Revolte per Übersetzung

 

Die “Antigone” des Sophokles ist ein Paradigma des Widerstands. Sie stellt sich gegen ihren Onkel Kreon, als er bei Todesstrafe verbietet, den in der Schlacht getöteten Bruder ordnungsgemäß zu bestatten. Dieser hatte einen Angriffskrieg gegen die Stadt geführt, doch Antigone verteidigt sein Recht auf ein herkömmliches Begräbnis. Lieber wählt sie selbst den Tod, als sich der Rache des Siegers zu beugen.

Soweit ist die narrative Vorgabe unumstritten. Damit ist allerdings noch nichts über die Gründe des Widerstands und über die Verhältnismäßigkeit der Strafandrohung sowie des Einsatzes des eigenen Lebens gesagt. Dazu ist viel geschrieben worden. Ist Antigone eher eine Jeanne d’Arc oder eine Maria Restituta Kafka? Die Frage soll hier offen bleiben. Ein kleines Detail beleuchtet den Beitrag, den Übersetzungen zu dieser Diskussion beisteuern können.

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betriebsblind?

Vor einiger Zeit ist ein Gespräch mit Anke Graneß in die Philosophische Audiothek aufgenommen worden. Unter dem Titel “Weltweite wirtschaftliche Gerechtigkeit” ging es um einen Artikel, den Frau Graneß publiziert hatte: “Is the debate on ‘global justice’ a global one? Some considerations in view of modern philosophy in Africa”. Den Titel der Sendung hätte man vielleicht mit einem Fragezeichen versehen können. Allerdings wurde gleich zu Beginn betont, dass die Debatte über globale Gerechtigkeit einseitig im europäischen und US-amerikanischen Raum konzentriert ist. Das reichte nicht, um eine massive Kritik zu verhindern.

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Sommerfrüchte

Die Pfirsiche im Bild sind auf der Landstraße im Burgenland gekauft. Sie schmecken, was man visuell nicht darstellen kann, traumhaft.

Warum sind solche Produkte in den heimischen Supermärkten kaum zu finden? Dort dominiert “San Lucar” (Spanien) die Obstregale. Was die Agrarindustrie mit der lokalen Umwelt gemacht hat, ist aktenkundig.

Supermarkt heißt allerdings auch Massenkonsum. Die österreichische Produktion von Saturnpfirsichen wäre wohl nicht groß genug, die Nachfrage zu decken, wenn die Qualität dieses Obstes konsequent beworben würde. Ohne Import steigen in diesem Fall die Preise und damit tendiert die Ware dann zum Luxus.

Das wiederum kollidiert mit dem ersten Gedanken. Was auf der Landstraße zu kaufen war, kann eben nicht ohne Verwicklung in den Welthandel günstig für alle Marktteilnehmerinnen angeboten werden. Der “gute Geschmack”, verallgemeinert auf die Gesamtbevölkerung des Landes, kostet.

Das ist nur eine Gedankenskizze zur Pfirsichernte. Eine Impression aus der Spargelzeit verdeutlicht das Dilemma von einer anderen, humoristischen, Seite.

Ein BILLA im östlichen Niederösterreich bietet an hervorgehobener Stelle österreichischen Bio-Spargel an. 6.- € das halbe Kilo. Einige Schritte weiter wird es billiger. Die italienische Variante kostet 4.- € und die chilenische nur 2.80.- €. (Sie wird, in Chlorlake konserviert, über den Atlantik verschifft.)

Der teure österreichische Spargel stammt von einer 10 km entfernten Landwirtschaft. Dort kostet er ab Hof 3.50.- €. Geht doch beides!

 

Der spekulative Satz

spekulativ

Ontologische Themenstellungen, siehe etwa am Beginn von Alain Badious “Sein und Ereignis”[1. http://diaphanes.net/buch/detail/3382], hängen an der Struktur von Aussagesätzen. Das liegt einfach daran, dass von “Seiendem” und “Sein” deshalb gesprochen wird, weil das Hilfszeitwort “sein” (idealtypisch) alle Sätze zusammenhält, in denen etwas von etwas gesagt wird. Wie stehen diese beiden “etwas” zueinander? Die Frage führt tief in die Philosophie.

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nochmals unter der Oberfläche

2013-09-03 15.32.41

Am 14.3. brachte der ORF im Morgenjournal eine Reportage über die Stimmung im türkischen Milieu am Brunnenmarkt. Anlass war der Konflikt über die Aussperrung türkischer Politiker (m/w) in den Niederlanden. Alle interviewten Männer argumentierten gegen solche Verbote und es ist lehrreich, ihre Gründe zu hören.[1. Die Logik des Stammtisches ist natürlich nicht auf dieses Beispiel beschränkt.] Es gehört zum Thema der beschwerdelosen Oberfläche und der untergründigen “strukturellen Gewalt”, der sie unversehens unterliegt.[2. Vgl. die Einträge plain text und “carefree usage by hiding complexity”.]

 

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“carefree usage by hiding complexity”

kopod

 

Andreas Kirchner diskutiert (im vorletzten Beitrag) das Verhältnis von glatter Oberfläche und dahinter liegenden Kräfteverhältnissen am Beispiel gebräuchlicher Textcodierungen im Internet. Ich illustriere das Thema anhand einer Episode aus meinem laufenden Seminar über Podcasts.

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Geschäftsmodell Eitelkeit

Gewöhnlich zeigt mir Google, wenn ich einen erkärungsbedürftigen Terminus nachschlage, auf der ersten Seite zumindest einen Wikipedia Eintrag. Nicht so für “Video Sales Letter”, da taucht die Enzyklopädie erst auf der 4. Seite auf — und dort nur mit “Sales Letter”, ohne Video. Eine schmerzhaft US-amerikanische Propaganda für das Video Sales Letter Formula steht in der Suche ganz oben.

Ich suchte nach einer Erklärung zu diesem Thema, denn ein Kollege hatte im Seminar “Podcasts philosophisch” unter Rückgriff auf Plato eine Satire auf diese Werbeform produziert:
Dihairesis. Deine persönliche Blaupause zur Begriffsbestimmung. Die wichtigste Regel für solche Einschaltungen scheint zu sein, die Konsumentinnen nicht durch Kontrollknöpfe in den Ablauf der Werbung eingreifen zu lassen, die ohne Aufforderung (auto-play) abgespiet wird.

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Komplikationen, Kompilationen

Adventtuer 2016

Die Einladung zu einem Weihnachtsessen mit Musik hat die folgende Tonspur hervorgebracht. Ein Rückgriff auf Nestroy und das Wiener Kabarett der Zwischenkriegszeit, um Fluchtbewegungen und Welterschütterung ins Wohnzimmer zu bringen [1. Die Folge der Interpreten: Kurt Sowinetz – Hermann Leopoldi – Franz Imhoff – Kurt Sowinetz – Hermann Leopoldi.]

Situation, Ereignis, ohne Pathos

ep3

 
Der Tag begann mit einem Kapitel aus Sam Gillespies The Mathematics of Novelty: Badiou’s Minimalist Metaphysics[1. Eine kompromisslos kompakte Studie, die dem Autor, der sich 2003 umgebracht hat, 2005 ein Doktorat an der University of Warwick einbrachte.] Ärger machte sich breit, denn diese Darstellung folgt den bedenklichsten Impulsen der Philosophie. In hyperabstrakten Begriffen zelebriert sie ganz einfache Verhältnisse. Sie folgt darin Alain Badiou, der herkömmliche Umstände “Situationen” nennt, die durch “Ereignisse” erschüttert werden, und zur Analyse dieses Vorgangs “die Leere”. “das Sein” und “suture” heranzieht[2. “Events … signal breaks in situations as such: they bring the void, with which any situation is sutured to being, to the fore.” a.a.O. S. 11]. Dann aber funktionierte mein Open Access Archiv Sammelpunkt nicht mehr.

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