wissenssoziologisch

Zu Beginn der Bologna-Umstellung gingen Arthur Mettinger und ich auf eine “roadshow” durch alle Fakultäten und beobachteten einen signifikanten Unterschied zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften. Die einen nahmen die Reorganisation als Faktum und fragten hauptsächlich, wie sie durchgeführt würde. Die anderen stellten zuerst die Umstellung in Frage und wiesen dann auf bevorstehende Schwierigkeiten hin. Entsprechend meiner eigenen Ausbildung konnte ich die zweite Einstellung gut verstehen.

Nach der Lektüre zahlreicher Entwürfe der Human- und Sozialwissenschaften, die mittlerweile vorliegen, ist eine Ergänzung nötig. In auffallend vielen Vorlagen aus diesen Fakultäten finden sich Begriffe, die aus vergangenen gesetzlichen Regelungen kommen. Die Rede ist von Diplomandinnenseminaren, der Studienkommission, Prüfungs- und freien Wahlfächern. Es ist, um es etwas polemisch zuzuspitzen, als ob zwei Jahre nach der Einführung des Euro jemand im Geschäft mit Schillingen zu zahlen versucht.

Ein allgemeines Unbehagen gegenüber “Bologna” führt dazu, dass die alten Begriffe beibehalten werden. Nichts gegen Kritik, aber diese Residualopposition ist nicht sehr produktiv. Ein Minus für die Kulturwissenschaften, tut mir leid.

Ehrungen

Mit Ehrungen ist es so eine Sache. Die Studierende im Senat verweigern den allermeisten Honorarprofessorinnen (m/w), Goldenen Doktordiplomata und Ringverleihungen die Zustimmung. Man kann es verstehen: das soll der Bundespräsident besorgen. Akademische Würde ist nicht ihre Sache.

Natürlich besteht ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Ehrungen. Das Motiv der Dankbarkeit kann nicht ganz falsch sein. Wichtiger ist eine gesellschafts- und medienpolitische Überlegung. Die Zuschreibung von “Ehre” wirkt als Signal und Absichtserklärung. Dass Hörsäle der Universität nach Frauen benannt wurden, ist eine solche Geste.

So kommt es, dass ich diese Einladung mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtete:

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Es handelt sich um eine Feier anläßlich der Einführung des Studiums der islamischen Religionspädagogik an der Universität Wien. Wie alle Curricula wurde dieses seitens des Senates betreut und beschlossen. Indes, die

Ehrenliste

zeigt ein anderes Verständnis dieses Vorgangs. Das lachende Auge: durch das Schreibrohr ungeehrt.

Aber nicht uninteressiert. Das Curriculum ist von hervorragender Qualität. Mein Kollege Franz Wimmer hat mit dem Hauptverantwortlichen, Ednan Aslan, ein Radiogespräch geführt.

worst of best of best

Die Universität Wien bekennt sich morgens und abends zur Gleichbehandlung der Geschlechter. Ganz ist die Botschaft noch nicht durchgedrungen.

Beliebt ist in jüngster Zeit die Dokumentation, wie gut Studierende insgesamt abgeschnitten haben. An der juridischen Fakultät erhalten sie eine Bestätigung ihres “ranking”. Die folgende Urkunde wird Frauen und Männern in gleicher Weise ausgehändigt. Eine Betroffene kommentierte mit Recht: “So etwas kann ich einfach meinen Bewerbungsunterlagen nicht beilegen.”

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Zielvereinbarungsgespräche

In dieser Woche beginnen die Zielvereinbarungsgespräche, in denen das Rektorat mit den Vertreterinnen (m/w) der Fakultäten den Finanz- und Planungsrahmen für das nächste Jahr festlegt. Die Treffen sind auf 3-4 Stunden angelegt und erstrecken sich bis Anfang Dezember.

Zur Vorbereitung ist den Fakultäten Datenmaterial und damit verbundene Fragen zum Studium und zur Stellungnahme zugeleitet worden. In diesem Zusammenhang wird auch die Datenerhebung zur “Wissensbilanz”, welche das Ministerium von den Universitäten fordert, komplettiert.

Die Zielvereinbarungen sind erheblich mehr, als ein Finanzverteilungstreffen. Sie erweisen sich als das wichtigste Steuerungsinstrument, mit dem das Rektorat auf die Gestaltung der Fakultäten Einfluss nimmt. Sie haben unter anderem wesentliche Auswirkungen auf die Lehre.

Nachdem in der letzten Runde dieser Gespräche die Dekane (m/w) eher kurzfristig mit Fragen der Lehrplanung konfrontiert wurden (zwecks Planerfüllung der Bologna-Implementierung), hat man diesmal von vornherein die SPLs mit einbezogen. Sie erhalten die einschlägigen Unterlagen und können ihre Pläne vorlegen. xDCber diesen Kontakt soll auch der Status von eLearning-Projekten an den Fakultäten erhoben werden. In einigen Fällen hinken Studienrichtungen deutlich hinter dem Zeitplan zur Bologna-Umstellung nach. Es ist daran gedacht, diese Defizite in den Zielvereinbarungsgesprächen zu monieren.

Die Anteilnahme der Fakultätsmitglieder an diesen Vorgängen hält sich, soweit ich sehe, in Grenzen. Der Vorgang wird als administrativer Ablauf gesehen, den die Dekanate allenfalls mit Bitten um Stellungnahme zu Einzelfragen in ihrem Bereich kommunizieren. Wer hat schon Zeit und die Befugnis, sich diese Daten/Fragen durchzusehen und zu diskutieren? Eigentlich wäre das eine Agenda der Fakultätskonferenzen, aber man kann sich vorstellen, dass die Dekane (m/w), die ihnen derzeit vorstehen, andere Sorgen haben, als ein Treffen einzuberufen, das ihren sowieso schon gedrängten Arbeitsplan weiter kompliziert.

Es würde freilich zur Kohäsion der Fakultäten beitragen und die Motivation der Wissenschaftlerinnen (m/w) stärken.

Senat 5.10.06

Einige Punkte zur gestrigen Senatssitzung.

Darin nicht erwähnt ist die Tatsache, dass der Senat u.a. für Empfehlungen in Personalfragen zuständig ist. Wer in ein definitives Dienstverhältnis eintreten will, hat einen Auftritt. Das Gremium ist dazu sachlich meistens nicht ausgewiesen. Von den fünf verhandelten Fällen war – wenn ich das recht sehe – in gerade einem Fall ein Vertreter aus dem passenden Fach.

Die gesetzliche Regelung zentralisiert und hierarchisiert Entscheidungen. Sie nimmt sie aus dem Zuständigkeitsbereich der Experten und verlagert sie auf die höchste kollegiale Ebene. Dort sollen sie anhand von externen Gutachten beurteilt werden. Die Gutachterinnen (m/w) schlägt die Akademie der Wissenschaften und der Fonds zur Wissenschaftsförderung vor. Nach Darstellung der zuständigen Vizerektorin reagieren diese Institutionen oft monatelang nicht auf Anfragen. Und die genannten Personen sagen reihenweise ab.

Lissabon-Prozess

Gestern im kleinen Festsaal der Universität Wien das 2. Forum Europäische Studienarchitektur. Ich begann meine Bemerkungen mit einem Orientierungsbild, das die Detailüberlegungen zur Bologna-Implementierung in einen weiteren Zusammenhang stellen sollte. Es geht ja nicht primär um eine neue Studienform, sondern um den Wechsel eines Paradigmas. Die “kulturstaatliche Universitätsauffassung (Hans Pechar) ist im neuen europäischen Kontext nicht mehr wirksam. Es hat einmal gereicht, ins Burgtheater zu gehen und ähnlich war es genug, einen universitären Abschluss zu besitzen. Mit Lissabon verbindet sich die Forderung, Europa solle durch eine Wissensoffensive zum weltweit dynamischsten Wirtschaftsraum werden.

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Das kann man auf die Formel bringen, dass Wissen als Lebensform (der akademische Gestus) durch die Betrachtung von Wissen als Ressource ersetzt wird. Es ist ein wichtiger und umstrittener Schwenk. In einer Hinsicht könnten sich die Universitäten darüber “geschmeichelt” fühlen, dass ihr Kompetenzfeld ins Zentrum rückt. Dagegen spricht, dass aus ihrem “Wissen” etwas anderes gemacht wird.

Plagiate

Zahlreiche Entscheidungen der Hochschulpolitik an der Universität Wien fallen überhastet. Ein Gegenbeispiel ist jene xC4nderung des studienrechtlichen Teils der Satzung, die sich mit Maßnahmen gegen Plagiate befasst. EIne Arbeitsgruppe diskutierte sie gestern 2 Stunden im Detail. Der Urlaub hat den Teilnehmerinnen gut getan, es herrschte Aufmerksamkeit gegenüber den beteiligten Gruppen und Konzentration in der Sache.

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Senatssitzung 6.7.2006

In der gestrigen Senatssitzung wurden einige Punkte von allgemeinem Interesse angesprochen.

Die Ergebnisse der Befragung über das erwünschte Profil des nächsten Rektors wird in Kürze auf der Seite des Senates veröffentlicht. Vorschläge für Kandidatinnen (m/w) können an Senatsmitglieder gerichtet werden. Sie fließen in die Vorbereitung ein.

Die nächste Sitzung des Senates wird einen Punkt “xDCberprüfung des Organisationsplans” enthalten. Auch dazu sind Vorschläge erbeten.

Der Frauenförderungsplan der Universität sieht vor, dass die Abwesenheit von Gutachterinnen bzw. Professorinen in Habilitations- und Berufungskommissionen eigens zu begründen ist. Unter Hinweis darauf wurde ein Kommissionsvorschlag zur xDCberarbeitung an eine Fakultät zurückgeschickt.

In der Sitzung zeigte sich ein möglicherweise verbreitetes Missverständnis über das Verfahren solcher Nominierungen. Aus administrativen Gründen werden den Dekaninnen (m/w) “Erhebungsblätter” zur Zusammenfassung der Nominierungen aus den einzelnen “Kurien” vorgelegt. Das bedeutet _nicht_, dass die Dekaninnen (m/w) diese Entscheidungen treffen. Diese Kompetenz liegt bei den einzelnen “Kurien”, die es offiziell nicht gibt. Der Vorsitzende des Senates erinnerte daran, dass ohne eine solche Hilfskonstruktion die Aufgabe des Senates schwerlich zu erfüllen ist.

Der Senat nahm darüber hinaus die “Roadmap 2” zustimmend zur Kenntnis. Sie enthält einen allgemeinen zeitlichen Rahmen für den Bologna-Prozess im nächsten Studienjahr.