Transaktionskosten

Eine kluge Bemerkung, die ich gestern gelesen habe: Wikis reduzieren die Transaktionskosten für Information praktisch auf Null. Als Beispiel kann man meinen eben im ORF erschienen Text zu Toleranu und Krieg zitieren. Der braucht einen großen Apparat, Büros, Werbung und Renommee, damit er unter die Leute kommt. Es dauerte einen Tag, und das war wegen der Aktualität sehr rasch. Wenn ich den Beitrag im Vergleich dazu ins Wiki gestellt hätte, wäre er ohne Zeitverzug und administratives Overhead erschienen.

Man sieht daran allerdings auch, dass es nicht so einfach ist. Die Publizität im ORF ist größer, die Zeit, die ich in den Erwerb der Kenntnisse in Systemverwaltung investiert habe, muss man auch dazunehmen. Interessant ist jedenfalls die Frage, wie sich Verbreitung von Inhalten in Wikis (“impact”) zu jener in den konventionelleren, trägerenn Publikationsformen verhält.

schnell schnell

Nehmen wir an, die Universität Wien will einen Lehrgang über Klimawandel anbieten. Es gäbe ein Gesetz, das die Absolvierung eines solchen Kurses für Kraftwerkbetreiber vorschreibt. Die Universitätsleitung und das Institut für Klimaforschung haben Interesse, den Plan möglichst schnell zu realisieren. Hier ein Szenario.

Wenige Tage vor der Beratung des Entwurfes durch eine entscheidungsbevollmächtigte Kommission wird die Vorlage des Lehrgangs eingereicht. Es gibt kaum Zeit, sie vorweg zu prüfen. In der Sitzung stellen sich einige gravierende Fehler heraus. Wenn nicht entschieden wird, ist ein halbes Jahr verloren. Als Kompromiss einigt man sich darauf, einen Umlaufbeschluss über die korrigierte Variante herbeizuführen.

Drei Tage darauf kommt die neue Version. Sie ist entsprechend adaptiert. Es ist ein Freitag, bevor die Sachbearbeiterin für eine Woche auf Urlaub geht. (Sonstiges Personal fehlt.) Vorher schickt sie das Papier noch zur Beschlussfassung aus. Es enthält jedoch, wie sich bei der Lektüre am Wochenende herausstellt, neue Fehler. Was jetzt? Wenn niemand einspringt, ist das Projekt zunächst einmal vom Tisch.

Freundlich, wie Universitätsangehörige nun einmal sind, springt jemand ein und verständigt (am Sonntag) die Einreicherinnen. Die modifizieren den Entwurf nochmals und schicken ihn am Montag der hilfsbereiten Person, die ihrerseits eine nächste Runde der Begutachtung in die Wege leitet. Notgedrungen wird sie damit die Stelle, bei der die Zustimmungen zum Lehrgang gesammelt werden. Wollen wir hoffen, dass ihre Freundlichkeit so lange anhält, dass sie das Weitere veranlasst.

Warum tut man sich das an? Warum ist das an der Universität Wien so organisert? Kann das auch beim Bologna-Prozess passieren? (You bet!) Ist das bloß Fiktion?

einstmals

Es ist schon wieder ein halbes Jahr her, aber die Erinnerung an die unerfüllten guten Vorsätze ist doch ganz nützlich, vor allem, wenn sich in nächster Zukunft die Ereignisse Überstürzen. Extrakt aus dem Senatsprotokoll der Jänner-Sitzung:

… die nachfolgende Diskussion Über die Tätigkeit der Bologna Task Force. … Auftrag an diese Arbeitsgruppe …, wie sie in einer Power Point Präsentation des Rektorats im März 2005 vorgestellt wurde. Noch in einer Besprechung Mitte Juli wurden die Aufträge ?Ausarbeitung eines Rahmenplans für die Umsetzung der Europäischen Studienarchitektur? und ?Erstellung der Richtlinien? mit einem Zeitplan versehen. Auf Vorschlag der Senatsvertreter in dieser Arbeitsgruppe wurde eine Befragung der Fakultäten durchgeführt, an Hand der erhaltenen Informationen hätte der Rahmenplan erstellt werden sollen. Dies wurde aber von der Projektleitung nicht weiter verfolgt. Die Fragen waren zu wenig konkretisiert und fokussiert bzw. wurde keine entsprechende Auswertung vorgenommen. Als Richtlinien wurden sodann Anfang Oktober als erstes Ergebnis ein Arbeitsbehelf vorgelegt. Ein Rahmenplan als Ausgangspunkt für die Zielvereinbarungen wurde von der Projektleitung nicht erarbeitet.

Katrina

In seiner Jännersitzung ist der Senat mit dem Rektorat übereingekommen, die (auf den Zielvereinbarungen zwischen Rektor und Dekaninnen aufbauende) Erweiterung zum Entwicklungsplan in einem zeitlich geregelten Prozess an der Universität breit zu diskutieren. Diese “roadmap” liegt nun vor und wird vermutlich nächste Woche auf der Homepage des Senates (und des Bologna-Büros) veröffentlicht.

Bis zum 17.2. ist die Rektoratsfassung der Erweiterung “Lehre” des Entwicklungsplans versprochen. Zusätzlich soll es ein Konzept für die Einrichtung von Servicemodulen geben. Bis zum 31.3. ist Gelegenheit, diese Vorlagen in Fakultäts- und Studienkonferenzen zu behandeln und die Ergebnisse an Rektorat und Senat zurückzuleiten. Voraussichtlich am 6.4 wird der Senat dann eine Stellungsnahme abgeben.

Damit ist ein – wenn auch knapp bemessener – Spielraum für Meinungsbildung und Verbesserungen/Korrekturen auf der Basis des Rektoratspapiers gegeben. Dramatisch, um nicht zu sagen atemberaubend, sieht es allerdings auf der Seite der Umsetzung aus.

Damit jene Studienrichtungen, deren xDCbertritt in die Bologna-Architektur im WS 2006/07 der Senat Anfang April befürworten soll, auch die dazu nötigen Curricula erhalten, müssen diese de facto Mitte März von den zuständigen Curricular-AGs beschlossen sein und dürfen keinen Fehler enthalten, der die augenblickliche Weiterverarbeitung behindert. Diese Weiterbearbeitung selbst (durch die Curricularkommission, die SPLs, die
Dekanate, das Rektorat und den Universitätsrat) muss ihrerseits rapide und fehlerlos erfolgen. Angekündigt sind mindestens 19 Curricula, für deren Erstellung teilweise noch nicht einmal eine Curricular-AG beantragt ist. Die Ressourcen zur Abwicklung dieses Vorgangs im Senatsbüro belaufen sich im Moment auf eine Arbeitskraft mit 20 Wochenstunden.

Sie haben richtig gelesen: im März einreichen und im April den Rahmen gutheißen, nach dem eingereicht werden soll. Seitens der betroffenen Studienrichtungen und der Curricularkommission erwartet man einen Akt des vorauseilenden Gehorsams. Der Hurrikan ist prognostiziert, wir richten schon mal Notunterkünfte ein.

powertalk

Freitag in der Vorlesung kam die Rede auf ernsthaftes Sprechen. Das sei der Zweck jeder Kommunikation. Ich antwortete mit einer kleinen Episode aus dem Donnerstag-Treffen von Senat und Universitätsrat. Dort hatte ich einen Beitrag zum ggw. Stand der Lehrentwicklung zu halten und es ging darum, deutlich zu machen, dass die Gespräche zwischen Rektorat und Dekanen, in denen die Sache derzeit festgelegt wird, die Betroffenen nicht einbeziehen.

Das hätte man im gewöhnlichen Jargon der Mitbestimmung sagen können, als Klage über ein weiteres Beispiel der Missachtung demokratischer Prinzipien. Aber ich lasse mich ungern auf diese Prägung festlegen. (Was auch ein Problem ist: wenn es wahr ist, soll man es sagen.) Jedenfalls beschrieb ich es so: Der Plan des Rektors trägt den Kodenamen “powertalk”. Die Aufmerksamkeit war geweckt. Offenbar war das nicht der Name des Plans, wie unverschämt ist also die Bezeichnung? Wie groß ist die Chance, durch die Verzerrung hindurch eine Sache mitzuteilen, auf die man sonst kaum gehört hätte?

Mit dem kleinen Bonus, dass powertalk ja etwas Positives ist, das sich nur für die Zuhörer (m/w) im Kontext in Kritik verwandelt. Das kann man Rhetorik, auch im bedenklichen Sinn, nennen; oder ein ästhetisches Moment der Kommunikation. Es weist auch darauf, dass die richtige Wortwahl Sachbezüge eröffnen und freihalten kann.

Lehrentwicklung, Beispiel Slawistik

Die vom Rektorat gewählte Vorgangsweise, der entsprechend Rektor und Dekan über die Studiengestaltung verhandeln und die Vertreter der Fachwissenschaften bestenfalls konsultieren, ist im Fall der Slawistik (und Romanistik) besonders problematisch. Für Aussenstehende klingt es vielleicht plausibel, ein Bakkalaureat “Slawistik” anzubieten. Aber was wird mit polnisch, russisch, serbo-kroatisch? Um diese Sprachen zu beherrschen, muss man sie “mit voller Kraft” studieren und kann nicht auf eine Sprachabstraktion “slawisch” aufsetzen. Gero Fischer, der zuständige SPL , formuliert das so:

Da die Informationspolitik seitens des Rektorates überaus kryptisch ist, kann es ja durchaus sein, dass das alles nicht so gemeint ist, aber es gibt doch gewisse Trends, die bedenklich sind. Bedenke folgende Fakten: Bisher hatten wir in der Slawistik 8 Studienrichtungen, jetzt wird ein einziges Bakk bewilligt. Dabei ist nicht klar, ob es sich um ein Bindestrich-Bakk z.B. Bakk Slawistik/Russisch – und dergl. handelt oder ob es sich tatsächlich um ein Sammelbakk handeln soll, was uns in den Stand von vor 1900 zurückwerfen würde, als es slawische Einzeldisziplinen noch nicht gab. … Von einem Polonisten wird erwartet, dasss er Polnisch, Sprache, Kultur, Literatur, Landeskunde beherrscht und nicht auch noch dazu Russsich. In den bisherigen Studienplänen wurde zwar eine slawische “Nebensprache” (Studienausmaß ein Jahr) verlangt, damit konnten aber bloß Grundkenntnisse vermittelt werden.

“Mantelbakkalaureate” ist ein Ausdruck, mit dem diese Schwierigkeit terminologischbehoben werden soll. Sie sollen die Zahl der Bakkalaureate reduzieren (gut für die Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium) und doch auch die Möglichkeit differenzierter Sprachausbildung bieten. Mit Hilfe des nächsten Modewortes: Modularisierung. Gero Fischer:

Es ist notwendig, vom ersten Semester an das gewählte Fach mit voller Intensität zu studieren, um am Ende über die Fachkompetenz zu verfügen, die zum Lehrberuf befähigt. “Mantelbakks” wie sie jetzt geplant sind, stellen Umwege dar und im schlimmsten Fall Sackgassen.

Und zuletzt diese allgemeine Einschätzung:

Grundsätzlich ist schwer zu verstehen, warum nach den Budgetverhandlungen die einzelnen Fakutltäten und Institute bei der Gestaltung ihrer Studien keine Autonomie haben sollen: Auf den unteren Ebenen (den Instituten, Studienrichtungen) liegt die fachliche Kompetenz und die Erfahrung, nicht an der Spitze, der Rektoratsebene. Besserwisserei und Machtanspruch alles zentralisieren zu wollen sind auf die Dauer unerträglich – dies ist nicht nur mein Eindruck.

Zwei Seelen

Freundlichkeit oder Aufklärung?

In der letzten SPL-Konferenz wurde deutlich, wie sich der vom Rektorat gewählte Weg zur Erstellung des Lehrentwicklungsplans für die Universität Wien auswirkt. Entgegen der Logik (und Suggestion) der Einrichtung von Studienprogrammleitungen wird die Planung des Studienangebotes – insbesondere des Umstiegs auf die Bologna-Architektur – nun vom Rektor in Gesprächen mit den Dekanen vorgenommen. Das hat zur Folge, dass die Personen, die nominell und praktisch mit der Sache am Besten vertraut sind, institutionell übergangen und bestenfalls informell einbezogen werden.

Dagegen gab es einigen (völlig berechtigten) Protest. Ich habe selbst mehrfach kritisch auf diesen Umstand hingewiesen. In der Sitzung fand ich mich dann plötzlich in einer eigenartigen Situation. Es ist bringt nicht sehr viel, die mehrfach formulierten Punkte nochmals zu betonen. Wenn schon, dann sollte es eine inhaltliche Auseinandersetzung über diese Verordnung geben. Die wurde allerdings von Seiten des Rektorates nicht geführt. Die SPLs argumentierten ins Leere. Instinktiv übernahm ich in dieser Situation die Rolle des “Aggressors” und erklärte, warum Rektor Winckler (vermutlich) diesen Schwenk vollzogen hat.

Es ist mir lieber, als proxy für fremde Gedanken attackiert zu werden, als im Einvernehmen der Kritik eine ergebnislose Beschwerdetour zu absolvieren.

Sachverhalt

Karl Ille, Kuriensprecher an der philologisch-kulturwissenschaftlichen Fakultät, gibt diese Darstellung der gegenwärtigen Studienplanung.

“Durch spezifische universitätspolitische Umstände, die ich hier weder rekonstruieren noch bewerten möchte, müssen die Angehörigen unserer Universität offenkundig mit dem Faktum leben, dass die zwischen den Dekanen und dem Rektorat abzuschließenden Zielvereinbarungen auch die Anzahl und jeweilige Benennung von Studien zum Gegenstand haben, ohne dass darüber vorher von eingesetzten Curricularkommissionen (der Terminus ?Arbeitsgruppe? unserer Universität entspricht nicht der Terminologie des UG 2002) mit der gesetzlich geforderten Mehrheit von Experten der jeweiligen Studienrichtung befunden worden wäre oder sich zumindest der Senat mit einer veränderten Studienanzahl oder der Umbenennung von Studien befassen hätte können. Noch mehr: Es müssen im Rahmen der Zielvereinbarungen sogar ECTS-Punkte von im Rektorat ?angedachten? gemeinsamen Anteilen neeustrukturierter ?Mantelbakkalaureate? ?herunterverhandelt? werden. Hauptgrund dieser Entwicklung ist unbestrittener Weise der Umstand, dass die Zielvereinbarungen abgeschlossen werden sollen, bevor der Senat die entsprechenden Curricularkommission einsetzen konnte (bei einer dreistelligen Anzahl umzustellender Studien entnehme ich der Homepage, dass erst (4!) offizielle Arbeitsgruppen ihre Arbeit aufgenommen haben). Nun ist aber seit Annahme des Entwicklungsplans, also exakt seit 1. Juli 2005, klar, dass die meisten Studien unserer Universität (ungeachtet der Einrichtung neuer Studien, für deren Vorbereitung die Initiativgruppen ja gute Arbeit leisten) bis zum Studienjahr 2007/8 oder 2008/9 umgestellt werden müssen. Warum gibt es hierfuer bis heute keine einheitlich organisierte und gesetzeskonforme Vorbereitung? Hätten die hierfür vorgesehenen Curricularkommissionen mit 1. Oktober 2005 ihre Arbeit aufnehmen können, hätten diese zumindest eine Expertise zur Umstrukturierung von Studien sowie eine Finanzskizze für die Vorausberechnungen des Rektorats erstellen können. Damit waere die heutige Situation mit Sicherheit vermieden worden.”

Studieren alla bolognese

Gestern fand am Campus eine von der PLUM veranstaltete Podiumsdiskussion zur Umsetzung des Bologna-Prozesses an der Universität Wien statt. Hier einige Eindrücke.

Am Podium waren sich Vizerektor Mettinger, Gerhard Clemenz (Senatsvorsitz) und Karin Glaser (ÖH) mit unterschiedlichen Akzenten darüber einig, dass dieses Unternehmen eine umstrittene Chance darstellt, die vorsichtig zu nützen sei. Konrad Liessmann akzentuierte die Einwände am deutlichsten. Kritisiert wurde das EU-Diktat, seine gesetzliche Zuspitzung in Österreich, die Konstruktion der ECTS-Punkte, die mangelnde Nachfrage nach Bakkalaurei (Fusssoldaten) am Arbeitsmarkt und das juridische Loch bei den Lehramtsstudien. Die Gelegenheit zu einer Studienreform und die Förderung der Mobilität wurden positiv hervorgehoben. Spezielles Augenmerk galt dem Kräftegleichgewicht zwischen Rektorat und Senat bei der Studienplanung. Jenes hat die finanziellen Entscheidungen zu treffen, dieser ist für die Erlassung der Curricula verantwortlich.

Was die gegenwärtige Planungssituation angeht, wurde von den Teilnehmerinnen (m/w) mehrfach die Undurchsichtigkeit und Volatilität der Verfahren beklagt. Wir unterliegen einem doppelten Systembruch. Die Umstellung der Studienarchitektur erfolgt vor dem Hintergrund des UG 2002, das keine Vorgaben für den dazu nötigen Konsultationsprozess gibt. Im Sommersemster ist ein Einreichungs-Ablauf für Curricula zwischen Rektorat und Senat akkordiert worden. Im Oktober wurde das Verfahren vom Rektorat um einen entscheidenden Faktor ergänzt. Zusätzlich zur Abstimmung zwischen informellen Initiativgruppen, Rektorat, Curricularkommission und den formellen AGs, die von der CK einzusetzen sind, ist die Studienplanung jetzt Gegenstand der Zielvereinbarungen zwischen Rektor und Dekaninnen (m/w). Der Rektor hat für Februar einen “Lehrentwicklungsplan” angekündigt, ohne zu erläutern, auf welchen Konsultations- und Entscheidungsprozessen er sich dabei bezieht.