EU Blues

Es ist sicherlich unfair, das Auftreten der beiden EU-Repräsentanten beim gestrigen Internet-Summitt zu vergleichen. Martin Bangemann ein alt-verdienter, pensionierter Politiker der ersten Stunde und Martin Selmayr, ein junger, sachkundiger Jurist der Brüssel-Partie. Dennoch gibt es ein Voruteil wieder, das man auch eine wirksame politische Einschätzung nennen kann.

Bangemann spricht Über die Geschichte, die Ideale und ihr teilweises Scheitern. Ein wenig nostalgisch, aber durchaus fair gegenÜber den geänderten Bedingungen. Er kritisiert u.a., dass es im Vorschlag der EU-Verfassung kein Ausstieg-Szenario gegeben hat. Man bekommt mit, dass es hier um den Lebensinhalt einer Generation gegangen ist. Dagegen der – sicherlich befähigte – Bürokrat, der Über die in Vorbereitung befindliche Fernsehrichtlinie referiert und auf die Frage nach Fernsehgebühren nur die kurze Auskunft “liegt im Ermessen der Länder” parat hat. Was nicht mit den gleichen Bedingungen am Markt zusammenpasst, die er vorher vertrat.

Projektmanie

Im Vergleich zum Gießkannenprinzip, nach dem die Fakultäten und Institute früher ihre Mittel erhalten haben, scheint mir die Regelung über Projekteinreichungen zielführender. Das Geld geht dorthin, wo sich jemand die Mühe gemacht hat, einen Antrag zu schreiben. Damit wird zumindest das “tote Seelen”-Phänomen verhindert. Wie z.B. ein mir bekanntes Ludwig Boltzmann-Institut, das bereits seit Jahren leerläuft.

Neue Schwierigkeiten entstehen. Statt auf einen Organisationsraster stützt sich das neue Verfahren auf Selbstdarstellung. Eben lese ich einen Antrag, den ich mit den beschriebenen Verhältnissen vergleichen kann. Er ist atemberaubend überzogen. Alles wird angepriesen, nichts ist bereits vorhanden. Er ist aber hervorragend abgefasst, also wird es die Mittel geben, zumindest einige Ziele zu realisieren. Was dann im nächsten Antrag wieder schöngeredet werden kann. Es erinnert an den Aktienmarkt und seine Boom-Phasen.

Plötzlicher Ausfall

Im Seminar “Ausbildungsformen der Wissensgesellschaft” diskutieren wir zur Zeit Über die “Zumutung”, in einer philosophisch-pädagogischen Veranstaltung TCP-Protokolle zu behandeln. Ein kleines Beispiel dazu.

Mehrfach berichten Studierende, dass sie in einer Lernplattform, oder im Wiki, etwas beitragen wollen – wenn sie auf “Absenden” drücken, verschwindet der Text aber in den Orkus. Mir war längere Zeit nicht klar, was das Problem ist, mittlerweile bin ich draufgekommen, dass es sich in der Regel um ein timeout darum handelt. Die Schreiberinnen lassen sich zu lange Zeit, ihren Beitrag zu Überlegen und sind dann ausgeloggt.

Natürlich kann man dem mit einem einfachen Tipp begegnen. Aber die Sache ist doch reichhaltiger. Es geht um eine Besonderheit der InformationsÜbertragung im digitalen Raum. Man tippt eben weder in die Schreibmaschine, noch in die Textverarbeitung.

Objekt- und Metasprache

Ein Thema heute in der Vorlesung: Streit auf der Objektebene und Toleranz in Distanz dazu, auf der Metaebene. Das ist mit dem Thema Reflexion verbunden und schwierig zu behandeln, weil es einerseits logisch-technisch, andererseits bewusstseinstheoretisch gesehen werden kann. Ich hatte es auch bloss als Problem genannt, dann sah ich auf die Datenprojektion:

Die Metasprache (html-Kennzeichnung) mit der Objektsprache vermischt, weil eine eckige Klammer fehlte. Der “unsaubere” Verschnitt der beiden Ebenen, die so funktionieren sollten:

Beamtenmentalität

Aus dem Kommentar zur vorigen Eintragung:

die Behauptung, daß ohne “Abstecher” im Umgang mit Beamtentum nichts (oder recht wenig) geht, ist eher eskapistisch…

Untergräbt man durch die Berufung auf die eigene Integrität (und damit die Schaffung einer “Ausnahmeregelung” für einen selbst) nicht den Rechtsstaat?

Ein Beispiel: im Moment laufen Einreichungen für “Initiativkollegs”, d.h. Doktoratsprogramme mit bis zu 12 Studierenden. Dafür müssen eigene Curricula erstellt werden. Ich bin dabei, mit Kolleginnen ein solches Kolleg auszuarbeiten und werde gefragt, was über das Curriculum im Antrag stehen soll. Als Mitglied der Curricularkommission weiß ich (ich habe es vergangene Woche vorgeschlagen), dass die Curricula erst nach Genehmigung des Projekts, in Abstimmung mit den anderen Programmen, erstellt werden.

Müßte ich dieses Wissen für mich behalten? Das scheint sehr rigoros. Eine bessere Antwort bietet sich an: ich werde die Diskussion der Curricularkommission möglichst weit publizieren.

Im xDCbrigen ist die Optik durch den Beamtenstatus von Hochschullehrerinnen tatsächlich etwas verzerrt. So reicht eine Linie von kleinen Betriebsagenden direkt zum “Rechtsstaat”.

Gewissenserforschung (2)

Auf der einen Seite die korrekten, im Gesetz und innerhalb der Universitätsorganisation vorgesehenen Abläufe: die Kompetenzen sind verteilt und die Kanäle zwischen Betriebsrat, Universitätsleitung, Universitätseinrichtungen und der Öffentlichkeit allgemein folgen einem festgelegten Muster. Von oben nach unten gibt es e-Mails und eine Reihe verschiedener Steuerungselemente. Umgekehrt einige Beratungsgremien juridisch festgeschriebener (Senatsvertretung) und freiwiller (“Kontaktkommittee”) Art.

Zwei zusätzliche Faktoren verwischen diese Regeln. Erstens ist ziemlich viel Sand im Getriebe des Verwaltungsablaufs. Zuständigkeiten wechseln, Fragen werden nicht beantwortet, Entscheidungen hin- und hergeschoben. Zweitens finden sich “Funktionäre” simultan auf mehreren Ebenen wieder: z.B. als Senatsmitglied, Betriebsrätin, SPL oder PLUM-Mitglied. Es ist nicht einfach, die jeweiligen Kommunikationsumgebungen voneinander zu trennen. Und wie gesagt: es besteht die Versuchung zu “Abstechern”. Wenn jemand in Ausübung der Funktion A eine Person trifft, von der er im Rahmen der Funktion B etwas haben möchte, wird es knifflig.

Es ist ein altes Thema des politischen Engagements. Die Gewerkschaftsfunktionäre bei VW sollen von der Betriebsleitung “eingekauft” worden sein, “Verräter”, die “mit den Chefs unter einer Decke stecken”. Kann man sich dagegen einfach auf die persönliche Integrität berufen? Wie zulässig/zuverlässig ist diese Selbstbeurteilung?

Gewissenserforschung

Im Betriebsausschuss wird darüber geklagt, dass in einer Sache seit Monaten keine Auskünfte zu bekommen sind, obwohl sie der Personalvertretung rechtlich zustehen. Am nächsten Tag treffe ich die betreffende Zuständige auf der Strasse und zögere kurz. Dann spreche ich sie an und erwähne den Ärger. Ich erhalte ein Versprechen, dass es eine Reaktion geben wird.

Ist das in Ordnung? Oder korrupt? Sicherlich hat das Verhalten eine intrigante Note. Man bedient sich einer Information aus dem einen Kontext, um einer “Feindin” einen Tipp zu geben. Verteidigung: die aufgebrachte Stimmung im Betriebsausschuss war auch verdächtig. Was spricht dagegen, etwas zu unternehmen, das eine schnellere Problemlösung bewirkt?

Radiosendung

Morgen 13h sendet Radio Orange, FM 94.0 ein Gespräch, das ich mit dem Vorsitzenden des Universitätsrates Max Kothbauer, dem Dekan der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften Peter Kampits und der Vorständin des Instituts für Philosophie Elisabeth Nemeth letzte Woche geführt habe.

Es geht um die Ökonomisierung des Universitätswesens im UG 2002. Max Kothbauer argumentiert entschieden dafür, dass die beteiligten Philosophinnen (m/w) quasi das Gras wachsen hören.

Die Sendung wird anschliessend auf Audiothek als mp3-Dokument zur Verfügung gestellt werden.

Natur

Ein Argument, das gerne gegen gender-spezifische Lehrveranstaltungen angeführt wird: “Was ist an Sternen, Steinen, Zellen, Primzahlen … geschlechtsspezifisch?” Auch gestern im Senat war das ein Thema. Ich verwies darauf, dass es um eine grundlegende Eigenschaft der Wissenschaften ginge. Daran knüpfte sich ein berührendes Gespräch.

Ein Kollege fragte, wie das im Hinblick auf die Naturwissenschaften gemeint sein künnte. Unsicher (ach hätte ich doch mehr davon gelesen) begann ich zu erklären, dass im Experiment ein Herrschaftsanspruch steckt und dass die analytische Methode etwas zerstören muss, bevor sie es erkennt. Mit Bauchweh wartete ich auch die Reaktion.

Zu meiner Überraschung war die Antwort: Ja, das sei ganz klar. Die Wissenschaft hätte die Hände besser vom Atom- oder Zellkern gelassen. Tatsächlich sei die Vergewaltigung der Natur ein wichtiges Problem. Nur: was hätte das mit gender mainstreaming zu tun.

Der Rest war einfach.