Pro-Test

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Jetzt kann ich auch einmal einen Studentenprotest erleben. Ich hab mir einige Seiten dazu angehört und es gibt ein breites Spektrum an Reaktionen dazu, aber alle sind sich einig: Die aktuelle Situation ist in einigen Studien unzumutbar und etwas muss sich ändern. Der Protest ist die konkrete Manifestation dieser Aussage – und allein aus diesem Grund berechtigt. Es gibt Leidtragende und diese gehen (neben anderen Berufsprotestlern), um die Akademie der Bildenden Künte und auch das Audimax zu besetzen.

Das Thema kommt in die Öffentlichkeit und fordert die Menschen (und wichtige Entscheidungsträger) auf, etwas dazu zu sagen. Ob das Gesagte die Debatte um Bildung und die Situationen in den “Massenstudien” weiterbringt, muss getestet werden.

Es scheint, dass die Situation an der Akademie von der an der Hauptuni verschieden ist. In der Akademie kämpft man (Studierende und Lehrende) gegen die Einführung der Bachelor-und Masterstruktur; im Audimax wehren sich Studierende eher gegen die schlechte Studiensituation und die UG-Novelle.

Wenn man die Kommunikation über Twitter mitverfolgt, dann liest man eigentlich keine Themen heraus, sondern ganz unmittelbare praktische Probleme und Infos, die beim Protestieren entstehen (Dokumentation der Lage – Wir sind im Fernsehen – Wer hat ein iPhone-Ladegerät – Wo gibt es was zu essen – wann ist das nächste plenum? wie geht es weiter? – …).

Wie es bei Basisgruppen üblich ist, muss man sich kontinuierlich um die Kommunikationsstruktur kümmern, muss laufend diskutieren, wer was wie entscheiden darf und das führt manchmal dazu, dass die konkreten Inhalte verloren gehen. Es geht ja schließlich um zentrale Fragen:

1 Wie charakterisiert sich der IST-stand, den wir verändern wollen?
2 Wo wollen wir hin? In welchem Zustand lässt es sich studieren?
3 Was sind konkrete Forderungen und Maßnahmen, die wir sehen, um von 1 zu 2 zu kommen?

Es sollten Diskussionsveranstaltungen organisiert werden, wo Studierende, Lehrende, Interessierte und Entscheidungsträger aufgefordert sind, sich zu fragen, welche Rolle Studieren in der Gesellschaft spielt:

* Wenn es nur darum geht, Personen zu produzieren, die von Unternehmen nachgefragt werden, dann wird man tatsächlich die Zahl der Studierenden bei weniger nachgefragten Studien kürzen müsseen.

* Sollen Personen zusätzlich und mit Überschneidungen zu den Kompetenzen, die für den Lebensunterhalt notwendig sind, ihren persönlichen Begabungen und Interessen nachgehen können? Dann müssen ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, damit das in einem sinnvollen Rahmen möglich ist.

Wir sind im universitären Kontext einfach nicht in einer Situation, wo ökonomische Aspekte (Kosten/Nutzen)gar keine Rolle spielen. Es gibt begrenzte finanzielle Mittel und die müssen sinnvoll verwendet werden. Und dann muss man natürlich fragen, was sinnvoll ist. Dafür brauchen wir intensive Diskussionen, denen umfrangreiche Kenntnisse der finanziellen Lage und der Gestaltungsrahmen, die jede Ebene (Studierende, Lehrende, Senat, Rektorat, nationale Regierung, Europäische Politik, Interntationale Politik) hat. Der Protest ist erst ein Schrei, noch kein Argument.

Wer will, dass er ein Argument wird, muss die protestierenden Kräfte mit Information füttern. Und hier sind nicht nur die Protestierenden gefordert, sondern alle, denen die Situation an den Unis wichtig ist (inklusive Rektor, Studienvertretungen, Wissenschaftsminister, …) oder aufgrund ihrer Position wichtig sein MUSS.

clash 2

mitmotiv

Vergangene Woche, an einem Nachmittag, zwei kontrastierende Sitzungen.

Die erste mit den höchsten Amtsträgern der Universität. Sie sind von mehreren fähigen Abteilungsleiterinnen (m/w) umgeben. Als Vorsitzender der Curricularkommission bin ich zwar nicht vom “Chef” abhängig, aber die Aufgabe läßt sich nicht erfüllen, ohne in die organisatorische Logik des Bildungsbetriebs einzuwilligen.

Also funktioniere ich ebenso, wie die Kolleginnen. Kurz und prägnant, konstruktiv, dynamisch auf die nächsten Ziele gerichtet. Die eine Abweichung, die ich mir gestatte, wird durch die Broschüre der “Postgraduate Centers” provoziert. Ich begrüße die Einsparungen dieser Abteilung. Sie haben im Flyer ein “t” gestrichen: “Management und Wirschaft”.

(Die Verantwortlichen arbeiten schnell: die Kurzbroschüre ist von der Homepage nicht mehr zu beziehen. Man stößt auf eine Login-Screen von Typo3.)

Eine Stunde später die Sitzung der politischen Gruppe, die sich gegen die neuen Leitungsstrukturen ausspricht. Die Gegenseite. Klagen, Beschwerden, Proteste. Das Stolpern über jeden kleinen Stein, der Teilen der Belegschaft in den Weg gelegt wird. Die drohende Ausweglosigkeit als Antwort auf die bedrohliche Aufwärtskurve.

wirschaft

un-flach

Dienstag das im vorigen Beitrag kritisierte Interview, Mittwoch eine Überraschung, Jacques Ranciéres Das Unvernehmen. Das ist wirklich eine eindrucksvolle Schrift. Zwei Punkte finde ich besonders markant.

  • die athenische Demokratie ist sozusagen passiert
  • sie besteht in einer strategisch-prinzipiellen Verdrehung

Demokratie ist nicht primär ein Ideal, dem wir nachzueifern haben und das immer nur unvollkommen realisiert wird. Historisch gesehen ist diese Staatsform in Athen dadurch entstanden, dass verschuldete Bürger nicht mehr versklavt werden durften. Damit wurde eine “Isonomie” wirtschaftlich unvergleichbarer Personen(gruppen) geschaffen. Die Philosophie reagiert darauf.

Wer kein Geld hat und nicht durch besondere Fähigkeiten auffällt, hat dennoch eine Qualität: er darf das Schicksal der Stadt frei mitbestimmen. Diese Freiheit hängt zwar völlig in der Luft, weil ihr jede sachliche Unterfütterung fehlt, aber sie ist – durch das Gesetz der größeren Zahl – der bestimmende Machtfaktor der civitas. Die leere Freiheit regelt die sachlichen Entscheidungen, das ist von Anfang an schief.

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Foto: ArtGeneric. Flickr 2440553349

born in the USA

Ich schreibe an einem Artikel: “Zweimal Paris: Wahn und Wirklichkeit”. Er beginnt mit einer Episode, die M. Foucault zitiert. Ein Psychiater des 19. Jahrhunderts ist mit einem Patienten konfrontiert, der die Existenz von Paris leugnet. Als der Nervenarzt mit ihm nach Paris fährt, antwortet der Patient: Das ist die Provinzstadt Langres, die nur so aussieht, wie Paris. Eine erste Pointe besteht darin, dass man in diesem Fall den Wahrheitsanspruch nicht relativistisch abwerten kann. Es geht – für beide Seiten – um einen Konflikt. Wenn einander die Positionen nicht ernsthaft gegenüberstehen, gerät man von einem Erkenntnisproblem zur Psychotherapie.

Auch ohne den psychiatrischen Hintergrund trifft man auf ähnliche Konfrontationen. In den USA wird derzeit von einigen Freaks die Staatsbürgerschaft Barack Obamas abgestritten. Das Video ist “spooky”:

Der Präsidentensprecher nimmt es richtig:

Informationen zu den Fakten hier oder hier.

trying to unfuck my system

AMD64 Logo
Image via Wikipedia

Auf einem Rechner, den ich verwalte, läuft Debian lenny auf einer 64-bit Architektur. Der Zentrale Informatikdienst bietet eine backup-Lösung, die ich auch in Anspruch nehme. In Anspruch nahm, denn plötzlich produzierte der Aufruf eine Fehlermeldung. Angeblich wurde das Programm nicht gefunden.

Einige Recherchen ergaben dieses schöne Studienbeispiel für open source Empörung:

ia32-libs transition

Aneurin Price
Mon, 29 Jun 2009 18:12:17 -0700

Hi,

I’ve just spent over an hour writing and rewriting this mail, and determined
that I can’t think of a single constructive thing to say.

So I’ll just ask a couple of questions instead:

Is there any way of preventing this kind of major breakage in the future?
I don’t think many people expect that upgrading one package will FUBAR
the packaging system.

Is there any chance of Wine becoming functional on amd64 in the forseeable future?

Did anyone who isn’t on crack get to see ‘ia32-apt-get.preinst’ and
‘ia32-apt-get.postinst’ before they were perpetrated upon an unsuspecting
populace? Reading them in the process of trying to unfuck my system made me feel more than slightly ill.

-Nye

Die oben genannte Bibliothek ermöglicht es, auf 64-er Rechnern 32-Bit-Software laufen zu lassen und man sieht, was passiert, wenn man ein Spinnennetz mit den bloßen Fingern zu modifizieren sucht. Weitere Beiträge in diesem Umfeld.

Das führte schließlich zu diesem Ergebnis. Eine Fallstudie über Ärger und Kooperation in der offenen Softwareentwicklung.

Für mein backup muss ich einstweilen Notlösungen heranziehen.

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die vielen Schritte

One Step Beyond...
Image via Wikipedia

Alle drei Jahre ist Senatswahl. Wie im vergangenen Durchgang gibt es wieder 2 Listen für den “Mittelbau”. Die “Plattform für universitäre Mitbestimmung”, die Herbert Hrachovec als Spitzenkandidaten aufgestellt hat, und die Liste “Universität gemeinsam neu gestalten” – ULV. Natürlich ist es interessant zu sehen, wie die Konkurrenz sich darstellt.

Kurz gesagt: recht jovial.

Unsere Kandidaten Gerhard Ecker, Gaby Kucsko-Stadlmayer und Germain Weber arbeiten seit sechs Jahren als Senatsmitglieder dafür, Euch Perspektiven für Eure Laufbahn zu eröffnen.

Unser ZIEL ist, die Rolle junger Forschender und Lehrender zu stärken, damit Ihr die Universität als Stätte freier Reflexion erlebt und Euer Potenzial bestmöglich entfalten könnt.

Das klingt wie ein Prospekt der Grünen zur Gemeinderatswahl. (Ja, stimmt schon, ich bin parteilich.)

Wir arbeiten für Euch mit Wissen, Erfahrung, Beharrlichkeit und Verhandlungsgeschick!

Es ist eine eigenartig markierte Position, die Anrede mit “Ihr” und “Euch”. Warum ist mir das beim Verfassen meines Werbetexts nicht eingefallen? Der Unterschied liegt darin, wie man sich an das Publikum wendet. Ein “Schau mir in die Augen” statt einer Bilanz. Theatralisch.

QUELLEN, DIE DAS VERTRAUEN STÄRKEN

Als Erfolg dieser Politik werten wir die vielen Schritte, die das Rektorat in den letzten Jahren mit uns ging …

Als das letzte Rektorat die vielen Jahre Schritte mit uns dieser Erfolg ging. Politik. Werten.

Zum Vergleich der Wahlaufruf der PLUM. Satire auch dort erbeten.

Liverpool

University of Liverpool Guild of Students. Tak...
Image via Wikipedia

Es ist ein wenig wie ein Katastrophenfilm, den man vom sicheren Kinositz aus betrachtet. Nach einem schlechten Evaluationsergebnis hat die Leitung der Universität Liverpool angekündigt, das Institut für Philosophie zu schließen. Die Homepage des Instituts selbst darf offensichtlich nichts darüber berichten. Die Liverpool Daily Post gibt einen Überblick. Siehe auch den Bericht im Guardian.

Das Institut bietet, so die Begründung, keine “Weltklasseforschung”. Damit wird ein Schlagwort zum Schlagwort. “under-performing”, ‘realignment and repositioning, transfer of activity to another higher education institution, and closure’.

Und dazu die bekannten rhetorischen Gesten.

There is something terrible happening to higher education in Europe, on a European scale, it constitutes a real threat to the continued existence of what has been called “universities” for centuries in Europe, and it takes place almost unnoticed.

“re-alignment”,- we know that word, don’t we? It has been used before, in its German form, in the thirties. There and then it was called: Gleichschaltung. (Karin Verelst)

Some have compared the actions of the administration of the Council at the University of Liverpool to those of the Nazi and Stalinist regimes. Please stop with this nonsense. There are no concentration camps or gulags being proposed here and this only serves to make our cause look ridiculous to outsiders. (David Slakter)

UPDATE:

Es ist tatsächlich wie in einem Katastrophenfilm. Rettung ist in Sicht:

I am happy to be able to report that the threat to close down Philosophy, Politics and Statistics without proper review or consultation has receded. (Stephen Clark)

umwerfend

Als ich heute früh den üblichen Blick auf die “Letzten Änderungen” im Philo-Wiki warf, traute ich meinen Augen nicht. Nein, kein Vandalismus in der Nacht, sondern das Gegenteil.

osp

In diesem Wiki hat sich im vergangenen Semester eine umwerfende Entwicklung ergeben. Die als Audiofiles verfügbaren Vorlesungen wurden von Studierenden innerhalb von 14 Tagen transkribiert. Es bedurfte nur eines kleinen Anstosses (nicht von mir), um diese kooperative Aktion ins Rollen zu bringen.

Etwas hätte man sich noch gewünscht und ich überlegte, ob ich das nicht nachreichen sollte: die sachgerechte lern- und medientechnische Aufbereitung. Überschriften, Bilder, Kurzzusammenfassungen. Was man halt braucht, um sich den Stoff besser erarbeiten zu können. Was soll ich sagen? Christian Sieberer hat das umgesetzt, ohne mir ein Wort davon zu sagen. Wirklich ein Geschenk.