“carefree usage by hiding complexity”

kopod

 

Andreas Kirchner diskutiert (im vorletzten Beitrag) das Verhältnis von glatter Oberfläche und dahinter liegenden Kräfteverhältnissen am Beispiel gebräuchlicher Textcodierungen im Internet. Ich illustriere das Thema anhand einer Episode aus meinem laufenden Seminar über Podcasts.

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Geschäftsmodell Eitelkeit

Gewöhnlich zeigt mir Google, wenn ich einen erkärungsbedürftigen Terminus nachschlage, auf der ersten Seite zumindest einen Wikipedia Eintrag. Nicht so für “Video Sales Letter”, da taucht die Enzyklopädie erst auf der 4. Seite auf — und dort nur mit “Sales Letter”, ohne Video. Eine schmerzhaft US-amerikanische Propaganda für das Video Sales Letter Formula steht in der Suche ganz oben.

Ich suchte nach einer Erklärung zu diesem Thema, denn ein Kollege hatte im Seminar “Podcasts philosophisch” unter Rückgriff auf Plato eine Satire auf diese Werbeform produziert:
Dihairesis. Deine persönliche Blaupause zur Begriffsbestimmung. Die wichtigste Regel für solche Einschaltungen scheint zu sein, die Konsumentinnen nicht durch Kontrollknöpfe in den Ablauf der Werbung eingreifen zu lassen, die ohne Aufforderung (auto-play) abgespiet wird.

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plain text

ASCII was very carefully designed; essentially no character has its code by accident. Everything had a reason, although some of those reasons are long obsolete.
kps

As digital natives we tend to take for granted the significant efforts of intelligence that enabled the global tech revolution. Here is one small detail about ASCII control characters, which are for example still used to some extend in terminals (ssh).

What we can learn here is compactness and elegance. But let’s not transfigure the past. Maybe it’s a lesson about the temptations of universality.

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RBTV, der “Chad” und Schiller

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(Bildquelle: https://twitter.com/__gngr)

 

In diesem Beitrag wird die Herangehensweise an “Interaktivität” zwischen Sendungsmachern und Zuschauern des Internetfernsehsenders Rocketbeans.tv (RBTV) als Fallbeispiel herangezogen, um eine neuartige Rolle des “Chats” vorzustellen. Diese neue Funktion wird mit den Gedanken Friedrich Schillers zum Chor in der griechischen Tragödie in Bezug gesetzt, wie sie der Autor in der Vorrede zu dem Werk Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder formuliert hat.

 

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Situation, Ereignis, ohne Pathos

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Der Tag begann mit einem Kapitel aus Sam Gillespies The Mathematics of Novelty: Badiou’s Minimalist Metaphysics[1. Eine kompromisslos kompakte Studie, die dem Autor, der sich 2003 umgebracht hat, 2005 ein Doktorat an der University of Warwick einbrachte.] Ärger machte sich breit, denn diese Darstellung folgt den bedenklichsten Impulsen der Philosophie. In hyperabstrakten Begriffen zelebriert sie ganz einfache Verhältnisse. Sie folgt darin Alain Badiou, der herkömmliche Umstände “Situationen” nennt, die durch “Ereignisse” erschüttert werden, und zur Analyse dieses Vorgangs “die Leere”. “das Sein” und “suture” heranzieht[2. “Events … signal breaks in situations as such: they bring the void, with which any situation is sutured to being, to the fore.” a.a.O. S. 11]. Dann aber funktionierte mein Open Access Archiv Sammelpunkt nicht mehr.

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Strandszene

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Ein vor 10 Jahren verfasster Text “Katastrophen 1906/2006” war durch einen Tsunami im indischen Ozean ausgelöst. Die Reaktion auf Naturkatastrophen enthält neuerdings auch ihre live Dokumentation, bis zum Extremfall, in dem eine Kamera, deren Besitzer ertrunken sind, ans Land gespült wird. Weiter kann Reality-TV nicht mehr gehen. Das Publikum betrachtet in Bildern die Überwältigung der Photographinnen durch den Tod.
 
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Wer ist Harald Schmidt?

VRHS

Der junge deutsche Youtuber Robert Michel alias Rob Vegas ist vor ein paar Jahren durch die Medienwelt gegeistert, weil er einen Pseudo-Twitteraccount von Harald Schmidt angelegt hatte (@bonito.tv), der schon nach kurzer Zeit beachtliche Follower-Zahlen erreichte. Obwohl Michel regelmäig darauf hingewiesen hatte, dass er nicht vom echten Fernsehmoderator betreut wurde, erfreute sich der Twitteraccount höchster Beliebtheit, denn es gelang dem jungen Medienschaffenden den Stil des Entertainers überzeugend zu kopieren und deswegen wollten dessen Bewunderer weiterhin ihre “tägliche Dosis Schmidt”.

Ende 2015 ist eine von Michel verfasste Biographie im Goldmann-Verlag veröffentlicht worden. Gut lesbar steht darauf oberhalb des Titels: “Ich, Harald Schmidt”, die Warnung: “Vorsicht Fälschung”. Die Tautotologie im Titel verstärkt den Effekt der Warnung noch. Die Lebensbeschreibung basiert nach Michels Aussage, aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Beschriebenen, ausschließlich auf kompilierten Anekdoten, die Schmidt in seiner Fernsehsendung zum Besten gab und die der Jungautor seinem eigenen Gutdünken nach in Relation zueinander setzte. Die dabei entstehenden Lücken im Lebenslauf wurden interpretativ gefüllt.

Nun befindet sich Harald Schmidt in einem Alter, in dem noch zu viele Seiten in der Biographie frei bleiben müssten. Zudem ist bekannt, dass ihm sehr daran gelegen ist, sein Privatleben geheim zu halten. Überraschenderweise hat der Fernsehunterhalter allerdings keine rechtlichen oder sonstige Schritte eingeleitet. Man sollte meinen, dass es ihm unangenehm sein müsste, wenn er als Mittel benutzt wird, um einem Youtuber zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. Michel selbst verweist darauf, dass Schmidt in einem Radiointerview gesagt habe, dass er die Pseudo-Biographie begrüße, weil es zur Vernebelung seines Privatlebens beitragen würde.

Es ergeben sich hier einige Fragen. Auf drei dieser Fragen möchte ich ein wenig eingehen:

  1. Wer wird in der Pseudo-Biographie beschrieben?
  2. Wieso lassen sich Bewunderer wissentlich auf einen bekannten Identitätsklauer ein?
  3. Inwiefern dient die Biographie zur “Vernebelung” des Privatlebens von Schmidt?

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wahre Empfindungen

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Kostka Tivadar Csontváry

In der letzten Vorlesungsstunde zu Big Data bezog ich mich unter anderem auf einen Text Christian Geyers aus der FAZ vom 13.1.2016. Er registriert die Verunsicherung durch zahlreiche Metadiskussionen zum Flüchtlingsproblem und die (vergebliche) Suche nach elementaren Bildern und Geschichten. Der Anlass seiner Überlegung ist das Bild hungernder Kinder in Madaya, Syrien. Wann, wenn nicht hier, sollte es Gewissheiten geben. Jedoch:

Unser Albtraum ist, dass wir solche Albträume nur in abgeleiteten, von der Deutungsmaschinerie erhitzten Kategorien wie Fluchtursachen, Einzelfällprüfung und Kriminalitätsstatistik wahrzunehmen gewöhnt sind. Unser Albtraum ist, dass wir auf diese Raster angewiesen bleiben, soll “Syrien” uns überhaupt betreffen können.

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offen gewagt

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Die Philosophische Audiothek wird seit mehreren Jahren auf einer Plattform betrieben, die unter dem Titel “Mediacore” als ein open source Projekt begonnen hat. Vor drei Jahren kam es zu einer Reorganisation. “Mediacore” wurde zu einem kommerziell angelegten Cloud-Unternehmen, während der aktuelle Stand der Entwicklung als Mediadrop zu einem “community project” abgezweigt wurde.

Weder das geschäftliche Unternehmen, noch der open source Ableger waren sonderlich erfolgreich, obwohl die Plattform durchaus gute Dienste leistet. Die Botschaft kam also nicht ganz überraschend:

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Einfach zu verschieden

NichtsGemeinsam

“Wir haben nichts gemeinsam.
Wär’ vielleicht leichter wenn wir gleich wären, doch ist nicht so einfach.
Wir haben nichts gemeinsam, wozu die Heuchelei?

Freunden wir uns damit an, wir werden niemals Freunde sein.”
NMZS & Danger Dan – Nichts gemeinsam

In der Musiksendung “Heimatsound” im Bayrischen Fernsehen gibt die in München lebende Rapperin und Architekturstudentin Ebru Düzgün alias Ebow ein Interview. Darin nennt sie ein wichtiges Merkmal der gegenwärtigen Kultur:

“Multikulti ist an sich ein falscher Begriff, denn der Grundsatz dieser [heutigen] Kultur sind die vielen Kulturen. […] Multikulti kann man gar nicht mehr sagen. Das ist die Kultur jetzt.”

Die Vielfältigkeit ist ein Fakt. Die Ko-Existenz, das tatsächliche Zusammenleben mit Menschen mit verschiedenen Wertvorstellungen und sozialen Praxen ist jedoch nichts, das durch Gesetze geregelt werden kann. Unabhängig davon, von wo jemand kommt, weist unsere Gesellschaftsform Merkmale auf, die einen bestimmten Umgang mit Neuem nahelegen: Die Zitation von Elementen verschiedener Quellen wird gefördert und in einem scheinbar neutralen und säkularen Zusammenhang, der von ökonomischen und medialen Bedingungen mitgeprägt ist, präsentiert:

heimatsound

 

Songs von Ebow einerseits und Hubert von Goisern andererseits finden sich nacheinander auf Volume 1 des Heimatsound-Samplers. Das aus “Heimat” und “Sound” zusammengesetzte Wort gibt bereits einen Hinweis auf die Kombination von Quellen unterschiedlicher Herkunft, aber auch darauf, dass das unkommentierte Nebeneinander-stehen-lassen nicht das Ende der Weisheit sein kann. Eine Aufgabe für die Konsumenten. Was unter dem Motto “So klingt Heimat” zu finden ist, ruft nach einer Auseinandersetzung. Es ist attraktiv, alles zusammenzuhören und als gleichberechtigte Beiträge und Indiz für die Vielfältigkeit der Heimat zu bewerben. Dem werde ich zuerst mit der Behauptung begegnen, dass die Werke der beiden Künstler (m/w) nichts gemeinsam haben. “Nichts gemeinsam” – so lautet auch ein Song der Antilopen Crew, der oben verlinkt ist, der einige Gedanken bei mir provoziert hat. Es folgen dann Überlegungen über die Zugänge zum Thema Heimat und Identität – aus Sicht und Gehör eines Amateurs.

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