ein Jahr später

EIne Protokollnotiz darüber, warum die Wikipedia Erfolg hat und wie sich die Zeiten – eben durch diesen Erfolg – ändern.

Für einen Artikel, den ich gerade schreibe, brauchte ich Informationen zu Goethes berühmtem Gartenhaus im Park an der Ilm. Es wurde 1999, als Weimar europäische Kulturhauptstadt war, kopiert. Die Wikipedia gibt an, dass die Kopie 2001 in Bad Salza neu aufgestellt wurde.

Dort allerdings, und an der Adresse des 2. Gartenhauses ist zu lesen, dass es ein Jahr später war.

Nichts einfacher, als die Jahreszahl zu ändern.

Mittlerweile heißt es allerdings “bitte warten”, bis jemand die Änderung überprüft hat.

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Die Auserwählten

„Darum nehmt ihm das Talent weg und gebt es dem, der die zehn Talente hat! Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat. Werft den nichtsnutzigen Diener hinaus in die äußerste Finsternis! Dort wird er heulen und mit den Zähnen knirschen.“ – Mt 25,14-30

Ich habe mich letzte Woche riskiert; einen ganzen Tag – von 08:30 bis 18:00 Uhr – in einem Seminarraum im Juridiucm. Dort fand ein Assessment Center statt. Es wurde durch verschiedenste Aufgaben abgefragt, ob man fähig ist, Führungspositionen zu übernehmen und im Team zusammenzuarbeiten – oder: ob man ein Talent ist und ein halbes Jahr das Persönlichkeitsentwicklungsprogramm des Talent Circle absolvieren darf. Da nur 12 Leute mitmachen durften, musste nach gewissen Kriterien ausgewählt werden – und das geschah an diesem Tag. Wert wurde dabei vor allem auf die Selbstdarstellung, Überzeugungskraft und Strukturierungsfähigkeit gelegt – und das in zeitkritischen Situationen. Anbei ein paar Einblicke darüber, was ich dort erlebt habe und warum ich dort war.

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Bahnhof verstehen

Am Wochenende diskutierte die “Gruppe Phänomenologie” und Gäste in Otterthal politische und ästhetische Aspekte der Philosophie Jaques Ranciéres. Ein Thema war seine Charakterisierung des Systems “Kunst”. Wie scharf ist es von anderen Wahrnehmungsweisen und Praktiken abgegrenzt?

Als Beispiel brachte ich das folgende Video. Nach Ranciére ist die Kunst dafür zuständig, Aufteilungen des Sinnlichen zu re-organisieren. Zusammenhänge, die im Alltagsverlauf verborgen bleiben, werden durch Interventionen im Wahrnehmungsfeld sichtbar. Wie man hier sieht, verschwimmen die Grenzen.

Zurich Kundenservice

In unregelmäßigen Abständen packt mich der Ärger über die sprachliche Schlamperei, die an der Universität ausgebrochen ist. Die Umstellung zu einem Unternehmen läßt ehemalige Standards des korrekten Ausdrucks leicht in Vergessenheit geraten. Manchmal denke ich: solche Ausrutscher würde sich eine Bank oder eine Versicherung niemals erlauben.

Ein frommer Irrtum. Die Zurich schickt mir einen Brief, um mich als Kunden ihrer KFZ-Versicherung zu gewinnen. Ich stutze: in der 2. Zeile ein das-Fehler:

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Der zweite Absatz beginnt sprachlich unbeholfen. Es sollte besser heißen: “Wenn Sie ihr Auto immer benötigen”. Und dann entwickelt er das interessante Konzept der “Pannen oder Unfällen bis zu 6 Tagen”.

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Dauern die Pannen sechs Tage? Oder soll das Tage und nicht Tagen heißen:”bis zu 6 Tage einen Ersatzwagen zur Verfügung”. Nun gut, das ist ein wenig beckmesserisch. Aber “Fahrläsigkeit”?

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Zum Abschied, damit Sie sich persönlich angesprochen fühlen, das etwas andere Angebot:

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Hier der Brief im Ganzen.

un-flach

Dienstag das im vorigen Beitrag kritisierte Interview, Mittwoch eine Überraschung, Jacques Ranciéres Das Unvernehmen. Das ist wirklich eine eindrucksvolle Schrift. Zwei Punkte finde ich besonders markant.

  • die athenische Demokratie ist sozusagen passiert
  • sie besteht in einer strategisch-prinzipiellen Verdrehung

Demokratie ist nicht primär ein Ideal, dem wir nachzueifern haben und das immer nur unvollkommen realisiert wird. Historisch gesehen ist diese Staatsform in Athen dadurch entstanden, dass verschuldete Bürger nicht mehr versklavt werden durften. Damit wurde eine “Isonomie” wirtschaftlich unvergleichbarer Personen(gruppen) geschaffen. Die Philosophie reagiert darauf.

Wer kein Geld hat und nicht durch besondere Fähigkeiten auffällt, hat dennoch eine Qualität: er darf das Schicksal der Stadt frei mitbestimmen. Diese Freiheit hängt zwar völlig in der Luft, weil ihr jede sachliche Unterfütterung fehlt, aber sie ist – durch das Gesetz der größeren Zahl – der bestimmende Machtfaktor der civitas. Die leere Freiheit regelt die sachlichen Entscheidungen, das ist von Anfang an schief.

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Foto: ArtGeneric. Flickr 2440553349

Flachgang?

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Peter Harlander, Robert Buchschwenter, h.h. Foto: P. Harlander

Gestern fand in Linz im Rahmen von 80+1 ein Expertengespräch zu Identität im Internet, speziell im Hinblick auf “Second Life” statt. Heute stoße ich zufällig auf eine Äußerung Jaques Rancières zu diesem Thema:

Jacques Ranciére. Aesthetics Against Incarnation: An Interview by Anne Marie Oliver. Critical Inquiry 35 (2008) Die Frage: “What about virtual reality?”

Virtual reality and all those video games that create a virtual reality are a form, one form among others. You have multimedia reality; you have virtual reality; you have the creation of imaginary worlds — Second Life and so forth.

It’s a kind of substitute, of course, for resurrection and the other world, but, in this case, we are in the field of social imagination rather than the field of art. … It is not the case that every reality has become virtual, for solid things still exist, and it is not true that everything melts into air – no, they don’t melt into air.

Das – und noch mehr Oberflächlichkeiten – in einem renommierten Journal! Und zur Plattheit paßt die Auferstehung. Die Versicherung, dass es sich um soziale Imagination handelt und sich nicht alles in Luft auflöst. Wir sind in unserem Gespräch auch an diesen Punkt gekommen, aber so flach ist das nicht geblieben. Das kommt davon, wenn man etwas analysiert, dessen Hintergründe man nicht untersucht hat, in diesem Fall die Logik der Interaktivität.

fehlende Bilder

Abadia de Fontenay
Image via Wikipedia

Die ehemalige Zisterzienserabtei Fontenay ist die zweitgrößte Touristenattraktion Burgunds. Sie liegt, wie bei den Zisterziensern üblich, in einem separaten Tal, in schöner Einsamkeit, an einem kleinen Flüsschen. Ein perfekter Rasen begrüßt die Besucher. In einem großen Nutzgebäude befindet sich ein riesiger, wassergetriebener Schmiedehammer, der durch ein EU-Projekt unter Beteiligung mehrerer technischer Schulen rekonstruiert wurde.

Die Sehenswürdigkeit des Bauwerks hat selbst eine Geschichte. Was derzeit mit 3 Sternen ausgestattet in allen Reiseführens figuriert, war Ende des 19. Jahrhunderts eine Industrieruine. Die Französische Revolution beendete den Klosterbetrieb. Und dann:

Vente de Fontenay par les révolutionnaires. L’Abbaye est transformée en papeterie par le premier acheteur, M. Hugot.

Logisch: Zur Papierproduktion brauchte man große Gebäude und fließendes Wasser.

Zahlreich sind die Bilder, die man im Netz, bereitgestellt durch Fremdenverkehrsagenturen und Urlaubsknipserinnen, von der Abtei sieht. Kein einziges Bild zeigt die ehemalige Papierfabrik. (Im Bookshop kann man eines finden.) Auch die illustrierte Geschichte der Abtei läßt diesen Zustand aus.

An der Rückseite des Bilderüberschusses, der sich im Internet beobachten läßt, vermehren sich auch die Lücken, die in keiner Urlaubsreise geschlossen werden können.

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born in the USA

Ich schreibe an einem Artikel: “Zweimal Paris: Wahn und Wirklichkeit”. Er beginnt mit einer Episode, die M. Foucault zitiert. Ein Psychiater des 19. Jahrhunderts ist mit einem Patienten konfrontiert, der die Existenz von Paris leugnet. Als der Nervenarzt mit ihm nach Paris fährt, antwortet der Patient: Das ist die Provinzstadt Langres, die nur so aussieht, wie Paris. Eine erste Pointe besteht darin, dass man in diesem Fall den Wahrheitsanspruch nicht relativistisch abwerten kann. Es geht – für beide Seiten – um einen Konflikt. Wenn einander die Positionen nicht ernsthaft gegenüberstehen, gerät man von einem Erkenntnisproblem zur Psychotherapie.

Auch ohne den psychiatrischen Hintergrund trifft man auf ähnliche Konfrontationen. In den USA wird derzeit von einigen Freaks die Staatsbürgerschaft Barack Obamas abgestritten. Das Video ist “spooky”:

Der Präsidentensprecher nimmt es richtig:

Informationen zu den Fakten hier oder hier.

trying to unfuck my system

AMD64 Logo
Image via Wikipedia

Auf einem Rechner, den ich verwalte, läuft Debian lenny auf einer 64-bit Architektur. Der Zentrale Informatikdienst bietet eine backup-Lösung, die ich auch in Anspruch nehme. In Anspruch nahm, denn plötzlich produzierte der Aufruf eine Fehlermeldung. Angeblich wurde das Programm nicht gefunden.

Einige Recherchen ergaben dieses schöne Studienbeispiel für open source Empörung:

ia32-libs transition

Aneurin Price
Mon, 29 Jun 2009 18:12:17 -0700

Hi,

I’ve just spent over an hour writing and rewriting this mail, and determined
that I can’t think of a single constructive thing to say.

So I’ll just ask a couple of questions instead:

Is there any way of preventing this kind of major breakage in the future?
I don’t think many people expect that upgrading one package will FUBAR
the packaging system.

Is there any chance of Wine becoming functional on amd64 in the forseeable future?

Did anyone who isn’t on crack get to see ‘ia32-apt-get.preinst’ and
‘ia32-apt-get.postinst’ before they were perpetrated upon an unsuspecting
populace? Reading them in the process of trying to unfuck my system made me feel more than slightly ill.

-Nye

Die oben genannte Bibliothek ermöglicht es, auf 64-er Rechnern 32-Bit-Software laufen zu lassen und man sieht, was passiert, wenn man ein Spinnennetz mit den bloßen Fingern zu modifizieren sucht. Weitere Beiträge in diesem Umfeld.

Das führte schließlich zu diesem Ergebnis. Eine Fallstudie über Ärger und Kooperation in der offenen Softwareentwicklung.

Für mein backup muss ich einstweilen Notlösungen heranziehen.

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Lückengesetz

Italien - Italy - Europa -Treppe zum "Dor...
Image by Ela2007 via Flickr

Die Novelle des UG2002 ist vom Nationalrat beschlossen. Ein prinzipienloses Potpourri von kleinen Geschenken an die universitären Instanzen und einem großen Geschenk, das sich das Ministerium selbst gemacht hat.

Max Kothbauer, Vorsitzender des Universitätsrat der Universität Wien, hatte im Standard einen umstrittenen Kommentarverfasst. Er sieht die Entwicklung im Großen positiv und stellt sich gegen die habituellen Skeptiker.

Gerhard Clemenz hat mit Nachdruck gekontert. Und auch die neue ÖH-Vorsitzende Sigried Maurer teilte die schönen Aussichten nicht.

Hier der

[display_podcast]

Bericht des ORF über die Beschlussfassung im Nationalrat. Minister Hahn ist, wie man daraus entnehmen kann, nicht in der Lage, zwischen der Teilzeitautonomie eines (zur Hälfte) von der Regierung eingesetzten Gremiums und der Hochschulautonomie als einer Verfassungsbestimmung der Republik zu unterscheiden.

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