonderes
einfallen lassen. Der “Entscheidungsprozess der Berufungskommission ist
in die (Forschungs-)Evaluierung der betreffenden
(Sub-)Organisationseinheit mit einzubeziehen”.

Um das zu gewährleisten ist ein innovatives Verfahren vorgesehen,
nämlich “dass die auf der Berufungsliste aufscheinenden KandidatInnen
mit jenen Persönlichkeiten verglichen werden, die zu ähnlichen
Zeitabschnitten an andere Universitäten des In- und Auslandes berufen
worden sind.”

Sehen wir einmal davon ab, dass die Vergleichsbasis schwammig erscheint.
Was wäre die Folge dieses Listen-Abgleiches? Um gute
Evaluierungsergebnisse zu erzielen, setzen die Kommissionen die
renommiertesten Personen auf die Liste. Wie jede weiss, sind das oft
Wissenschafterinnen, die sich öfter bewerben um ihren Marktwert zu
prüfen und durch Bleibeverhandlungen mehr Geld zu lukrieren.

Wir hatten an der Philosophie eben einen solchen Fall. Frau Sybille
Krämer spielte ein Jahr lang interessiert, erhielt vom Rektor
beträchtliche Zusagen – und sagte dann ab. Die gute Nachricht: da sie
auf mehreren Berufungslisten stand, verbessert das unser
Evaluationsergebnis. Die schlechte Nachricht: auf diese Weise werden
Professorinnenstellen sehr teuer und schwer realisierbar.

Jargon-Training

Der Studienprogrammleiter für Philosophie versucht seit Monaten vergeblich, 12.000.- EUR für drei Lehraufträge aufzutreiben. Auf einer anderen Front findet Anfang Oktober des Jahres die “Lange Nacht der Forschung” statt. Dort ist Evaluation aktuell. Man sollte mit den entsprechenden Formulierungen vertraut sein:

Um die Qualität der Präsentationen für die BesucherInnen der ?Langen Nacht der Forschung? zu sichern, wurden alle eingereichten Projekte einem zweistufigen Bewertungsverfahren unterzogen.

In der ersten Phase bewertete eine international zusammengesetzte Jury, bestehend aus WissenschaftskommunikatorInnen und WissenschaftsforscherInnen, die Vorschläge nach folgenden Kriterien:

    Originalität und Innovationsgehalt des Vermittlungskonzeptes

    Originalität des Themas, Bezug zum Jahresthema

    Qualität der Dramaturgie / Inszenierung

    Qualität des Raumkonzeptes, des Präsentationsformats, Interaktivität

Auf Basis dieser Bewertungen hat das Kuratorium – zusammengesetzt aus VertreterInnen von Wissenschaft, Wirtschaft, Forschungsförderung und Kommunikation ? eine Empfehlung zur Teilnahme sowie zur Aufteilung der Fördermittel abgegeben:

Die Philosophie versteht sich offensichtlich gut auf dieses theatralische Geschäft. Ihre zwei Einreichungen wurden ausgewählt und werden mit jeweils bis zu 3.000.- EUR gefördert. Das ist — für einen Tag von 17-24 Uhr — die Hälfte des Geldes, das vom SPL für die Qualitätssicherung des Studiums nötig erachtet wurde.

Derrida Über die Universität (6)

Matthias Flatscher fasst eine zentrale Pointe Derridas zusammen:

Ein/e Professor/in, die/der für Inhalte bekenntnis- und zeugenhaft eintritt, begibt sich in einen Bereich des Offenen, der nicht von einer Vorausberechenbarkeit oder Vorhersehbarkeit definiert werden kann. Sie/er darf nicht im Bereich des Möglichen, des Kontrollierbaren oder Prognostizierbaren bleiben, sondern muss das Unmögliche wagen, einen Bruch in Kauf nehmen und so das (nicht innerzeitlich zu verstehende) Kommen eines Ereignisses stets offen halten.

Dazu ein paar Bemerkungen:

    Es verwundert immer wieder, wie schulbildend die Philosophen der Inkommensurabilität (Nietzsche, Heidegger, Wittgenstein, Adorno, Derrida) wirken.

    Ebenso bemerkenswert ist der Gestus des “darf nicht”, mit dem der status quo (Verfallenheit, Kulturindustrie, Metaphysik, Logozentrismus) ausgeschlossen wird.

    So wünschenswert “das Unvorhergesehene” in bestimmten Situationen sein mag – es ist doch (nicht vergessen) kein Prinzip.

    Es wäre reizvoll, Derridas Gedanken mit Thomas Kuhn’s “revolutionary science” zu konfrontieren.