Schwarmintelligenz

Vergangenes Wochenende gab es eine gemeinsame Veranstaltung der Wikipedia Deutschland und der Akademie der Wissenschaften und Literatur in Mainz. Eine interkulturelle Begegnung: schwarze Anzüge treffen auf T-Shirts. Dazwischen die spannende Aufgabe, zwischen einem Phänomen mit Breitenwirkung und den Qualitätsansprüchen – bzw. phantasien zu navigieren. Die Professorinnen hätten gerne Auslese, Renommee und Garantien, dagegen operieren die Vertreter des Wikiprojektes Philosophie mit einer bewegten Masse von Beiträgen und Verbesserungen.

Eine überzeugendes Referat von Markus Mueller nahm den professoralen Einstellungen den Wind aus den Segeln. Er sprach über die Qualitätssicherung in der Wikipedia und machte klar, wie oberflächlich die meisten Diskussionen über die (jeweils vorläufigen) Resultate der Enzyklopädie sind.

Weniger hilfreich war der Eröffnungsvortrag von Peter Wippermann. Als Vertreter des “Trendbüros” immer auf der Suche nach einprägsamen Formulierungen verbuchte er die Wikipedia unter “Schwarmintelligenz”.

Wie heißt es im einschlägigen Artikel: der Terminus ist “auch ein unscharfes Mode-Schlagwort”.

Am Pranger

Beim Durchblättern des Guardian Weekly war der erste, eher unterbewusste, Eindruck: was ist das für ein Bild von hinten? Nicht attraktiv. Interessant, dass diese visuelle Auffassung vor der Verarbeitung der riesigen Buchstaben stattfand.

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Es braucht einige Zwischenschritte, um zu entdecken, dass die Pointe dieses Fotos gerade darin liegt, das Gesicht nicht zu zeigen. Ein schönes Beispiel dafür, wie aufmerksam man sein muss, um jene Gesten zu erfassen, die darin bestehen, dass das Naheliegende vermieden wird.

Designproblem

Anfang Juni findet in Graz der 8. Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Philosophie statt.

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Die Abstracts der Vorträge sind bereits zugänglich. Eine Besonderheit fällt auf: Gerade mal 3 von den am Wiener Institut vollbeschäftigten Philosophinnen (m/w) ist dabei (E. Bader, M. Flatscher, H. Hrachovec). Das ist eine schmale Auswahl, die nicht dadurch entschuldigt wird, dass eine ansehnliche Zahl von Lektorinnen (m/w) und Graduierten den Weg nach Graz finden werden. Für ein Institut, das gerade dabei ist, sich als die wichtigste Vertretung der Philosophie in Österreich zu fühlen, eine beschämende Situation.

Es ist wahr, der Kongress hat kein besonderes internationales Renomee und gilt für manche eher als eine Pflichtübung. Dennoch ist es nachlässig, hochnäsig und ungeschickt, die anspruchsvolle Schönheit zu spielen. Soo gut sind wir wieder auch nicht.

Das ist der eine Ärger. Ein anderer betrifft das Webdesign des Kongresses. Es stammt aus dem Diluvium. Die Frames, die dort verwendet werden, gestatten es nicht, die Schrift zu vergrößern. Der zittrigen Kartoffel, die mir eigentlich gut gefällt, wird das Hirn amputiert. Ach ja, das Thema des Kongresses ist “Gehirne und Personen”.

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wissenssoziologisch

Zu Beginn der Bologna-Umstellung gingen Arthur Mettinger und ich auf eine “roadshow” durch alle Fakultäten und beobachteten einen signifikanten Unterschied zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften. Die einen nahmen die Reorganisation als Faktum und fragten hauptsächlich, wie sie durchgeführt würde. Die anderen stellten zuerst die Umstellung in Frage und wiesen dann auf bevorstehende Schwierigkeiten hin. Entsprechend meiner eigenen Ausbildung konnte ich die zweite Einstellung gut verstehen.

Nach der Lektüre zahlreicher Entwürfe der Human- und Sozialwissenschaften, die mittlerweile vorliegen, ist eine Ergänzung nötig. In auffallend vielen Vorlagen aus diesen Fakultäten finden sich Begriffe, die aus vergangenen gesetzlichen Regelungen kommen. Die Rede ist von Diplomandinnenseminaren, der Studienkommission, Prüfungs- und freien Wahlfächern. Es ist, um es etwas polemisch zuzuspitzen, als ob zwei Jahre nach der Einführung des Euro jemand im Geschäft mit Schillingen zu zahlen versucht.

Ein allgemeines Unbehagen gegenüber “Bologna” führt dazu, dass die alten Begriffe beibehalten werden. Nichts gegen Kritik, aber diese Residualopposition ist nicht sehr produktiv. Ein Minus für die Kulturwissenschaften, tut mir leid.

Ehrungen

Mit Ehrungen ist es so eine Sache. Die Studierende im Senat verweigern den allermeisten Honorarprofessorinnen (m/w), Goldenen Doktordiplomata und Ringverleihungen die Zustimmung. Man kann es verstehen: das soll der Bundespräsident besorgen. Akademische Würde ist nicht ihre Sache.

Natürlich besteht ein gesellschaftliches Bedürfnis nach Ehrungen. Das Motiv der Dankbarkeit kann nicht ganz falsch sein. Wichtiger ist eine gesellschafts- und medienpolitische Überlegung. Die Zuschreibung von “Ehre” wirkt als Signal und Absichtserklärung. Dass Hörsäle der Universität nach Frauen benannt wurden, ist eine solche Geste.

So kommt es, dass ich diese Einladung mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachtete:

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Es handelt sich um eine Feier anläßlich der Einführung des Studiums der islamischen Religionspädagogik an der Universität Wien. Wie alle Curricula wurde dieses seitens des Senates betreut und beschlossen. Indes, die

Ehrenliste

zeigt ein anderes Verständnis dieses Vorgangs. Das lachende Auge: durch das Schreibrohr ungeehrt.

Aber nicht uninteressiert. Das Curriculum ist von hervorragender Qualität. Mein Kollege Franz Wimmer hat mit dem Hauptverantwortlichen, Ednan Aslan, ein Radiogespräch geführt.