die Folgen der bösen Tat

Durch eine Regelung, die dem Institut nicht mitgeteilt wurde, benutzt die Politologie hier einen Hörsaal. Wir berichteten. Die folgende Episode spielte sich eben im Institutssekretariat ab.

Ein ausländischer Student mit Verständigungsschwiergkeiten wollte unbedingt mit einer Hochschullehrerin —Name unverständlich — sprechen. Es handelte sich, wie sich nach einiger Zeit herausstellte, um eine Lehrveranstaltung der Politologie. Wir versuchten, ihm klarzumachen, dass wir die Dame nicht kennen und unzuständig sind. “Aber die Vorlesung findet doch hier statt. Ich will das jetzt von Ihnen wissen”. Unmöglich, ihm klar zu machen, dass es nicht darum ging, ihn abzuwimmeln.

Sinnliche Gewissheit

Gestern vor dem Parkhotel in Hietzing ein bewegender Anblick. Eine Gruppe von Mittelschülerinnen, hergerichtet nach allen Regeln der Bourgeoisie dieses Nobelbezirkes. Offenbar ein Schülerinnenball. Diese Sozialformation verschwindet nicht dadurch, dass man sie für überholt erklärt und/oder nicht beachtet.

Das hat eine gewisse xC4hnlichkeit mit dem Buch, das ich mir heute näher ansah, Brady Bowmans eben erschienene Studie über das Anfangskapitel von Hegels “Phänomenologie des Geistes”. Publiziert sozusagen in Hietzing (im Akademie-Verlag) und solide gearbeitet nach allen Erfordernissen des klassischen deutschen Philosophiebetriebes. Dabei jedoch von einer atemberaubenden Voreingenommenheit für Hegels unverstellte Lehre, gegen die Versuche der letzten Jahrzehnte, diesen Text mit zeitgenössischen Standards zu konfrontieren. Jeans für die Freizeit, am Ball trägt man nach wie vor Abendkleid.

Nach Bowman beginnen Hegels Ausführungen beim Absoluten, wohin sie auch münden. Der bekannte zielstrebige, unentrinnbare Bildungsprozess. Das ist als immanente Interpretation sicherlich richtig. Aber wo soll das hinführen?

Osterei zwei

Die Sonderbarkeit der Regelung, nach der Gastprofessoren (m/w) den Dekansvorschlag mitbestimmen, ist in meinem vorigen Eintrag vielleicht noch nicht deutlich genug geworden.

Vergangenes Jahr hatte ich eine Gastprofessur in Klagenfurt. Ich hielt zwei Freitag-Samstag-Blockveranstaltungen, den Rest Über Tele-Teaching. Weder kenne ich die Situation der Universität, noch die Lage der Fakultäten, dennoch bin ich in einem solchen Fall dazu befugt, dort hochrangige Personalentscheidungen zu beeinflussen. Der Klagenfurter Verantwortliche hat mich in den Entscheidungsprozess einzubeziehen.

In der Liste der Gastprofessoren der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften scheint ein Herr Maurice Grindberg auf. Er ist nach der einschlägigen Datenbankabfrage an der Universität Wien unbekannt. Aber er kann Dekan werden, so wie Seizo Sekine, ein Kollege aus Tokio, der hier für ein Semster lehrt. Eine solche Regelung kann nicht vernünftig genannt werden. Die wahrscheinliche Erklärung: schlampige Gesetzgebung.

Osterei

Eine nette xDCberraschung zu Ostern betrifft die UG2002-konforme Regelung der Vorschläge zur Dekansbestellung.

Dazu sind die Professoren, nicht der Mittelbau befugt. Zusätzlich aber auch die Gastprofessoren. Das heisst: Personen, die 14 Tage an der Universität lehren, können den Vorschlag, der an das Rektorat geht, mitgestalten. Zur Erstellung der Vorschläge hat sich das Rektorat an den dienstältesten Professor gehalten. Der macht das ohne weitere (veröffentlichte) Verfahrensvorschriften. Das könnte ziemlich schief gehen.

Am Beispiel der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaften im Sandkastenspiel verdeutlicht: es gibt 13 Auserwählte, welche die Dekanin vorschlagen können. Davon sind 5 Gastprofessorinnen. Gesetzt den Fall, die tatsächlich hier angestellten Professorinnen haben eine 5:3 Mehrheit für bestimmte Kandidatinnen. Dann bestimmen die Gastprofessorinnen, die es nicht mehr angeht, die Mehrheiten. Es würde mich wundern, wenn das nicht irgendwo zu Komplikationen führt.

Post-Demokratie

In der gegenwärtigen Nummer des “London Review of Books” schreibt Richard Rorty von seiner Befürchtung, dass der Westen als Reaktion auf die Terroranschläge das demokratische System der letzten 200 Jahre rückgängig machen könnte. Nicht unvorstellbar sei es, dass Historikerinnen in Zukunft darüber schreiben, unter welchen speziellen Umständen eine “goldene Zeit” der Zivilgesellschaft geherrscht habe und wie sie kollabierte.

Ein wenig etwas trifft auf die Partizipation im Universitätsbereich zu. Sie ist Vergangenheit und in Kürze wird es die ersten Untersuchungen geben, wie es zu ihr gekommen ist und warum sie sich vergleichsweise einfach beseitigen liess.

Rückmeldungen

Das Büro des akademischen Senates klagt darüber, dass der Kontakt zu einigen Fakultäten praktisch abgebrochen ist. Trotz mehrerer Telefonate ist es unmöglich, Nominierungen für wichtige Kommissionen zu erhalten. Den Fakultäten wiederum sind die Kontakte zu den Instituten, die mit zahlreichen anderen Aufgaben überlastet sind, abhanden gekommen.

Das kommt daher, dass die alten Fakultäten nicht in den Prozess der Umorganisation einbezogen wurden. Entsprechend unwichtig ist es den auslaufenden Institutionen, wie die neuen zurecht kommen.

Ein anderes Beispiel fehlender Rückmeldung ist das lokale Hörsaalproblem am Institut für Philosophie. Mit Hilfe der Beteiligten hat sich jetzt aufgeklärt, warum im Hörsaal 3D plötzlich ohne weiteren Kommentar politologische Lehrveranstaltungen untergebracht wurden. Vor einigen Monaten gab es eine Absprache zwischen Vizerektor, Geographie und Politologie, in der die Geographen ihren Anteil an die Politologen weitergaben. Niemand hat an eine Rückmeldung an die Philosophie gedacht.

Ein prominentes Argument für dieses Vorgehen: kein Institut hat Anrecht auf “seine” Räumlichkeiten, sie werden nach Bedarf zugeteilt. Das klingt ja flott und ganz im Sinn verbesserter Ressourcenplanung. Aber ohne administrative Infrastruktur wird es nicht funktionieren.

Wenn die Ressourcen ohne Benachrichtigung der bisher Zuständigen verschoben werden, muss es auch einen Mechanismus geben, diese Eingriffe zu verwalten. Eine zentrale Stelle, an die man sich bei Platzmangel richten kann und die auch regelt, wer welche Schlüssel erhält und für den Betrieb der Maschinen verantwortlich und haftbar ist. Es reicht nicht aus, eine neue Ordnung zu dekretieren, ohne sich nicht darum zu kümmern, wer sie umsetzt.

industrieller Unterricht

Erich Neuwirth macht in einem Eintrag seines blogs darauf aufmerksam, dass die Einführung eines “industrial strenght” Lehrsystems (“Plattform”) an der Universität WIen eine Reihe wichtiger Fragen aufwirft. Zum Beispiel diese: was kommt dabei heraus, wenn man die Anschaffung so eines Programms in Analogie zum Inskriptions- oder Mailsystems betreibt?

In solchen Fällen ist klar, dass es sich um Software für die Massen handelt, die hauptsächlich administrative Stabilität und ein Minimum an Wartungsaufwand bieten muss. Das sind Qualitäten, die auch von der e-learning Plattform gefordert werden können. Doch diese xDCbertragung in einigen Punkten bedenklich.

Administration: zwischen Massenvorlesungen und Forschungsseminaren besteht ein riesiger Unterschied. Wie sinnvoll ist es, denselben Rahmen über beide zu spannen? Betreuungsaufwand: “Skripten über das WWW” (E. Neuwirth) kann man billiger verbreiten, als für zehntausende Euros pro Jahr. Andererseits ist ein Mercedes wie WebCT für experimentellen Ansätze überdimensioniert.

Die Steuerungsgruppe, der wir diese Entscheidung verdanken, musste ins kalte Wasser springen und hat einen viel zu grossen Anzug gewählt, in der Erwartung, dass das “Kind” da bald hineinwächst. Meine Einschätzung ist eher, dass — wenn es so weit wäre — der Anzug nicht mehr attraktiv sein wird.

Organis{mus|ationsplan}

Im Gespräch mit dem Vorsitzenden des Senates ein Bild für den derzeitigen Zustand der Universität. Es gibt einen Kopf ohne Nervenverbindung zu den Gliedmaßen, sprich einen Senat aber keine (neuen) Fakultäten. Die wohlmeinende Auslegung wäre: der Organismus entwickelt sich so, dass die Informationskanäle gleichzeitig zum Wachstum der Organe gebahnt werden.

Es gibt auch eine weniger zuversichtliche Betrachtungsweise, nämlich dass diesem Körper die Glieder abhanden kommen. Dann würde die Universität aus lauter Prothesen bestehen.

Kausalverhältnis

Heute in der Nationalbibliothek, Manuskript 142, eine Wittgenstein-Handschrift. Nicht irgendeine, sondern die Urfassung der “Philosophischen Untersuchungen” aus dem Jahre 1936.

Es ist ein dickes Kontorbuch, die Deckel ziemlich abgewetzt, die Ecken abgestossen, die EInträge in schwarzer Tinte. Wie an mehreren anderen Stellen quält sich Wittgenstein auch hier mit der sprachlichen Fassung des (angestrebten) Buch-Beginns. Eine vielfach korrigierte erste Seite, die freie Seite für alternative Versionen verwendet, auf Seite 77 eine Verbesserung der ganzen Passage.

Ein physischer Kontakt mit diesem Buch hat Züge des Reliquienkultes. Es ist unmöglich, sich der Suggestion, etwas von Wittgenstein zu berühren, gänzlich zu entziehen. Und obwohl in aller Welt die gedruckte und digitalisierte Fassung dieser Seiten zugänglich ist, ist es doch ein Thrill, in Wien das Original einsehen zu können.

Die Eingreiftruppe

Im Institutsbereich liegt der Hörsaal 3D. Er ist mit Beamer, Overheadprojektor und Computer ausgestattet und wird von den Philosophen eifrig genutzt. Nach einer alten Abmachung teilen sie sich den Raum mit den Geographen. Das für Raumfragen zuständige Vizerektorat allerdings hat andere Pläne. In letzter Zeit verwenden Politologen den Hörsaal und berufen sich darauf, daß er ihnen zur Benutzung zugewiesen worden sei.

Es scheint, als ob jemand ganz oben sich die Mühe gespart hat, das Institut für Philosophie auch nur davon zu unterrichten, dass ein Hörsaal in seinem Einflussbereich für Teile der Woche umdisponiert wurde.

Kleinlicher Territorialegoismus? In diesem Raum befindet sich wertvolle AV-Ausrüstung und niemand hat sich gefragt, wer unter den veränderten Bedingungen dafür verantwortlich ist. Den Politologen ist das gleichgültig und die Philosophen wissen nicht, wer wann die Türen sperrangelweit offen stehen lässt.

Das ist wieder so ein Fall, wo zentrale Planung und Gedankenlosigkeit sich verbünden. Ich bin gespannt, an wen die Rechnung für den verschwundenen Beamer geht.