Aussichten

“Weiteren Anträgen, die etwa eine Einbindung der Studienkonferenzen in Entscheidungsprozesse auf Studienrichtungsebene gebracht hätten, konnte im Hinblick auf deren Funktion ausschließlich als Beratungsorgane nicht entsprochen werden. Ob und wie weit die Studienprogrammleiterinnen und Studienprogrammleiter allfälligen “Ratschlägen” Folge leisten, und das Recht dieser Studienkonferenzen, Über alle Maßnahmen informiert zu werden, bleiben davon unberührt.”

Eine realistische Protokollsequenz.

Die neuen Regeln

Theoretisch war es schon lange klar, jetzt ist es live mitzuerleben. Die Entscheidungen über die künftige Entwicklung der universitären Institutionen werden weitgehend privatisiert. Es ist viel Extra-Energie nötig, sie einigermaßen im öffentlichen Bewusstsein zu halten.

An unserer Fakultät gibt es drei Institute und für 2 davon je eine Delegierte (m/w) des Mittelbaus in der Fakultät. Es stehen strukturell bedeutende Entscheidungen an, z.B. die Frage, ob die Binnenstruktur der Fakultät aus Instituten oder Arbeitsbereichen bestehen soll; oder die Bestellung der Studienprogrammleitung. Man kann sich vorstellen, wie schwach die Rolle einer Vertreterin in der Beratung solcher Punkte ist. Der Versuch, die Angelegenheit intern vorzubereiten, stößt rasch an die Grenzen der neuen Entscheidungsstrukturen.

Nach der Bemerkung von Richard Heinrich: unser einziges Druckmittel sind die Laserdrucker.

Beschwerden

Unlängst in einer Beratung hörte ich von zwei Seiten Bedenken über die Entwicklung der Hochschulpolitik an der Universität Wien. Das Gesetz wollte die Gruppenuniversität abschaffen — jetzt mache sie sich immer deutlicher bemerkbar. Die Handlungsfähigkeit der Führungsorgane werde durch verschiedene Verpflichtungen gegenüber den Fakultäts- und Studienkonferenzen eingeschränkt. Das widerspreche der Notwendigkeit rascher, unkomplizierter Intervention.

Einerseits ein Grund zur Freude. Offensichtlich ist die (Forderung nach) Mitsprache doch noch ein wirksamer Faktor. Andererseits eine Erinnerung an die verquere Situation. Die Stimmung dieser Beratung war kooperativ, die Fürsprecher des flotten Führungsstils sind ja zumeist keine Autokraten, sondern persönlich umgänglich und teilweise zu Recht frustriert von den Defiziten des alten Zustandes.

Aber es ist immer dieselbe politische Naivität: “Wir werden keinen Richter brauchen”. Weil viele Abläufe auf exekutivem Wege einfacher durchzuführen sind, wird die Notwendigkeit einer demokratischen Infrastruktur in Frage gestellt. Angeblich kostet sie nur Zeit. Am Beispiel der Wahlen in die Fakultätskonferenzen sieht man, wohin das führt. Es gibt keine Wahlordnung, in der die Regeln der Veröffentlichung der Wahlbeteiligung und der Stimmenverhältnisse festgelegt sind. Das ist vermutlich “zu umständlich”. Es muss schnell gehen. So fällt die Selbstverständlichkeit weg, dass jene Stelle, welche Wahlen ausschreibt, auch mitteilt, wieviele Stimmen die einzelnen Listen erhalten haben.

demokratiepolitisch

Walter Penits hat darauf hingewiesen, dass im Mitteilungsblatt keine detaillierten Wahlergebnisse veröffentlicht werden. Das hat Methode.

Auf Nachfrage hat man unserer Fakultät vom Rektorat mitgeteilt, dass weder die Wahlbeteiligung, noch die Stimmenverteilung bekanntgegeben werden darf – es sei denn, der Dekan genehmigt das.

Das passt zu einer Auskunft an einen Kollegen, der entsprechend eine wahlwerbende Gruppe die Mail-Adressen der Wahlberechtigten nur nach Zustimmung des Dekans erhält.

Das Rektorat hat also nach wie vor die zentralen Informationen, delegiert aber die Veröffentlichungspolitik an die Dekane (m/w). Nach dieser Logik wäre das Innenministerium zwar für die Datenevidenz zuständig, doch die einzelnen Landeshauptleute könnten bestimmen,was sie an die Öffentlichkeit gelangen lassen.

Dekansklausur

Am 1. Juni treffen sich die neu ernannten Dekane und Zentrumsleiter (m/w) der Universität zu einer Klausurtagung im Hotel Hilton. Das Rektorat hat offensichtlich einen Sponsor gefunden. Eine solche Zusammenkunft aus dem Budget zu finanzieren, scheint mir doch zu absurd. Das Ereignis ist dennoch problematisch.

Dem Schatten antwortet das Licht. Die negative Seite besteht in Einkommenskürzungen für Studienassistenten und Lektorinnen. Dagegen wird die neue Führungsgarnitur ins Nobelhotel gebeten.

Es ist ein einprägsames Beispiel des xDCbergangs von der kollegial verfassten Universität, die wir kannten, zu einem Unternehmen, dessen Abteilungsleiter darauf achten müssen, dass ihnen genügend Prestige zur Verfügung steht, “unpopuläre Massnahmen” zu ergreifen. In der Diskussion Über den Organisationsplan wurde das Leitungsmodell, nach dem wir nun operieren, als “der Sultan und seine Wesire” bezeichnet. Das Hilton ist ein guter Ort, die neue Machtstruktur zu signalisieren.

Ausserdem erspart man sich xC4rger. Sollte es zu Demonstrationen kommen, erledigt das der hauseigene Wachdienst.

nochmals Frauenpolitik

Gestern beim Abschlussplenum der 3. Oekonuxkonferenz kam unter anderem ein bekanntes Defizit zur Sprache: unter den zahlreichen Referenten (m/w) waren nur sehr wenige Frauen. Nachdem eine Kollegin das vorgebracht hatte, gab es allerdings eine Überraschende Antwort.

Eine der eingeladenen Vortragenden, eine in den USA arbeitende Chinesin, bemerkte, dass fremde Männer auf der Konferenz sich viel leichter miteinander verständigen konnten. Sie sei von den anwesenden Frauen dagegen nicht angesprochen worden. Statt das allgemeine Defizit zu beklagen, sollten Frauen versuchen, ein eigenes Netzwerk aufzubauen und auf dieser Grundlage aktiv zu werden.

Das schien mir Überzeugend. Jedenfalls produktiver, als an die unweigerlich halbherzige Betroffenheit der anwesenden Männer zu appellieren.

Frauen in Führungspositionen

Die Vizerektorin der Universität, Martha Sebök, sorgt sich über die geringe Anzahl der Frauen, die in den Dekansvorschlägen zu finden waren. Sie ruft in einem Rundbrief dazu auf, nach Möglichkeit weibliche Kandidatinnen für die Fakultätskonferenzen aufzustellen:

Zitat:

Demnächst finden die wichtigen Wahlen zu den Fakultäts- und Zentrumskonferenzen statt. Die Universität Wien verfügt über eine große Zahl hoch qualifizierter Frauen. Ich ersuche Sie daher, bei Ihrer Entscheidungsfindung auf den gesetzlichen Auftrag und die Zielsetzung der Universität Bedacht zu nehmen und zu einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis in allen Gremien der Universität beizutragen.

Was für eine Chuzpe. Die Universitätsleitung hat die Termine für die Erstellung der Listen extraknapp bemessen. Ein auch nur annähernd repräsentativer Auswahlprozess konnte auf diese Weise nicht zustande kommen. Aber damit nicht genug. Einen Tag vor dem Einreichschluss für Listen an unserer Fakultät kommt sie mit dem Wunsch nach verstärkter Frauenbeteiligung. (An anderen Fakultäten ist der Termin bereits verstrichen.) Soetwas nennt man Alibiaktion.

Kommerz und Meinungsfreiheit

Die on-line Berichterstattung über die Erniedrigung irakischer Gefangener durch die US-Armee hat einen makabren Beigeschmack. Wenn man sich die Fotos auf CNN oder der Webseite der Washington Post ansieht, findet man sie von Werbespots umgeben. In traditionellen Printmedien ist die erste Seite zumeist weitgehend werdefrei, aber im Web zählt der Einstieg. Also Urlaubsplanung und Militärpornographie.

Die Sache hat aber ihre Richtigkeit. CBS hat mit der Veröffnetlichung 2 Wochen gewartet, weil der Armeechef angerufen hat. Vermutlich hätte er mit etwas mehr Druck auch erreicht, dass diese Tatsachen ganz unter den Teppich gekehrt werden. Dagegen wirkt das Gesetz des Marktes. Als der “New Yorker” die Story ankündigte, liess sich CBS nicht mehr zurückhalten.

Wir sehen die Folter-Bilder wegen der Werbung, die sich auf diesen Seiten findet. Dass Skandale sich verkaufen lassen, ist in unserem System ein Garant für Informationsfreiheit.

auch anderswo

Als Gastwissenschafter in Bergen, Norwegen, entkommt man den hochschulpolitischen Umwälzungen nicht. Gestern im Institut für Wissenschaftsphilosophie im Seminarraum, bevor der Vortrag begann, hörte ich eine Geschichte, die auch in Wien aktuell werden wird. Die Immobilienpreise sind im Moment sehr hoch, das Haus wird von der Universität verkauft werden. Das Institut zieht dann an einen erheblich reduzierten Ort, in der es auch keinen Seminarraum mehr geben wird. So geht es, wenn Universitäten Wirtschaftsunternehmen sind.

Das Projektzentrum, in dem ich arbeite, ist auch ein einschlägiges Beispiel. Es gibt keine festen Anstellungen. Die Leute werden beschäftigt, soweit es Drittmittel gibt. Wenn diese ausgehen, werden sie entlassen. Man kann sich ausmalen, welche Auswirkungen das auf die Forschungsinhalte hat.

schamlos

Karl Ille beschreibt die Sparmaßnahmen im Bereich der Lehraufträge:

“Die leider bereits in der Betriebsvereinbarung akkordierte Herabsetzung der Remunerationsstufe (von Remuneration A auf RemunerationB) des wissenschaftlichen Unterrichts seitens externer Lehrender, dem von der jeweiligen Studienprogrammleitung nicht das Praedikat “besonders innovativ” verliehen wird (dieses Syntagma ist keine polemische Verknuepfung meinerseits, sondern tatsaechlich Textbestandteil der Betriebsvereinbarung) wird – falls dies wirklich so umgesetzt wird – zur Folge haben, dass die hiervon betroffene Kollegenschaft beispielsweise fuer eine zweistuendige Lehrveranstaltung (die nur “innovativ”, aber nicht “besonders innovativ” ist) statt bisher E 2.390,20 nur noch E 1.812,00 erhaelt und damit einen Bruttoverlust von exakt E 578,20 pro LV und Semester erleidet. Die nur mit einer zweistuendigen LV betrauten Kolleginnen und Kollegen verlieren gleichzeitig den Sozialversicherungsschutz, da die monatlichen Bruttobetraege von E 398,30 auf E 259,00 (x 7) reduziert werden und damit unter der Geringfuegigkeitsgrenze des monatlichen Bruttobetrags von E 317,00 liegen. Hier besteht wirklich akuter Handlungsbedarf, wollen wir nicht einfach in Kauf nehmen, dass das Institut einige seiner besten Lehrenden durch eine inakzeptable Neuregelung verliert.”

Als mehrfach für “innovative Lehre” prämierter Hocschullehrer finde ich es besonders verwerflich, das Anliegen, einen experimentellen, elektronisch unterstützten Unterricht zu fördern, auf diese Weise zur Strafaktion werden zu lassen.